Dortmund/Essen. Ringen um Karstadt und Kaufhof: Erste Entscheidungen sind gefallen. Ministerpräsident Laschet mischt mit. Etwas Jubel gibt es – und viel Bangen.
Es sei schwer in Worte zu fassen, was sich abgespielt habe, als die Karstadt-Belegschaft in Dortmund von der Rettung ihrer Filiale erfuhr, sagt Gerhard Löpke, der Betriebsrat des Warenhauses. Die Stimmung beschreibt er mit den Worten: „Emotionen pur.“ Nicht laut sei es gewesen, eher leise sogar. „Vielen ist ein Stein vom Herzen gefallen“, erzählt Löpke. In der Stille sei zu hören gewesen, „dass viele Steine purzelten“.
Das Dortmunder Karstadt-Warenhaus gehört zu jenen sechs Standorten bundesweit, die entgegen der ursprünglichen Planung des Konzerns nun doch nicht ihren Betrieb einstellen sollen. Auch bei Kaufhof in Leverkusen und in Chemnitz sowie in den Karstadt-Filialen Goslar, Nürnberg und Potsdam soll es weitergehen. Von einem „Etappenerfolg“ ist bei der Gewerkschaft Verdi die Rede. „Der Einsatz und die Beharrlichkeit der Kolleginnen und Kollegen in den letzten Tagen haben sich gelohnt“, sagt Verdi-Experte Orhan Akman.
Doch nach wie vor stehen 56 Filialen auf der Schließungsliste, darunter auch drei Häuser in Essen: Karstadt, Kaufhof und Karstadt Sports. „Die aktuell veröffentlichte Liste kann ja nur eine Zwischenstand-Meldung sein“, sagt Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU). „Gemeinsam mit unserer Essener Wirtschaftsförderung sind wir weiter aktiv in Gesprächen mit allen Beteiligten und kämpfen um den Erhalt der Essener Standorte.“
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Auch Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD), der die aktuelle Entwicklung als „erheblichen Fortschritt“ bewertet, räumt mit Blick auf seine Stadt ein: „Es fehlen noch zwei.“ Zwar ist nun eine positive Entscheidung für die Karstadt-Filiale gefallen, bei Kaufhof und Karstadt Sports indes geht das Bangen weiter.
Laschet in Gesprächen mit Unternehmer Benko
Auch die NRW-Landesregierung macht Druck. Eine entscheidende Frage dabei, ob sich ein Warenhaus rechnet, ist stets das Verhältnis von Mietkosten zu Umsätzen aus dem Handel. NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) appelliert an die Vermieter der Immobilien, sie mögen dabei mithelfen, „Beschäftigte und Standorte zu retten“.
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Die Deutsche Presse-Agentur berichtet unter Berufung auf Regierungskreise, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) wolle auch in Gesprächen mit der Unternehmensführung auf den Erhalt weiterer Standorte dringen. Demnach habe der österreichische Karstadt/Kaufhof-Eigner René Benko dem Ministerpräsidenten nach Gesprächen schon in den vergangenen Tagen die Sicherung der Standorte Dortmund (Karstadt) und Leverkusen (Kaufhof) zugesichert. „Die Marken Karstadt und Kaufhof zählen zur DNA unserer Wirtschaftsgeschichte“, betont Laschet.
Neuer Chef schreibt Brief an die Mitarbeiter von Karstadt und Kaufhof
Miguel Müllenbach, nach dem Abgang von Konzernchef Stephan Fanderl der neue Mann an der Spitze von Karstadt und Kaufhof, schreibt in einem Brief an die Beschäftigten, es sei „mit vereinten Kräften und im engen Schulterschluss mit unserem Eigner Signa in schwierigen Verhandlungen“ gelungen, „die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen“ für die sechs Filialen so „anzupassen“, dass eine Fortführung möglich sei. Hinter Signa verbirgt sich der österreichische Unternehmer Benko.
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Ob weitere Filialen gerettet werden können, ist offen. Es ist wohl auch Teil des Erwartungs-Managements, wenn Müllenbach schreibt: „Leider können wir für die anderen Filialen, deren Schließung beabsichtigt ist, heute keine positiven Nachrichten mitteilen.“ Eine Verbindung „von überdurchschnittlich hohen Mieten und soziodemographischen Standortnachteilen sowie anhaltend geringer Frequenz und Kaufkraft“ ermögliche bei den Filialen, die auf der Schließungsliste stehen, „leider weiterhin keine wirtschaftliche Fortführungsperspektive“.
Zunächst hatte der Warenhauskonzern angekündigt, 62 seiner bundesweit 172 Filialen zu schließen, davon 18 Kaufhäuser und vier Geschäfte von Karstadt Sports in NRW. Von der NRW-Liste sind bislang lediglich Karstadt in Dortmund und Kaufhof in Leverkusen verschwunden.
„Überwiegend Frauen“ und „ganz viele Alleinerziehende“
Der Kaufhof-Standort in Witten ist weiterhin ein Schließungskandidat, ebenso wie Warenhäuser in Bielefeld, Bonn, Düsseldorf, Gummersbach, Gütersloh, Hamm, Iserlohn, Köln-Weiden, Mönchengladbach-Rheydt und Neuss. Ministerin Scharrenbach merkte unlängst im Landtag an, es seien „überwiegend Frauen“ und „ganz viele Alleinerziehende“, die ihre Arbeit verlieren werden.
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Bei einer eilig anberaumten Pressekonferenz im Dortmunder Rathaus wird deutlich, wie nah Freud und Leid beieinander sind. Nicht nur Gerhard Löpke von der Karstadt-Filiale, die erhalten bleibt, kommt zu Wort, sondern auch seine Kolleginnen Monika Schulz von Karstadt Sports und Martina Regens von Kaufhof, für die es keine positiven Nachrichten gibt. Martina Regens sagt, sie freue es, dass zumindest ein Haus gerettet sei. Für ihren eigenen Standort wolle sie „die Hoffnung nicht aufgeben“.