Bottrop/Düsseldorf. Bei der Bottroper Kokerei von Arcelor-Mittal liege „etwas im Argen“, urteilt SPD-NRW-Fraktionsvize Hübner. Er sieht dringenden Handlungsbedarf.
Angesichts der Schadstoffbelastung in der Nähe der Bottroper Kokerei von Arcelor-Mittal rät die Stadtverwaltung Anwohnern derzeit von einem Verzehr bestimmter Gemüsearten aus dem eigenen Garten ab. Mithilfe eines Gutachters und zusätzlicher Kontrollen soll nach Darstellung der NRW-Landesregierung der Schadstoffausstoß verringert werden. Das geht aus den Antworten des NRW-Umweltministeriums auf eine Anfrage von SPD-Fraktionsvize Michael Hübner hervor. In unserem Interview spricht Hübner darüber, wie er das Agieren von Arcelor-Mittal sowie der Landes- und Bezirksregierung bewertet.
Herr Hübner, wenn die Kokerei Bottrop von Arcelor-Mittal nun der NRW-Landesregierung zufolge „dem aktuellen Stand der Technik“ entspricht: Wie kann es sein, dass die Anwohner der Kokerei Blattgemüse aus dem eigenen Garten nicht grundsätzlich bedenkenlos verzehren können?
Hübner: Das ist die entscheidende Frage. Während man vor einem Monat noch versuchte, das knappe Erreichen der Emissionszielwerte der Kokerei für das krebserregende Benzo(a)pyren (BaP) als Erfolg zu verkaufen, ist spätestens die Antwort der Landesregierung auf meine Kleine Anfrage das Eingeständnis, dass bei den Emissionen der Kokerei in Bottrop etwas im Argen liegt und die bisher ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichen. Zeitgleich kommt aber weder von der Landesregierung noch der Kokerei eine konkrete Antwort darauf, wie man die Belastung der Anwohner in Zukunft soweit verringern möchte, dass sie Gemüse aus ihrem Garten wieder bedenkenlos verzehren können. Klar ist: Ich gebe mich nicht mit dem Status Quo zufrieden. Die Landesregierung und die Kokerei sollten das auch nicht.
Haben Sie eine Erklärung dafür, dass die Schadstoff-Messwerte im Umfeld der Duisburger Kokereien von Thyssenkrupp und HKM deutlich niedriger sind als in Bottrop?
Hübner: Ich kann dafür keine Erklärung liefern – das ist Aufgabe der Kokerei sowie der Aufsichtsbehörden. Ich kann mir eigentlich nur drei Erklärungen vorstellen: Entweder unterscheidet sich die verwendete Kohle, es unterscheiden sich andere Produktionsparameter oder aber die verwendete Technik. Der Vergleich zu den Kokereien in Duisburg aus meiner Kleinen Anfrage macht aber deutlich: Man kann eine Kokerei mit deutlich geringeren Emissionen betreiben. Das sollte für die Bottroper Kokerei erst recht Ziel sein, denn – das schreibt das Ministerium ja ebenfalls in seiner Antwort – es befindet sich in der direkten Nachbarschaft der Duisburger Kokereien keine Wohnbebauung mit Gärten. Gerade weil die Bottroper Kokerei umgeben von Wohngebieten ist, sollte man sich nicht damit zufriedengeben, dass der Zielwert für BaP im vergangenen Jahr knapp erreicht wurde.
Wie bewerten Sie die Situation im Umfeld der Bottroper Kokerei insgesamt?
Hübner: Das Ruhrgebiet ist die am dichtesten besiedelte, aber auch die sauberste und grünste Industrieregion Europas. Die Lage der Kokerei ist wirtschaftlich schwierig und genauso schwer ist der Kampf um ihr Image. Da kommt es zu Konflikten. Aber wir müssen heute mehr denn je um Akzeptanz für unseren Industriestandort kämpfen – da kann man sich mit der jetzigen Situation der Kokerei nicht zufriedengeben.
Was erhoffen Sie sich vom Gutachter, der seit März 2021 für ein halbes Jahr zusätzlich Kontrollen bei Arcelor-Mittal durchführen soll?
Hübner: Die Einsetzung des Gutachters ist erst einmal das Eingeständnis, dass die Aufsichtsbehörden nicht weiterwissen. Wie schnell die Landesregierung auf meine Kleine Anfrage geantwortet hat, zeigt, dass das Thema im Ministerium scheinbar hoch auf der Agenda ist. Solange daraus auch konkrete Verbesserungen entstehen, ist das gut. Denn im besten Fall erkennt der Gutachter Ursachen für die Belastungen der Anwohner und findet Maßnahmen, diese zu verringern. Im schlimmsten Fall ist er aber nur eine Hinhaltetaktik. Klar ist: Es gibt nach wie vor dringenden Handlungsbedarf. Dass die Anwohner der Kokerei nicht guten Gewissens Gemüse aus dem eigenen Garten essen können, ist inakzeptabel.