Hagen. Für die Sauerländer Hersteller von Küchengeräten könnte es nicht besser laufen. Denn die Pandemie hat ihr Geschäft erst so richtig angeheizt.

Allesschneider statt Andalusien: Corona hat das Alltagsleben der Menschen auf den Kopf gestellt, ihr Zuhause gestalten sie immer mehr zum Rückzugsort. Davon profitieren die Hersteller von Küchengeräten und Haushaltswaren aus dem Sauerland – und erleben in Corona-Zeiten einen überraschenden Aufschwung.

Die Krise habe der Kleingeräteindustrie gutgetan, sagt Hermann Graef, Geschäftsführer des gleichnamigen Herstellers aus Arnsberg. Ob Allesschneider, Kaffeemaschinen oder Fleischwolf – in all ihren Produktbereichen sei die Nachfrage deutlich gestiegen. Nachdem die Gastronomie schließen musste, hätten sich die Leute wieder mehr mit dem Kochen beschäftigt, sagt auch Rudolf Schillheim, Geschäftsführer des Esloher Herstellers Gefu. Und Spaß daran gefunden, in hochwertige Reiben oder eine neue Pfeffermühle zu investieren: „Das ist absolut durch die Decke gegangen.“

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Zuerst herrschte Flaute

Von Anfang an lief es aber nicht so rosig, betont Graef: „Im April 2020 mussten wir ein Minus von knapp 60 Prozent verzeichnen“, sagt er. Nur einen Monat später folgte der plötzliche Aufschwung. „Das hat uns überrascht, so hatten wir das nicht erwartet“, sagt Petra Ohlmeyer, Marketingleiterin des Herstellers Wesco aus Arnsberg, vor allem bekannt für sein Sortiment an Mülleimern sowie Küchenaccessoires und inzwischen sogar Outdoorküchen. „Die Nachfrage ist ordentlich abgegangen, auch rund ums Haus haben sich die Leute ausgerüstet.“

Als der erste Lockdown kam, seien sie jedoch noch sehr vorsichtig gewesen, sagt Ohlmeyer. Immerhin gehören zu ihren Kunden auch die Möbelhändler, die ihre Läden schließen mussten. „Wir waren deshalb davon ausgegangen, dass uns das hart treffen wird.“ Doch lange hielt der Abwärtstrend nicht an: Das Online-Geschäft sei schnell gewachsen und die Nachfrage mittlerweile sogar größer als vor Corona.

Gründe dafür gebe es viele, sagen die Sauerländer Hersteller. Zum Beispiel sei die hygienische Abfallentsorgung wichtiger geworden, „wir beliefern vermehrt auch die Gastronomie und den Handel“, sagt Ohlmeyer von der Firma Wesco. Die Kunden Zuhause seien es jedoch, die den größten Anteil ausmachten. „Es gab weniger Möglichkeiten, Geld auszugeben. Der Urlaub fiel aus, also haben die Leute in ihr Heim investiert. Und damit auch in neue Küchen und Geräte.“

Das Zuhause wird zum Freizeitort

„Cocooning“ nennt sich der Trend, von dem die Sauerländer Hersteller jetzt profitieren. So auch die Firma Severin mit Sitz in Sundern: Völlig neu sei die Entwicklung nicht, die eigenen vier Wände hätten auch vor Corona schon an Bedeutung gewonnen, weiß Geschäftsführer Christian Strebl. Die Pandemie habe das aber noch einmal dramatisch beschleunigt.

„Die Lebensgewohnheiten haben sich verändert“, sagt Hermann Graef. Dazu gehöre auch, wieder mehr selbst zu kochen und sich entsprechend auszustatten. Und sich gewisse Standards nach Hause zu holen: „Wer es gewohnt war, in der Firma einen Kaffee am Automaten zu ziehen, wollte das dann auch im Homeoffice tun“, weiß Graef. Die Verkaufszahlen jedenfalls spiegelten das wider.

Auch eine Emotionalisierung erkenne der Geschäftsführer seit der Pandemie: Es gehe beim Kauf nicht nur um die Technik, sondern um die Freude, die das Ergebnis auslöse: „Es kommt etwas dabei raus, wenn man die Produkte benutzt, wenn man mit ihnen das Gemüse schneidet oder wenn man die Kaffeemaschine anstellt.“ Das habe den Erfolg des Geschäfts noch einmal potenziert, sagt er.

Gleiches gelte für alles im Bereich Ambiente, weiß Rudolf Schillheim von der Firma Gefu. Porzellan und Glas etwa seien lange Zeit kaum noch nachgefragt gewesen. „Jetzt stellen aber doch viele fest, dass es sehr angenehm sein kann, wenn man das selbstgekochte Essen am schön gedeckten Tisch genießt.“

>>Hintergrund>> Mit dem Boom steigen auch die Materialpreise

Die Hersteller profitieren zwar von der enormen Nachfrage, doch durch den Boom in der Küchenindustrie werden auch die Materialien knapp: „Und das führt zu einer erheblichen Preissteigerung in allen Bereichen – ob Stahl, Holz oder Kunststoff“, weiß Rudolf Schillheim, Geschäftsführer der Firma Gefu. Auf Dauer bedeute das für die Unternehmen weniger Profit, trotz des Booms. Hinzu kämen stark gestiegene Frachtkosten und die Inflation, teilt auch die Firma Severin mit. Was sich irgendwann auf die Preise für die Kunden auswirken könnte. Noch sehe man sich aber trotz der Herausforderungen gut aufgestellt.