Essen. Mobilfunkkonzerne geben neuen Smartphones Öko-Noten. Damit wollen sie Druck auf Hersteller ausüben. Was sich für Verbraucher jetzt ändert.

Im Schnitt kaufen sich Verbraucher alle drei Jahre ein neues Smartphone. Waren bislang Preis, Marke und Kameraleistung Hauptkriterien bei der Modellwahl, achten Kunden laut Umfragen inzwischen häufiger auf nachhaltige Standards wie Umweltverträglichkeit und Haltbarkeit. Die fünf führenden europäischen Telekommunikationskonzerne Deutsche Telekom, Orange, Telefónica/O2, Telia und Vodafone führen deshalb erstmals gemeinsam ein Eco-Rating ein, das nach einheitlichen Kriterien Punkte für die Nachhaltigkeit der Marktneuheiten vergibt.

Im Düsseldorfer Labor von Carsten Mintert landen alle Handy-Prototypen, die Hersteller auf den Markt bringen. Für die Vodafone-Landesgesellschaften in Europa, Asien und Afrika prüfen er und sein Team die Geräte auf Herz und Nieren, ob sie in den eigenen Mobilfunknetzen fehlerfrei arbeiten. Die Abteilung Produkt und Service Endgeräte schaut aber auch genau hin, ob die Produzenten ihre zugesagten Nachhaltigkeitsstandards einhalten.

„Wir kennen die Handys sehr gut und wissen, was zu verbessern ist“, sagt Mintert. Rund 100 verschiedene Modelle bringt Vodafone jährlich online oder über die eigenen Läden in den Verkauf. Nach den unzähligen Tests weiß der Laborleiter: „Eine große Auswirkung auf die Umweltbilanz haben ein großes Display und vor allem die Leiter-Platine mit den Chips, weil hier die meisten Mineralien und seltenen Erden verbaut sind.“ Eine große Bedeutung für die Nachhaltigkeit spielt für Mintert aber auch der Transport: Kommen die Handys per Flugzeug aus Asien oder Amerika nach Europa, sei der CO2-Ausstoß deutlich höher als auf dem Schiffsweg.

Seltene Erden und Gold

Die Klimaverträglichkeit und die in den Geräten verbauten knappen Rohstoffe wie Gold und seltene Erden sind aber nur zwei Faktoren, die in das Eco-Rating einfließen. Die beteiligten Telekommunikationskonzerne sind überein gekommen, auch die Langlebigkeit des Gerätes zu berücksichtigen: Wie robust ist das Gehäuse? Wie lang hält der Akku und wie sind die Garantiekonditionen? In die maximale Zahl von 100 Eco-Punkten fließt zudem ein, ob das Handy im Schadensfall zu reparieren und aufrüstbar ist. Bestandteil der Note ist schließlich auch, ob Teile des Mobiltelefons wiederverwertet werden können, wenn es unwiderruflich defekt ist oder ausgedient hat.

Bei all den Einschätzungen sind die Netzanbieter auf die Angaben der Hersteller angewiesen. Vodafone-Manager Mintert sieht in dem breit getragenen Eco-Rating deshalb auch ein Druckmittel. „Mit dem Eco-Rating versuchen wir, die Industrie in die richtige Richtung zu bringen. Die Geräte müssen schrittweise besser die Nachhaltigkeitskriterien erfüllen“, sagt er und fügt unmissverständlich hinzu: „Unsere Hoffnung ist, dass die Kunden zukünftig Smartphones mit einer guten Ökobilanz bevorzugen.“

Start mit zwölf Herstellern, aber ohne Apple

Immerhin haben sich zum Start mehr als ein Dutzend Hersteller dem Nachhaltigkeitsverfahren angeschlossen. Nach Minterts Angaben decken sie über 70 Prozent des Marktes ab. Mit von der Partie sind etwa Motorola, Nokia, Huawei, Oppo und Samsung. „Wir hoffen, dass bald weitere Hersteller wie auch Apple dabei sein werden“, meint der Laborchef. Auch Sony und Google fehlen bislang auf der Liste.

Auf Seiten weiterer Telekommunikationsanbieter zeichne sich ein Interesse ab, dem Konsortium beizutreten. Die Vorstandsvorsitzenden von Telekom, Orange, Telefónica, Telia und Vodafone hatten das Eco Rating bereits im Jahr 2019 beschlossen. Seit Anfang der Woche können Kunden die Nachhaltigkeits-Noten von zunächst 80 nagelneuen Smartphones auf dem Karton oder im Internet nachlesen und in ihre Kaufentscheidung einfließen lassen. Weitere sollen sukzessive dazu kommen.

„Ein nachhaltiges Handy muss nicht teurer sein.“

Trotz wachsender Anforderung an Klimaverträglichkeit und Lebensdauer rechnet die Branche nicht mit steigenden Preisen für Mobiltelefone. „Ein nachhaltiges Handy muss nicht teurer sein“, meint Mintert und erinnert daran, dass es ein Eco-Rating in anderer Form vor einigen Jahren bereits gegeben habe. „Das Eco-Rating wurde 2015 eingestellt, weil es keine Standards und nur geringe Bestrebungen für eine gemeinsame Strategie der großen Mobilfunkanbieter und Hersteller gab“, blickt der Vodafone-Mann zurück.

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Weil die Bewertungsverfahren nicht harmonisiert gewesen seien, „hatte das identische Handy je nach Rating-System der Mobilfunkanbieter unterschiedliche Bewertungen.“ Nun sprechen die führenden Konzerne in Europa mit einer Stimme. Sie alle müssen ihre Klimaziele erreichen. Allein in Deutschland liegen Umfragen zufolge rund 200 Millionen ausrangierte Handys ungenutzt in Schubladen herum.

>>> Die ersten Testergebnisse

Ausführliche Informationen zum Eco Rating hat die Initiative auf der Homepage Eco Rating | evaluating environmental impact of smartphones (sodesign.dev) zusammengestellt. Bislang können Nutzer aber nur die englische und die spanische Sprache Wählen.

Unter den ersten 80 getesteten Smartphone-Modellen hat das Samsung 5G Galaxy S21 mit 85 von 100 die meisten Nachhaltigkeitspunkte erreicht. Mit 61 Punkten schnitt das Huawei 5G am schlechtesten ab.

Der niederländische Hersteller Fairphone, der nach Einschätzung vieler Experten derzeit die umweltfreundlichsten Smartphones anbietet, ist nicht Partner von Eco Rating. nicht auf der Liste der Kooperationspartner steht. Ein Sprecherin von Fairphone begrüßte die Initiative zwar als „einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung für die Branche hin zu einem nachhaltigeren Ansatz“, kritisierte aber das Bewertungssystem. Das Punktesystem spiegele nicht „die gesamte Arbeit, die wir leisten“, wider, so Fairphone.