Neuss. Creditreform erwartet einen Anstieg der privaten Überschuldung nach der Corona-Pandemie. Schon jetzt wachse die Altersarmut.
Wegen der Konsumzurückhaltung in der Corona-Krise geht die Überschuldung der privaten Haushalte in Deutschland zurück. Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform warnt aber vor einer frühzeitigen Entwarnung und spricht von einer „Ruhe vor dem Sturm“ für die Zeit nach der Pandemie. Schon jetzt werde deutlich, dass die Altersarmut wachse.
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Auf den ersten Blick wirken die Werte hoffnungsfroh: Die Zahl der überschuldeten Privatpersonen ist in diesem Jahr bundesweit um 69.000 auf 6,85 Millionen geschrumpft. Die Überschuldungsquote ging leicht um 9,87 Prozent zurück. Das heißt: Im Verhältnis zu allen Erwachsenen kann knapp jeder zehnte Bürger seine Verbindlichkeiten nicht mehr abdecken.
„Kein Zeichen der Entspannung“
Doch Patrik-Ludwig Hantzsch warnt: „Der vermeintlich positive Befund ist kein Zeichen der Entspannung.“ Der Leiter der Wirtschaftsforschung bei der Creditreform in Neuss erwartet, dass die Corona-Pandemie und die milliardenschweren Hilfsprogramme der Bundesregierung für Wirtschaft, Gesellschaft und Verbraucher gravierendere Folgen haben könnten als die Weltfinanzkrise 2008/2009.
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„Durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Krise haben die Verbraucher in Deutschland weniger Geld zur Verfügung“, urteilt Creditreform-Geschäftsführer Stephan Villa. Die staatlichen Hilfsprogramme hätten „die schlimmsten sozialen Auswirkungen abgemildert“, meint der Experte. Ein Engpass der Liquidität in den privaten Haushalten sei aber auch ausgeblieben, weil sich die Menschen beim Konsum zurückhielten, mehr sparten und Vorsicht bei Ausgaben obwalten ließen. Den Rückgang der Überschuldung beobachtete Creditreform in allen Bundesländern außer dem Saarland.
Lockdown im November verschärft die Lage
Villa bezeichnet die Lage dennoch als „besorgniserregend“, weil zwischenzeitlich 700.000 Arbeitnehmer ihre Stellen verloren und bis zu 7,3 Millionen Menschen in Kurzarbeit weniger Einkommen zur Verfügung hätten. Der Creditreform-Geschäftsführer verweist auf Schätzungen, denen zufolge aktuell zwei Millionen Freiberufler und Soloselbstständige um ihre Existenz bangten und am Rande der Überschuldung stünden. Der Teil-Lockdown im November verschärfe die Lage abermals.
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Auch wenn die Überschuldung im laufenden Jahr insgesamt zurückging, wächst die Altersarmut. Creditreform-Geschäftsführer Michael Goy-Yun spricht von einer „bedenklichen“ Entwicklung. Denn die Zahl überschuldeter Verbraucher über 50 Jahre habe um 246.000 deutlich zugenommen. Gleichwohl ging die Zahl der überschuldeten Personen in den jüngeren Jahrgängen deutlich um 315.000 zurück.
Perspektiven der Überschuldung „besorgniserregend“
Die Manager der Wirtschaftsauskunftei blicken pessimistisch in die nähere Zukunft. „Die langfristigen Perspektiven für die Überschuldungsentwicklung sind besorgniserregend, da die Corona-Pandemie auch eine weitere Polarisierung von Einkommen und Vermögen bewirkt“, prophezeit Patrik-Ludwig Hantzsch.
Die „Gutverdiener“ könnten durch sparsame Lebensführung und Konsumverzicht Einkommensausfälle kompensieren. „Die unteren sozialen Schichten haben keine oder nur sehr geringe finanzielle Reserven und eine ,negative Sparquote‘. Sie ver- und überschulden sich“, erklärt Creditreform-Geschäftsführer Villa. Finanzielle Überlastungen deuteten sich an. Die Auskunftei erwarte überdies einen „Nachholbedarf bei den Verbraucherinsolvenzverfahren“ in der Zeit nach Abebben der Pandemie.