Essen. RWE im Umbruch: Mit dem Abschied von Rolf Martin Schmitz endet eine Ära. Sein Nachfolger Krebber will weiter umbauen. Investoren machen Druck.
Fast hätte der Eindruck entstehen können, als sei es eine der üblichen Hauptversammlungen für Rolf Martin Schmitz. Erst auf der sechzehnten von 18 Seiten seines Redemanuskripts geht Schmitz auf seinen bevorstehenden Abschied ein. Schmitz erzählt die Anekdote, dass er schon vor einigen Jahren gefragt worden sei, was er am Ende seiner Amtszeit gerne über sich lesen würde. „Er hat’s gut gemacht“, habe er da geantwortet. Über das Redemanuskript hinaus fügt Schmitz – an sein Publikum gerichtet – noch hinzu: „Sie müssen’s beurteilen.“
RWE-Aufsichtsratschef Werner Brandt jedenfalls lobt Schmitz überschwänglich. Er habe eine erfolgreiche Transformation des Unternehmens erreicht. RWE liefere den Beweis, dass die Energiewende gelingen könne, sagt Brandt. Mit dem Abschied von Schmitz gehe bei RWE „eine Ära zu Ende“. Markus Krebber, der designierte Vorstandschef, hält sich bei der Hauptversammlung noch zurück. Seine Rede beginnt nicht mit großer Programmatik, sondern mit Anmerkungen zu Regularien.
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So ist es Schmitz, der „ein Jahr der besonderen Umstände“, wie er 2020 bezeichnet, noch einmal Revue passieren lässt. Dabei nimmt die Corona-Krise eher eine untergeordnete Rolle ein, viel mehr spricht Schmitz über seine Branche, den Umbau von RWE, die Folgen des Kohleausstiegs oder Investitionen in Windkraft, Solaranlagen und Wasserstoffprojekte.
Die Investoren, mit denen sich künftig Krebber auseinandersetzen muss, machen Druck. RWE sei „immer noch ein Emissions-Schwergewicht in Europa“, sagt Vanessa Golz von der Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka Investment. „Deshalb ist eine Beschleunigung beim Braunkohleausstieg notwendig.“
Henrik Pontzen von der Fondsgesellschaft Union Investment spricht von einem Marathonlauf, wenn es darum gehe, RWE auf erneuerbare Energien auszurichten. Den künftigen Konzernchef Krebber fordert Pontzen auf, mehr Tempo bei der Neuausrichtung des Unternehmens zu machen: „Ein einfaches ,Weiter so‘ reicht nicht. Sie müssen schneller werden“, mahnt der Experte von Union Investment.
Spagat zwischen Kohle und Erneuerbaren
Krebber betont, schon jetzt seien die CO2-Ziele des Konzerns ambitioniert. Von 2012 bis Ende 2020 hat RWE die Emissionen um mehr als 60 Prozent reduziert. Bis zum Jahr 2030 sollen es mindestens 75 Prozent sein. Im Jahr 2040 – so peilt es der Vorstand an – will RWE klimaneutral sein, zehn Jahre schneller, als es die Europäische Union und Deutschland insgesamt anstreben.
Der scheidende RWE-Chef Schmitz mahnt „deutlich mehr Dynamik“ beim Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland an. Die Geschwindigkeit an dieser Stelle entscheide mit über den Zeitpunkt des Kohleausstiegs. „Die Konjunkturhilfen zum wirtschaftlichen Wiederaufbau im Zuge der Pandemie können zusätzlich wie ein Turbo wirken, um die klimafreundlichen Technologien noch schneller ausbauen zu können“, sagt Schmitz.
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Deka-Managerin Golz spricht von einem Spagat zwischen dem Ertragsrückgang aus dem Kohle- und Atomausstieg und den erneuerbaren Energien. „Es ist zu hoffen, dass dadurch die begonnene Kontinuität in der Dividendenpolitik fortgesetzt werden kann“, sagt sie. RWE hat bereits eine weitere Erhöhung der Gewinnausschüttung angekündigt. Nach 80 Cent beziehungsweise 85 Cent je Aktie in den Jahren 2019 und 2020 strebt der Vorstand nun 90 Cent an.
Neue Köpfe für Vorstand und Aufsichtsrat
Auch personell befindet sich der Konzern im Umbruch. Mit Zvezdana Seeger (Personal) und Michael Müller (Finanzen) sind zwei neue Vorstandsmitglieder bei RWE an Bord. Im Aufsichtsrat gibt es ebenfalls Wechsel: Der ehemalige österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel scheidet aus, ebenso wie die frühere Mülheimer Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld. Neu hinzu kommt unter anderem Hans Bünting, der ehemalige Chef der Innogy-Ökostromsparte.
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Der RWE-Aufsichtsrat hat beschlossen, den früheren Eon-Finanzchef Erhard Schipporeit und den ehemaligen BDI-Präsidenten Hans-Peter Keitel für eine weitere dreijährige Amtszeit vorzuschlagen, obwohl sie die von RWE vorgesehene Altersgrenze von 72 Jahren erreicht beziehungsweise überschritten haben. Zur Begründung verweist das Unternehmen auf „herausragende finanzwirtschaftliche Expertise beziehungsweise Verbindungen in die deutsche Wirtschaft“.
Investoren fordern Generationswechsel im Aufsichtsrat
Investoren sehen die Zusammensetzung des Aufsichtsrats kritisch. Deka-Managerin Golz mahnt einen Generationenwechsel an. „Um unserer Forderung nach einem diesbezüglich geeigneten Kandidaten Nachdruck zu verleihen, werden wir die Wiederwahl von Herrn Keitel nicht unterstützen“, sagt sie. Union Investment kritisiert, der frühere Eon-Manager Schipporeit sei „nicht unabhängig“.
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Der scheidende Vorstandschef Schmitz, der für RWE im Aufsichtsrat des Nachbarkonzerns Eon bleibt, bedankt sich zum Abschied höflich bei den Aktionären – ausdrücklich auch für „die vielen Hinweise, Ratschläge, Nachfragen und konstruktive Kritik“. All das sei hilfreich. „So kommt niemand auf die Idee, es sich bequem zu machen.“