Köln. Die Möbelhersteller profitieren in der Corona-Krise von dem Trend, mehr Geld in die eigene Wohnung zu investieren. Längere Lieferzeiten erwartet.
Im Juli haben die Verbraucher so viele Sofas und Sessel bestellt wie schon lange nicht mehr in einem Juli. 70.000 Sitzeneinheiten seien für den Sommermonat ungewöhnlich, meint Jan Kurth, Geschäftsführer des Verbands der Deutschen Möbelindustrie (VDM). In der Corona-Krise ist eben alles anders. Weil die Menschen wieder mehr Geld in ihre Wohnungen stecken, will Kurth längere Lieferzeiten für Möbel nicht ausschließen.
„Dafür werden die Kunden Verständnis haben. Man muss es nur richtig kommunizieren“, appelliert der VDM-Geschäftsführer an die Möbelhändler. In der Branche ist einiges durcheinander. „Juli und August sind keine typischen Möbelmonate. Da fahren die Leute in den Urlaub“, meint Kurth. Wegen der anhaltenden Corona-Pandemie beobachten Händler und Hersteller in diesem Jahr allerdings, dass die Verbraucher ihre Budgets umschichten, auf den Urlaub verzichten und lieber in Wohnung und Einrichtung investieren. „Die Senkung der Mehrwertsteuer kommt als zusätzliches psychologisches Moment noch dazu“, sagt Kurth.
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Mit der Folge, dass die aktuell 469 Betriebe mit mehr als 50 Beschäftigten, die hierzulande Möbel herstellen, ins Schleudern kommen. „Viele machen im Juli Betriebsferien“, erklärt der Verbandsgeschäftsführer. Ausgerechnet dann gingen so ungewöhnlich viele Bestellungen ein. Der Auftragseingang wuchs im zweistelligen Prozentbereich. Kurzarbeit ist in der Branche mit ihren bundesweit 83.051 Beschäftigten deshalb kaum noch ein Thema. In der Spitze hatten ohnehin nur 18 Prozent der Betriebe davon Gebrauch gemacht.
Möbelhersteller zeigen sich optimistisch
Der demonstrative Optimismus, den die Möbelindustrie am Montag bei der Vorlage der Halbjahresbilanz in Köln an den Tag legte, hat freilich einen ernsten Hintergrund. Im Frühjahr, als der Shutdown das Land nahezu lahm legte, war der Verband noch düster von einem Umsatzrückgang für das Jahr 2020 von zehn Prozent ausgegangen. Nun heben die Hersteller ihre Prognose an und gehen nur noch von einem Umsatzminus von „maximal fünf Prozent“ aus, wie Geschäftsführer Kurth erklärte. In einer Umfrage gaben 42 Prozent der Firmen an, dass sie wohl ohne Umsatzverluste durch das Jahr kommen würden. 2019 kamen die deutschen Möbelhersteller auf einen Umsatz von 17,9 Milliarden Euro.
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Im ersten Halbjahr waren ihre Umsätze immerhin um 9,8 Prozent eingebrochen. Während die Küchenbauer mit einem Minus von 2,3 Prozent noch vergleichsweise glimpflich davonkamen, traf der Shutdown die Hersteller etwa von Matratzen, Polster- und Büromöbeln mit elf Prozent und mehr umso härter. Ab Juni ging es dann spürbar bergauf. VDM-Geschäftsführer Kurth nennt als Gründe Nachholeffekte, aber auch die im Juli in Kraft getretene und bis Jahresende befristete Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent. „Der Betrag wird meist an der Kasse abgezogen und nicht mit den üblichen Rabattaktionen verrechnet“, erklärt sich Kurth den Kaufanreiz. Er appelliert deshalb an die Kommunen, das Reservoir möglicher verkaufsoffener Sonntage auch wirklich auszuschöpfen, um den verkaufsstarken Samstag zu entlasten.
Möbelmesse soll im Januar in Köln starten
Der Optimismus in der Möbelbranche ist so groß, dass die Kölner Messe fest davon ausgeht, die weltgrößte Möbelmesse im Januar stattfinden zu lassen. Auch die Küchenausstellung Living Kitchen soll steigen. „70 Prozent der Messehallen sind schon belegt“, sagt Geschäftsbereichsleiter Matthias Pollmann. Er hält den Mega-Event ohne erhöhtes Infektionsrisiko für möglich. „Zwei Drittel der europäischen Fachbesucher wollen kommen. Es gibt eine Aufbruchstimmung“, erklärt er. Gleichwohl müssten sich die Aussteller und Gäste auf „weniger Party“ einstellen. Für all jene, die nicht nach Köln kommen können, soll es erstmals virtuelle Präsentationen geben.
>>> Schweiz erstmals stärkster Exportmarkt>
Die deutschen Möbelexporte sanken im ersten Halbjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 11,9 Prozent auf 3,3 Milliarden Euro. Große Ausnahme ist die Schweiz, die Frankreich als wichtigsten Exportmarkt abgelöst hat. Die Ausfuhren zu den Eidgenossen nahmen um 4,6 Prozent zu. Frankreich verzeichnete ein Minus von 18,2 Prozent und landete auf Platz 2. In fast allen anderen europäischen Exportmärkten wurden deutliche Rückgänge verzeichnet. Eine Ausnahme war der finnische Markt mit plus 4,8 Prozent.