Nachrodt-Wiblingwerde. Aktuell dürften etwa 10.000 Landwirte in NRW die Nachfolge nicht geregelt haben. Jetzt startet eine Initiative, um ein Höfesterben zu verhindern.
Die Übergabe ist in trockenen Tüchern. Schon eine Weile. Deshalb darf man in Eilerde, Veserde, in Wiblingwerde und schließlich im ganzen Land nun darüber reden. Sieben Verbände beziehungsweise Organisationen der Landwirtschaft in NRW haben die Initiative „Außerfamiliäre Hofnachfolge“ zur Rettung der Bauernhöfe gestartet.
Der Rinderzüchter Günter Buttighoffer hat sein Lebenswerk, seinen Hof am Eilerder Feld auf den Höhen im Märkischen Kreis, abgegeben. 40 Jahre hat er hier mit seiner Frau geackert oder vielmehr gezüchtet. Übernommen hat er den Hof von seinem Vater, der ihn 1962 als Grünland-Versuchshof mit 35 Milchkühen aufbaute. Damals ein Experiment. Ein hoch spezialisierter Hof.
Noch gut 30.000 Höfe in NRW
Das Experiment ist gelungen, drohte aber zu enden. Bauer Buttighoffer hatte zuletzt zwar 200 Rinder und eine Menge Jungvieh, aber keinen geborenen Nachfolger für die Fortsetzung der Zucht. Also suchte er sich einen. „Ich hab spontan in einem Wochenblatt eine Anzeige aufgegeben“, sagt der 64-Jährige. 2016 war das. „Mit 60 an die Nachfolge zu denken war zeitlich schon etwas knapp“, denkt er heute.
Gut, dass man sich in der Landwirtschaft in Südwestfalen offenbar viel besser kennt, als es der Laie vermuten würde.
Ein Glück. Für zwei junge Leute, die den Hof vom Vorsitzenden des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Märkischer Kreis inzwischen übernommen haben: Sarah Krämer (29) und Dominick Hannuschke (27). Beide nicht auf einem Hof aufgewachsen, aber mit außerordentlicher Motivation ausgestattet.
Es ist auch ein Glück für das Dorf. Und für die Landwirtschaft, der der Nachwuchs kontinuierlich auszugehen droht. „Ein Drittel der Höfe in NRW hat keine Nachfolger und würde in der nächsten Zeit zumachen, wenn keiner gefunden wird“, sagt Regina Selhorst, Präsidentin des Westfälisch-Lippischen Landfrauenverbandes. Dazu zählt sie alle Hofbesitzer ab 50 Jahre mit unklarer Nachfolgeregelung.
Ein Drittel. Das muss man sich einmal vorstellen. Das dürften gut 10.000 Höfe im Bundesland sein. Laut Landwirtschaftskammer geht die Zahl der Bauernhöfe seit 1949, als man anfing die Statistik zu erheben, jährlich zwischen zwei und vier Prozent zurück. Die letzte Erhebung stammt vom Mai 2016. 33.688 Höfe wurden da noch gezählt. Es werden immer weniger.
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Dagegen will man in NRW etwas tun. In dieser Woche gab es den Startschuss für die Initiative „Außerfamiliäre Hofnachfolge“ auf dem ehemaligen Hof Buttighoffer, wo ein Schild auf die „DOSA KG“ hinweist. Mit dem früheren Besitzer, den beiden Neuen als Gastgeber und vielen, die in den Bauern- und Landwirtschaftsverbänden Rang und Namen haben.
7 Verbände beteiligt
Außerfamiliäre Hofnachfolge ist eine Initiative der beiden Landwirtschaftsverbände in NRW, der beiden Landfrauenverbände und der Landwirtschaftskammer in NRW sowie der LAG Landjugend Nordrhein und des Rings der Landjugend in Westfalen-Lippe.
Unter www.hofnachfolge-nrw.de gibt es Informationen zur neuen Initiative.
Wichtiges Thema. Ein gänzlich neues dazu. Und nicht ganz simpel.
Schon die Übergabe eines Hofes innerhalb der Familie ist komplex. „Einen über Generationen gewachsenen Bauernhof aufzugeben, weil kein Nachfolger da ist, ist eine schreckliche Sache für die Eigner“, sagt der Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes, Hubertus Beringmeier.
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Um Höfe nicht sterben zu lassen und Nachwuchs, der immer selteneren aus Bauernfamilien kommt, eine Zukunft als Landwirt zu ermöglichen, gibt es nun eine Vertrauensstelle, die „Hofabgeber“ und „Hofsucher“ zusammenbringen soll (siehe Infobox). Natürlich diskret. Der Grund: „Denkt man in einem Dorf über Hofabgabe nach, sind am nächsten Tag alle Flächen schon verteilt“, sagt Jutta Kuhles, Präsidentin des Rheinischen Landfrauenverbandes.
Lebenstraum erfüllt
Über die Berater der Vertrauensstelle, die bei der Landwirtschaftskammer NRW angesiedelt ist, werden die Wünsche beider Parteien abgeklopft, ausgewertet und passende Pärchen zueinander gebracht. Hofsucher können Mitglied im „Nachfolgeclub“ werden, der regelmäßig Infoveranstaltungen zur Hofnachfolge anbieten will. Eine gute Sache.
„Es gibt Tage, da fragst du dich, was haben wir uns da angetan“, sagt Sarah Krämer. Am Ende des Tages überwiege allerdings das Gefühl, den Lebenstraum erreicht, „die Chance genutzt zu haben, die nicht alle Tage kommt“, sagt ihr Partner Dirk Hannuschke, der sich nach dem Trubel mit Reportern, TV-Kameras und Fotografen sichtlich nach Ruhe sehnt. Genug geredet.