Essen. Als erster Mobilfunkkonzern will O2 klimaneutral werden. Doch geben viele Kunden ihre alten Handys nicht zurück – aus Sorge um Datenschutz.

Telefonieren, Surfen, Musik streamen und Filme herunterladen– der Mobilfunk gehört zu den großen Stromverbrauchern im Lande. Allein Telefónica/O2 hat jährlich eine Stromrechnung im niedrigen dreistelligen Millionenbereich zu begleichen. Die deutsche Nummer 3 mit ihren 43,5 Millionen Handy-Kunden will auch deshalb das Tempo beim Umstieg auf erneuerbare Energien erhöhen, um früher als die Wettbewerber CO2-neutral zu werden.

„Wir wollen bis spätestens 2025 klimaneutral sein, mindestens fünf Jahre früher als ursprünglich geplant. Das ist ein Quantensprung für O2. Im Vorstand hat das Thema oberste Priorität“, kündigt Markus Haas, Vorstandsvorsitzender von Telefonica/O2, im Gespräch mit unserer Redaktion an und plant: „Wir wollen CO2-Emissionen möglichst vermeiden, zumindest aber verringern und nur absolut unvermeidliche kompensieren.“

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Der Münchner Konzern, der neben Hamburg auch eine große Niederlassung in Düsseldorf und ein Callcenter unter anderem für die Aldi-Talk-Kunden in Essen betreibt, hat sich zum Ziel gesetzt, ganz auf Kohlestrom zu verzichten. Haas spricht von einer „Dekarbonisierung der Lieferketten“ innerhalb des Konzerns mit seinen 8000 Mitarbeitern und räumt ein: „Als Unternehmen haben wir keinen Einfluss darauf, wie der Endkunde seinen Akku auflädt und wie viele Filme er herunterlädt.“

Grünstrom für 27.000 Mobilfunkmasten

Einen großen Posten auf seiner Energierechnung nehmen die bundesweit 27.000 Mobilfunkmasten ein, die Telefonieren und Surfen möglichst ohne Unterbrechung möglich machen. Nach Angaben des Unternehmens verbraucht eine Antenne pro Jahr im Schnitt 20.000 Kilowattstunden – so viel wie fünf Haushalte mit vier Personen. Die Masten laufen rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr. „Deshalb kaufen wir zu 100 Prozent Grünstrom ein“, sagt Haas. Das gelte auch für die bundesweit rund 900 O2-Shops, von denen 600 von Franchise-Partnern betrieben werden.

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Den Mobilfunkanbietern spielt aber auch der technische Fortschritt in die Hände. Der neueste Mobilfunk-Standard 5G, der gerade für die Bereitstellung des superschnellen Internets ausgerollt wird, verbraucht nach Konzernangaben bis zu 90 Prozent weniger Strom als das 4G-Netz, das allerdings parallel weiterlaufen wird. „Jeder Technologiesprung senkt den Stromverbrauch. Bei der Umstellung von 3G auf 4G waren das etwa 35 Prozent. Gleichzeitig steigt die Leistungsfähigkeit der Antennen“, sagt Haas und kündigt an, dass O2 das 3G-Netz demnächst abschalten werde.

Kunden nutzen Smartphones und Akkus länger

Zur Nachhaltigkeitsstrategie gehören aber nicht nur die Anlagen, die O2 selbst betreibt, sondern auch Smartphones und Tablets, die das Unternehmen an seine Kunden verkauft. „Handy-Hersteller müssen regelmäßig nachweisen, dass die Endgeräte weniger Strom verbrauchen“, betont der Vorstandsvorsitzende. Aber auch die Lebensdauer verlängere sich und wirke deshalb ressourcenschonend. Haas: „Die Effizienz der Akkus hat sich verbessert. Man kann inzwischen bei den Laufzeiten von mindestens drei oder vier Jahren ausgehen. Bei nahezu allen Geräten ist ein Akku-Wechsel möglich.“

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Nach Erkenntnissen des Unternehmens werden Smartphones „deutlich länger“ genutzt als zuletzt – im Schnitt fast drei Jahre. „Das liegt auch an den Innovationszyklen, die allmählich an Dynamik verlieren“, sagt Haas. Er sieht aber auch noch Handlungsbedarf: „Bei der Recyclingquote sind wir noch nicht da, wo wir hinwollen. Wir nehmen jährlich zwischen 70.000 und 100.000 gebrauchte Handys zurück, um sie wiederzuverwerten.“ Der O2-Chef schätzt, dass Kunden noch viele weitere ausrangierte Geräte zu Hause in der Schublade horten, „die sie aus Sorge um den Datenschutz nicht zurückgeben wollen.“

Dienstreisen um 70 Prozent reduzieren

Zur Erreichung der Klimaneutralität wollen die O2-Mitarbeiter aber auch selbst beitragen. So sollen Geschäftsreisen nicht nur wegen der Corona-Pandemie um 70 Prozent reduziert werden. Und Vorstandschef Markus Haas ist in diesen Tagen auf ein Elektroauto umgestiegen.

>>> Klimapläne von Telekom und Vodafone

Die Deutsche Telekom will ihre Emissionen bis 2030 um 90 Prozent im Vergleich zu 2017 senken. Die Klimaneutralität soll das Bonner Unternehmen nach Angaben einer Sprecherin „spätestens im Jahr 2050“ erreichen. Das ist die Landmarke, die das Pariser Klimaabkommen vorsieht. Die Telekom hat sich zum Ziel gesetzt, weltweit den Strom aus erneuerbaren Quellen zu beziehen.

Auch der Düsseldorfer Rivale Vodafone Deutschland strebt an, bis spätestens 2050 null Emissionen zu erreichen. Nach Angaben eines Sprechers beträgt der Anteil von Grünstrom im Unternehmen aktuell 80 Prozent und soll in „naher Zukunft“ auf 100 Prozent ausgebaut werden. Seit 2010 nimmt Vodafone jedes Jahr über 500.000 Router zurück. 2019 wurden 180.000 Smartphones, Handys und Tablets wiederverwertet.