Essen. Aldi Nord übernimmt in Frankreich 547 „Leader Price“-Filialen und attackiert Lidl. Der 717-Millionen-Deal ist der größte der Firmengeschichte.
Aldi Nord hat noch einiges aufzuholen zur Mülheimer Schwester Aldi Süd und dem gemeinsamen Hauptkonkurrenten Lidl. Nun setzt der Discountriese das bisher größte Ausrufezeichen hinter seine zuletzt ungewohnt offen verkündete Angriffsstrategie: Für 717 Millionen Euro übernimmt Aldi in Frankreich 547 Filialen und drei Zentrallager der Casino Group. Das gab der französische Konzern am Montagabend bekannt, Aldi Nord bestätigte den Vollzug des Deals. Es ist der größte Zukauf in der Geschichte des Essener Lebensmittelhändlers.
Für Aldi Nord ist Frankreich perspektivisch der größte Auslandsmarkt mit der besten Wachstumsperspektive. Mit der Rekord-Akquisition wächst das dortige Aldi-Netz von bisher 862 Filialen sprunghaft mehr als 1400. Seinen Marktanteil im französischen Lebensmittel-Einzelhandel erhöht Aldi damit von 2,5 auf 4,5 Prozent. Und dabei soll es nicht bleiben, Aldi-Nord-Chef Torsten Hufnagel will weiter attackieren.
Aldi Nord attackiert in Frankreich Lidl
Die deutschen Discounter mischen den von klassischen Supermärkten dominierten Markt in Frankreich seit Jahren auf, nach wie vor hat aber Lidl mit rund zehn Prozent Marktanteil die Nase deutlich vorn. Die Übernahme der bisher unter der Marke „Leader Price“ geführten Casino-Filialen ist nun eine Kampfansage der Essener an die Schwarz-Tochter aus Neckarsulm. Mehr noch die damit verbundene Ansage, Aldi Frankreich wolle „Marktführer auf dem französischen Discount-Markt“ werden. Der besteht praktisch nur aus den beiden deutschen Kontrahenten.
Gleich nach Weihnachten will Aldi mit der Umflaggung der Märkte beginnen, bis Ende des kommenden Jahres soll die Integration der Kette samt Logistik und IT abgeschlossen sein. 545 Filialen laufen bisher unter Leader Price, zwei als „Casino Supermarchés“. Das Personal der übernommenen Märkte soll übernommen werden – damit kommen zu den bisher rund 10.000 Aldi-Mitarbeitern in Frankreich rund 6000 hinzu.
Wachstumspotenzial vor allem im Ausland
Für eine flächendeckende Nahversorgung reicht das freilich noch nicht. „Es ist unser Anspruch, alle Menschen immer und überall mit dem zu versorgen, was sie zum täglichen Leben brauchen“, sagte Philip Demeulemeester, Aldis Frankreich-Chef. Mittelfristiges Ziel sei es, das Filialnetz so weit auszubauen, dass jeder Franzose „innerhalb einer Viertelstunde Wegzeit überall im Land einen Aldi Markt erreichen“ könne.
Im Heimatmarkt kämpfen die deutschen Discountriesen Aldi und Lidl verbissen um jedes Zehntelprozent Marktanteil. Weil dieser Wettbewerb vor allem mit Kampfpreisen ausgetragen wird und auch die klassischen Supermärkte mit günstigen Eigenmarken dagegen halten, geht das auf Kosten der Rentabilität. Gute Gewinnspannen und Wachstumschancen sehen Aldi und Lidl für ihr in vielen Ländern weniger verbreitetes Geschäftsmodell daher vor allem im Ausland.
Expansionswettlauf der deutschen Discounter
Aldi Süd mit Sitz in Mülheim
ist stark in den USA, Großbritannien und Österreich, Aldi Nord in Belgien, den Niederlanden, Dänemark und Frankreich, dem größten Auslandsmarkt von Lidl, das sich in Großbritannien einen Expansions-Wettlauf mit Aldi Süd liefert.
In Deutschland können Aldi Nord und Süd die Schwarz-Tochter Lidl gemeinsam noch auf Distanz halten, bei den Einzelumsätzen liegt Lidl klar vor Aldi Süd und Aldi Nord.
Doch laut der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) konnten die Essener
zuletzt aufholen, wuchsen stärker als alle Discounter im Durchschnitt.
Aldi-Nord-Chef Hufnagel setzt aber vor allem im Ausland auf
eine weitere Expansion
. Die soll nicht allein durch die Eröffnung immer neuer Läden erfolgen, sondern wie durch den Casino-Deal in Frankreich auch durch Übernahmen von Konkurrenten. Aldi Nord setze „selbstverständlich auf organisches Wachstum“, betonte Unternehmenssprecher Florian Scholbeck, man prüfe aber auch „systematisch, welche Potenziale sich etwa aus Zukäufen ergeben können.“ Für die Casino-Kette Leader Price hatte Aldi Nord im März ein Angebot abgegeben. Dem Deal müssen noch die Wettbewerbsbehörden zustimmen.
Neuer Campus in Essen-Kray
Aldi Nord beschäftigt in Deutschland 38.000 Mitarbeiter, betreibt mehr als 2300 Filialen. Weltweit arbeiten 77.000 Menschen in neuen Ländern für die Essener Gruppe. In Europa ist Aldi Nord außer in seinem Heimatmarkt auch in Belgien, Dänemark, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, Polen, Portugal und Spanien vertreten. Die Märkte in Südeuropa gelten als schwierig, die in den Beneluxstaaten als einigermaßen gesättigt. Daher legt Aldi Nord den Fokus verstärkt auf Frankreich.
In Deutschland setzt Aldi Nord auf eine Modernisierung seiner Märkte – und seines Auftretens. Die Essener galten jahrzehntelang als die trägere der beiden Schwestergesellschaften. Bei der Entstaubung helfen soll auch die neue Zentrale, die gerade in Essen-Kray entsteht. der Campus für 1200 Mitarbeiter will entgegen der bisherigen Tradition auffallen – und gute Kräfte in den Essener Norden locken.