Essen. Durch Corona wird der Führerschein zur echten Herausforderung. Wieso ausgerechnet ein Fahrschulunternehmen aus NRW von der Pandemie profitiert.

Boris Polenske kennt das Geschäft. Im Jahr 1999 gründete er das Software- und Internetunternehmen Klicktel, heute bekannt unter 11880.com und dem Slogan „Da werden Sie geholfen.“ Als der 49-Jährige die Firma 2009 verließ, wollte er seine Erfahrungen im digitalen Bereich weiter nutzen. „Mich hat die Bildung auf Online-Ebene schon immer interessiert.“

Somit kam er 2016 auf die Fahrschulbranche und gründete in Köln die 123 Fahrschule. „Eigentlich wollte ich ursprünglich nur eine Software erstellen, die Fahrschulen digitaler aufstellt.“ Dazu habe er zunächst zwei Testfilialen eröffnet und dabei gemerkt, wie erfolgreich der digitale Ansatz ist. Aus der Idee ist mittlerweile ein börsennotiertes Unternehmen mit über 25 Standorten in ganz Deutschland geworden und somit die größte Fahrschulkette der Führerscheinklasse B. „Ich habe gesehen, wie kleinteilig die Branche ist“, so Polenske. In Nordrhein-Westfalen hat er unter anderem in Bochum, Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen und Herne Filialen.

Aufschwung durch Corona

Während Corona die gesamte Branche ziemlich getroffen hat, bekam die 123 Fahrschule noch einmal richtig Rückenwind. Der Grund: Fahrschulen dürfen den Theorieunterricht wegen der Pandemie digital anbieten, also etwa über Zoom oder Microsoft Teams. Mussten kleinere Anbieter bei der Umstellung des Unterrichts noch viele Hürden meistern, hatten Polenske und seine Beschäftigten den Vorteil, dass sie durch eine App zur Verwaltung der Fahrschulausbildung schon vorher digital aufgestellt waren. Auch die Anmeldung zum Führerschein kann schon lange online durchgeführt werden. „Wir mussten nicht bei null anfangen und uns völlig umstellen.“ Der Konkurrenz sei man deshalb rund drei Jahre voraus.

Boris Polenske will mit der 123 Fahrschule weiter expandieren und überall dort vor Ort sein, wo mehr als 30.000 Menschen leben.
Boris Polenske will mit der 123 Fahrschule weiter expandieren und überall dort vor Ort sein, wo mehr als 30.000 Menschen leben. © 123 Fahrschule | 123 Fahrschule

„Es ist mittlerweile so, dass sich die Branche an den Kunden anpassen muss.“ So bekomme er viele Rückmeldungen von Schülerinnen und Schülern, die auch nach der Corona-Pandemie den Theorieunterricht lieber online absolvieren würden. „Man muss auch sehen, wie viel Zeit das spart“, so Polenske. Statt 14-mal in die Fahrschulen zu kommen, können die Führerscheinanwärter bequem von zu Hause aus lernen. Eine hybride Form des Unterrichts, also eine Mischung aus Präsenz und digital, nach der Pandemie schließt Polenske jedoch aus. Es könne nur das eine oder das andere funktionieren. „Es bleibt natürlich die Frage, ob der Digitalisierungsschub auch nach Corona noch so besteht.“

Polenske: „Wir wollen die Lufthansa der Fahrschulbranche werden“

Unabhängig davon hat er weitere Ideen, wie er seine Fahrschulen voranbringen kann. Stillstand ist für Polenske, der auch schon Geschäftsführer des Gebrauchtwagenportals Pkw.de war, ein Fremdwort. Vielmehr will er seine Position auf dem Markt noch einmal stärken. „Wir wollen die Lufthansa der Fahrschulbranche werden.“ Was er damit meint: Die Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer sollen in Zukunft alle selbst ausgebildet werden. In Simulatoren soll außerdem eine Gefahrenfrüherkennung für Fahrschüler angeboten werden.

Zudem will er weiter expandieren. „Wir wollen überall dort sein, wo über 30.000 Menschen leben.“ Dazu zählt er unter anderem auch das Rhein-Main-Gebiet und die Umgebung rund um den Neckar. Auch in Bottrop und im Kreis Unna sucht er derzeit noch nach Möglichkeiten, Filialen zu eröffnen.

123 Fahrschule will an bis zu 200 Standorten vertreten sein

Terminprobleme bei Prüfungen

Bis Anfang März konnten die Fahrschulen Unterricht nur sehr eingeschränkt anbieten. Deshalb gibt es derzeit einen regen Zulauf. Das Problem: Dadurch kommt es zu Verzögerungen bei den Prüfungen, da der TÜV nicht genügend Plätze anbieten kann.

Ein Sprecher des TÜV Nord erklärte gegenüber der WAZ, dass im Moment mehrere Faktoren zusammenkommen, die den Prüfern die Arbeit schwer machen. So seien aufgrund des Lockdowns im Frühjahr noch Prüfungen nachzuholen. Hinzu kämen außerdem die Feiertage im Mai und Juni.

Wer in Nordrhein-Westfalen derzeit Fahrstunden absolvieren möchte, muss, ebenso wie der Fahrlehrer, über die gesamte Dauer im Auto eine FFP2-Maske tragen. Im Falle einer Prüfung müssen auch der Prüfer oder die Prüferin einen FFP2-Schutz tragen.

Der Andrang ist in jedem Fall groß. „Wir haben in vielen Fahrschulen lange Wartelisten.“ Die 10.000 Fahrschüler im Jahr sind zwar noch nicht ganz erreicht, das soll aber in Zukunft gelingen. Im Juli wird mit Hamburg eine weitere Metropolregion dazu kommen, in Berlin ist die 123 Fahrschule schon vertreten.

Das große Ziel des Unternehmers: In den nächsten Jahren will er sein Filialnetz auf bis zu 200 Standorte ausbauen. Die Fahrschule wirbt dabei auch mit amerikanischen Elektroautos um neue Schülerinnen und Schüler: So können sie auch in Fahrzeugen der US-Kultmarke Tesla ihre Stunden absolvieren.