Neubiberg/Warstein. Deutschlands größter Halbleiterhersteller, die Infineon AG, senkt die Dividende trotz hoher Nachfrage nach Mikrochips.

Mikrochips bestimmen unseren Alltag immer stärker. Nicht nur in Smartphones oder modernen Autos, selbst im Haushalt, in Kühlschränken oder Waschmaschinen. Im Moment sind sie aufgrund enormer Nachfrage ein rares Gut. Auch gut für Deutschlands größten Halbleiterhersteller Infineon mit Hauptsitz in Neubiberg bei München und einem großen und wichtigen Werk in Warstein im Sauerland.

Die erste Frau im Vorstand

Das Unternehmen wächst trotz Corona-Pandemie, kürzt seinen Anteilseignern die Dividende und erweitert gleichzeitig den Vorstand – erstmals mit einer Frau. Constanze Hufenbecher wird „Chief Digital Transformation Officer“. Übersetzt: Zuständig dafür, den immer komplexeren und vernetzteren Konzernstrukturen eine gemeinsame digitale Basis zu verpassen. Die 50-Jährige wechselt Mitte April vom Posten der Finanzchefin bei Lufthansa Technik in Hamburg nach Neubiberg und war von 2004 bis 2009 bereits einmal bei Infineon.

„Es war ein extremes Geschäftsjahr 2020“, bilanziert Aufsichtsratschef Wolfgang Eder zum Auftakt der virtuellen Hauptversammlung am Donnerstag. Eder war bis vor zwei Jahren als Chef des Voestalpine-Konzerns selbst noch operativ tätig. Auch Infineon sei auf die Corona-Krise und die wirtschaftlichen Folgen nicht vorbereitet gewesen. Natürlich nicht. Just zu dem Zeitpunkt als der Technologiekonzern die neun Milliarden Euro teure Integration des US-amerikanischen Konkurrenten Cypress Semiconductor vollzog, schlugen die wirtschaftlichen Folgen hart durch. „Es dürfte nicht viele Unternehmen geben, die mitten in der Pandemie die größte Investition in ihrer Firmengeschichte vollziehen“, bemerkt der Infineon Vorstandsvorsitzende Reinhard Ploss.

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Bereits 2019 wurde die Übernahme angekündigt. Seit April vergangenen Jahres gehört das Unternehmen aus dem Silicon Valley fest unter das Dach der Deutschen, die damit in die Top-Ten der Halbleiterhersteller aufstiegen. Mit dem 2019 parallel zum Kauf von Cypress begonnenen Bau des neuen „Waferwerks“ in Villach am Wörthersee eine immense finanzielle Belastung, die sich aber in Zukunft auszahlen soll. Aktuell scheint vor allem deswegen die Dividende niedriger als zuletzt auszufallen. 0,22 Eurocent pro Aktie (Vorjahr 0,27) entspricht dem Niveau von 2016. Die Aktionäre stimmten erwartungsgemäß zu und können im kommenden Jahr wieder mit mehr rechnen, wenn die Geschäfte weiter so gut laufen wie in den vergangenen Wochen. Das Unternehmen habe im ersten Quartal, also bis Ende 2020, an Umsatz und Ergebnis deutlich zugelegt. Auch die Auftragseingänge zögen weiter an. Die Jahresumsatzprognose wurde daher auf 10,8 Milliarden Euro angehoben. „Der Halbleiterbedarf wird in den kommenden Jahren weiter steigen“, versichert der Infineon-Chef.

Positver Ausblick für 2021

Das Geschäftsjahr 2020 endete bei Infineon mit Ablauf des Septembers. Knapp 8,6 Milliarden Euro Umsatz standen zu Buche. Rund 850 Millionen davon stammten bereits von Cypress.

Für das laufende Geschäftsjahr 2020/2021 prognostiziert Finanzchef Sven Schneider 10,8 Milliarden Euro Umsatz, abhängig von Kursschwankungen.

Gut 3,5 Milliarden Euro wurden 2020 im Bereich Automotive erzielt. Etwas weniger als im Vorjahr. Positiv entwickelte sich Industrial Power (u.a. Züge, PV und Windkraft) mit 1,4 Mrd. Euro. Ebenfalls „Power + Sensor Systems (Technik für Rechenzentren, 5G etc.) mit 2,65 Mrd. Euro sowie Sicherheitssysteme (u.a. EC-Karten) mit 953 Mio. Euro.

Infineon beschäftigt mittlerweile weltweit rund 47.000 Mitarbeiter gut 2000 in Warstein.

Das Werk in Villach wird im laufenden Geschäftsjahr dazu noch nicht viel beisteuern. Aktuell sei man laut Ploss in Österreich so weit, dass in der kommenden Woche die Reinräume eingerichtet werden. Bereits im Frühherbst, rund drei Monate eher als geplant, werde die Produktion der 300-Millimeter-Wafer gestartet – Siliciumplatten, die schließlich auch am Standort Warstein im Sauerland zu Hochleistungshalbleitern weiter verarbeitet werden sollen, in denen sich die aktuell so begehrten Chips befinden.

Warstein profitiert von E-Mobilität

Rund 2000 Experten sind bei Infineon in Warstein beschäftigt. Im Sauerland werden Produkte für die Energiebranche – für effiziente Stromtransporte, Windkraft- und Photovoltaikanlagen – entwickelt. Auch die Nachfrage aus der Industrie ist im Zuge der Digitalisierung hoch. Der nach wie vor wichtigste Kunde ist die Automobilindustrie. Auch der Licht- und Elektronikspezialist Hella aus dem nahen Lippstadt gehört zu den Kunden.

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Die Elektromobilität ist ein Treiber, jedenfalls langfristig. Da die Produktion von Mikrochips nicht beliebig hoch und runtergefahren werden kann, sondern mit mehreren Monaten einen relativ langen Vorlauf hat, ist es in den vergangenen Wochen zu deutlichen Engpässen bei den Autobauern und ihren Zulieferern gekommen. Der Stillstand der Bänder im vergangenen Frühjahr wirkt hier immer noch nach. Frühestens im Sommer wird eine Entspannung auf dem Markt für Mikrochips erwartet.