Essen. Real-Plakat fordert Mitarbeiter auf, Fehlverhalten von Kollegen anonym zu melden. Verdi kritisiert „Denunziations-Kampagne“, Real rudert zurück.
Die vor der Zerschlagung stehende Supermarktkette Real sieht sich scharfen Vorwürfen der Gewerkschaft Verdi ausgesetzt: Das Management rufe Mitarbeiter in den Filialen dazu auf, Kollegen zu denunzieren. Entsprechende Plakataushänge habe man „mit Entsetzen zur Kenntnis genommen“, schreibt Orhan Akman, Leiter der Verdi-Fachgruppe Einzelhandel, am Freitag in einem offenen Brief an die Real-Geschäftsführung, der unserer Redaktion vorliegt. Er fordert: „Beenden Sie umgehend Ihre Denunziations-Kampagne.“ Das Unternehmen reagierte noch am Abend.
Die laut Verdi in den Real-Märkten ausgehangenen Plakate stellen den Mitarbeitern in der Überschrift die Frage: „Faules Früchtchen entdeckt?“ Es folgt das Versprechen von Anonymität und die Aufforderung: „Helfen Sie Fehlverhalten und Verstöße bei Real aufzudecken!“ Der Ombudsmann oder der Vorgesetzte würden „Ihre Meldung vertraulich und anonym entgegen“ nehmen. Um Mitarbeiter zu ermutigen, Kolleginnen oder Kollegen ohne Angst vor Repressalien zu melden, verspricht Real: „Wir unterstützen Hinweisgeber“. Gemeint ist neben dem Schutz der Identität dabei ausdrücklich, dass ihnen auch bei „unbegründeten Meldungen“ keine Nachteile oder Sanktionen drohen.
Verdi: Mitarbeiter sollen nicht Detektiv spielen
„Als wären die Belastungen und die Gefahren dieser Corona-Pandemie sowie die Unsicherheit ihrer Zukunft im Unternehmen nicht genug für die Beschäftigten“, wettert Gewerkschafter Akman, nun sollten sie sich auch noch gegenseitig überwachen. Ihr Job sei es, zu verkaufen, zu beraten und zu kassieren – und nicht, Aufgaben und Verantwortung der Polizei zu übernehmen oder Detektiv zu spielen.“ Der Kampf gegen Korruption und andere Wirtschaftsverbrechen dürfe nicht dazu führen, dass die Beschäftigten einer steten und heimlichen Überwachung ausgesetzt würden. Damit umgehe Real Datenschutz und Mitbestimmung. Wenn bloße Verdächtigungen und Gerüchte meldepflichtig würden, entstehe „ein Klima der Angst“, so Akman.
Real erklärte auf Anfrage unserer Redaktion, man habe nach dem Eigentümerwechsel ein eigenes Compliance-Team aufgebaut und einen Rechtsanwalt als Ombudsmann beauftragt, damit die Beschäftigten auch weiterhin die Möglichkeit hätten, „anonym Verstöße gegen die unternehmensinternen Compliance-Richtlinien zu melden“. Vor diesem Hintergrund sollten noch einmal alle Beschäftigten mit den Plakataushängen für dieses Thema „sensibilisiert werden“. Weil das Plakat aber „leider missverständlich und keinesfalls wie beabsichtigt wahrgenommen“ worden sei, habe sich das Unternehmen „dazu entschieden, das Plakat nicht weiter zum Einsatz kommen zu lassen“.
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Von den rund 34.000 Beschäftigten in den Real-Märkten wissen viele nach wie vor nicht, wie es mit ihrer Filiale und ihren Arbeitsplätzen weiter geht. Der neue Eigentümer SCP will nur rund 50 Märkte unter der Marke Real erhalten und den Rest der Kette mit rund 256 Filialen zerschlagen. Bereits vom Kartellamt abgesegnet ist die Übernahme von 92 Filialen durch Kaufland, das die ersten Standorte bereits umgeflaggt hat. Konkurrent Globus darf 24 Märkte übernehmen. Deutschlands größte Supermarktkette Edeka erhält zunächst nur für 44 Filialen grünes Licht aus der Bonner Wettbewerbsbehörde. Gegen die Übernahme weiterer 28 Real-Filialen hat das Kartellamt unlängst Bedenken angemeldet. Das aktuelle Management fährt einen harten Sparkurs.