Essen/Berlin. Selbst Koalitionspartner SPD lehnt die von der Union geplante Abschaffung günstiger Kabel-Sammelverträge ab. 12 Millionen Mieter können hoffen.
Mehr als zwölf Millionen Mieter in Deutschland können hoffen, dass sie über ihre Vermieter auch weiterhin günstiger Kabelfernsehen schauen können. Gegen die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), Sammelverträge zu verbieten, formiert sich breiter Widerstand. In der ersten Debatte des Deutschen Bundestags über die Novelle des Telekommunikationsgesetzes setzte sich auch Altmaiers Koalitionspartner SPD von der geplanten Abschaffung der Umlagefähigkeit ab.
Das sogenannte „Nebenkostenprivileg” sorgt seit Monaten für Streit. Wohnungswirtschaft, Mietervereine, eine Reihe von Telekommunikationsunternehmen, der CDU-Wirtschaftsrat und etliche Landesbauminister plädieren vehement für dessen Erhalt. Wirtschaftsminister Altmaier indes will es abschaffen, weil er die Kabeltechnologie für veraltet hält und Mieter von der Pflicht befreien will, den Anbieter zu bezahlen, mit dem die Vermieter ein Rahmenabkommen abgeschlossen haben.
SPD: Altmaiers Plan „sozial fragwürdig“
„Sozial fragwürdig”, nannte der SPD-Abgeordnete Bernhard Daldrup aus Sendenhorst die Pläne Altmaiers. „Bei Einzelverträgen kommen auf die Mieter Mehrkosten von 100 bis 200 Euro pro Jahr zu”, gab er zu bedenken. Zudem sei die die Wohnungswirtschaft „unverzichtbarer Partner” beim Ausbau des Glasfasernetzes, das das Kupferkabel sukzessive ersetzen soll. Durch die Umlage in ihrer bisherigen Form hätten sie nach der Überzeugung Daltrups eine Investitionssicherheit. „Die Streichung der Umlage halten wir für falsch.”
Die FDP-Fraktion brachte am Freitag einen eigenen Antrag in den Bundestag ein, der den Erhalt des „Nebenkostenprivilegs” an eine Verpflichtung des Vermieters knüpft, seine Häuser an das Glasfasernetz anzuschließen. „Es bringt doch nichts, dass im Keller ein Glasfaser-Anschluss liegt, in die Wohnungen der Mieter aber nur ein Klingeldraht führt. Wir brauchen eine bessere digitale Infrastruktur in Deutschland“, sagte der Kölner FDP-Abgeordnete Reinhard Douben unserer Redaktion.
FDP: „Bonbon für Post und Telekom“
In der Bundestagsdebatte bezeichnete der Liberale Altmaiers Vorstoß als „Bonbon für Deutsche Post und Deutsche Telekom, die massiv Lobbying geleistet haben”. Douben warnte davor, durch die Abschaffung günstiger Sammelverträge diese „Staatsmonopolisten” zu unterstützen. Die Telekom war vor Jahren aus dem Geschäft mit Kabelfernsehen weitgehend ausgestiegen. Nach der Übernahme von Unitymedia ist der Düsseldorfer Kommunikationskonzern Vodafone zum mit Abstand größten Kabelanbieter aufgestiegen.
Auf dem Markt tummeln sich aber auch eine Reihe kleinerer Unternehmen wie Gelsennet in Gelsenkirchen oder Dokom 21 in Dortmund, die weite Teile des Ruhrgebiets abdecken. Sie alle haben sich für den Erhalt der Sammelverträge ausgesprochen.
Vodafone: Günstige TV-Preise in Deutschland
Stephan Korehnke, Bereichsleiter Regulierung bei Vodafone Deutschland, weist Altmaiers Vorwurf zurück, die fehlende Wahlfreiheit für Mieter treibe die Kosten in die Höhe. „Die TV-Preise in Deutschland zählen zu den günstigsten in Europa – auch weil das Prinzip der Umlagefähigkeit funktioniert. Eine Gesetzesänderung würde für mehr als zwölf Millionen Haushalte zu Mehrkosten von bis zu 200 Euro im Jahr führen, vor allem sozial Schwache zusätzlich belasten und den Gigabit-Ausbau bremsen”, sagte Korehnke.
Bezieher von Hartz IV und anderer Transferleistungen hat auch der FDP-Politiker Douben im Sinn, wenn er und seine Fraktion fordern, an der Umlagefähigkeit der Kabelkosten festzuhalten. „Es gibt auch sozialpolitische Vorteile. Wenn der Kabelanschluss Teil der Nebenkosten bleibt, kann der Staat auch weiterhin die Gebühren übernehmen“, sagte der Abgeordnete unserer Redaktion.
Bei einer Anhörung am 1. März werden alle Beteiligten Gelegenheit haben, sich zur Novelle des Telekommunikationsgesetzes zu äußern. Bei der ersten Lesung am Freitag erhielt Minister Altmaier jedenfalls allein aus seiner eigenen Fraktion Unterstützung für die Abschaffung des „Nebenkostenprivilegs“.
>>> Mieterbund und Wohnungswirtschaft für Wahlfreiheit
In einer gemeinsamen Erklärung sprechen sich Mieterbund NRW und der Verband der Wohnungswirtschaft Rheinland Westfalen für den Erhalt der Umlagefähigkeit der Kabelgebühren auf die Betriebskosten aus.
Sie schlagen aber vor, eine Wahlfreiheit für Mieter zu schaffen, die es bislang nicht gab. Sie waren dauerhaft an einen Kabelnetz-Anbieter gebunden. Mieterbund und Wohnungswirtschaft plädieren deshalb dafür, dass Kunden nach Ablauf einer gewissen Mindestlaufzeit aus dem Sammelvertrag aussteigen und kostenfrei zu einem anderen Unternehmen wechseln können.