Essen. Der Essener Energieversorger Eon erhöht die Strom- und Gaspreise bei einigen Sonderverträgen. Die Verbraucherzentrale NRW sieht das kritisch.

Mitten in der Corona-Krise erhöht der Essener Energieversorger Eon die Strom- und Gaspreise für bestimmte Kunden. Wie das Unternehmen auf Anfrage berichtete, sollen zum September bei „einigen Sonderverträgen“ die Preise steigen. „Zahlreiche Wettbewerber mussten in den letzten Monaten ihre Strompreise bereits erhöhen“, erklärte Deutschlands größter Energiekonzern unter anderem zur Begründung. Bei einem Vertrag („Direkt Strom“), der unserer Redaktion vorliegt, ergeben sich bei einem Strombedarf von 3000 Kilowattstunden (kWh) nach Berechnungen der Verbraucherzentrale NRW jährliche Mehrkosten in Höhe von 120,80 Euro, das entspricht einer Preissteigung von 14,2 Prozent. Bei einem Eon-Gasliefervertrag („Direkt Erdgas“) für einen Essener Haushalt steigen die jährlichen Kosten des Kunden um 132 Euro bei einem Verbrauch von 15.000 Kilowattstunden – das sind 14,72 Prozent mehr als bisher.

Eon betonte, es seien „lediglich einige Sonderverträge angepasst“ worden. „Die Preise setzen sich – je nach Kunde und Vertrag – individuell zusammen“, erklärte der Energieversorger. Beispielhaft für die bevorstehende Gaspreissteigerung sei etwa ein Vertrag, bei dem ab September jährliche Zusatzkosten von 96 Euro bei einem Verbrauch von 15.000 Kilowattstunden entstünden. Eon hob zudem hervor, auch beim Strom falle die Preiserhöhung im Durchschnitt deutlich niedriger aus als beim Essener Haushalt, dessen Vertrag unserer Redaktion vorliegt. Genaue Zahlen dazu nannte das Unternehmen allerdings nicht. Wie viele Kunden von den Preiserhöhungen betroffen sind, wollte Eon ebenfalls nicht mitteilen und verwies auf „wettbewerbliche Gründe“.

„Das ist eine Einladung zum Anbieterwechsel“

Eon bereinige „jetzt ältere Strom- und Gasverträge und dreht drastisch an der Preisschraube“, sagte Udo Sieverding, Energieexperte der Verbraucherzentrale NRW, unserer Redaktion. „Das ist eine Einladung zum Anbieterwechsel.“ Durch die Übernahme der einstigen RWE-Tochter Innogy hat Eon unlängst seine Marktmacht deutlich gestärkt.

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Während es bei den Strom- und Gaspreisen in der Grundversorgung große Transparenz gibt, ist die Situation bei Sonderverträgen eine andere. „Da die Energieversorger für derartige Tarife im Gegensatz zur Grundversorgung keine Veröffentlichungspflicht haben, liegen uns die aktuellen Preise und etwaige Erhöhungen leider nicht vor“, erklärt Lundquist Neubauer von Vergleichsportal Verivox. „Wenn sich Preise für Bestandskunden verändern, bekommen wir das nicht rückgemeldet – weder von Kunden noch vom Versorger“, sagt auch Edgar Kirk vom Portal Check 24.

Eon hat Strompreise in der Grundversorgung im Frühjahr angehoben

Die Preise in der Strom-Grundversorgung hatte Eon bereits im Frühjahr angehoben. Für einzelne Eon-Regionalgesellschaften ermittelte Verivox Preiserhöhungen zwischen 5,5 und 12,1 Prozent. Wenn Energieversorger ihre Preise anheben, haben die Kunden ein Sonderkündigungsrecht.

Mit Blick auf den Eon-Vertrag „Direkt Strom“ des von einer Preiserhöhung betroffenen Essener Haushalts erklärte die Verbraucherzentrale NRW, mit den künftigen Strompreisen befinde sich Deutschlands größter Energiekonzern preislich „auf durchschnittlichem Niveau“. Allerdings sei der Grundpreis nun überproportional hoch. So verlangt Eon bei diesem Preisbestandteil künftig 143,60 Euro statt bislang 96 Euro – also fast 50 Prozent mehr. Ab einem Verbrauch von 7001 Kilowattstunden im Jahr war in diesem Vertrag bisher der Grundpreis sogar komplett entfallen. „Die starke Grundpreis-Erhöhung trifft vor allem Ein-Personen-Haushalte stark“, sagt Energieexperte Udo Sieverding, denn sie führe bei niedrigem Verbrauch zu hohen Stromkosten pro Kilowattstunde. „Das hat insbesondere bei der älteren Bevölkerung auch eine soziale Dimension.“

Verbraucherzentrale NRW rechnet mit Ersparnis bei Anbieterwechsel

Beim Gasvertrag des betroffenen Essener Haushalts sieht die Verbraucherzentrale NRW einen „überdurchschnittlich hohen“ Gesamtpreis. „Die neuen Preise von Eon sollten eine Ersparnis durch einen Anbieterwechsel im Bereich von mindestens 250 Euro pro Jahr ermöglichen“, urteilt Sieverding. Seine Einschätzung deckt sich mit Berechnungen des Vergleichsportals Verivox.

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Sieverding kritisiert auch den Zeitpunkt der Preiserhöhung. „Nach einem dreiviertel Jahr deutlich sinkender Bezugspreise bei der Beschaffung ist eine so deutliche Preiserhöhung ein Unding – und dann noch in den Sommerferien, wenn die Preiserhöhung in der restlichen Urlaubspost unterzugehen droht.“ Leider komme es öfter vor, „dass Verbraucher in Bestandskundentarifen regelrecht gemolken werden“.

„Die Großhandelspreise sind tendenziell eher gesunken“

„Beim Gas verzeichnen wir aktuell keine Preiserhöhungsnachrichten von regionalen Versorgern“, berichtet Verivox-Sprecher Neubauer mit Blick auf die Grundversorgungstarife. „Die Großhandelspreise für die Versorger sind tendenziell eher gesunken, so dass Gasversorger mittlerweile wieder Spielraum für Preissenkungen haben.“

Die Mehrwertsteuer-Senkung werde von den meisten Energieversorgern mit der kommenden Jahresabrechnung gutgeschrieben, erklärt Neubauer. Angesichts der Corona-Pandemie sei mit dem Konjunkturpaket auch eine Deckelung der Erneuerbare-Energien-Umlage auf 6,5 Cent pro Kilowattstunde (kWh) im kommenden und auf sechs Cent pro kWh im Jahr 2022 beschlossen worden. Aktuell liegt die EEG-Umlage bei 6,756 Cent pro kWh. „Daher gehen wir davon aus, dass die Strompreise kurz- bis mittelfristig nicht steigen, sondern auf dem aktuell hohen Niveau verharren“, sagt er. „Energieversorger, die jetzt die Strompreise noch weiter erhöhen, stellen sich gegen diesen Trend.“