Bochum. Vonovia ist bislang gut durch die Corona-Krise gekommen. Der Wohnungskonzern erhöht die Dividende. Warum Mieterschützer strikt dagegen sind.

Für die Hauptversammlung hat der Wohnungsriese Vonovia in der Bochumer Zentrale eigens ein Fernsehstudio eingerichtet. Ein mit Aktionären und Gästen voll besetzter Ruhr Congress wie sonst ist in diesen Pandemie-Zeiten nicht möglich. Und weil Konzernchef Rolf Buch privat in Gütersloh lebt, mussten er, der Notar und der Aufsichtsratsvorsitzende Jürgen Fitschen im Vorfeld einen Coronavirus-Test machen. Zum Glück mit negativen Ergebnissen.

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Die Pandemie stellt weiterhin alles auf den Kopf. „Die Corona-Krise ist ein großes Unglück. Aber auch eine Chance“, sagt Buch gleich zu Beginn seiner Rede. „Wir sollten die Stopptaste der Natur nutzen. Wir sollten unsere Gesellschaft besser machen – demütiger, verständnisvoller, nachhaltiger“, appelliert der Chef des Bochumer Dax-Konzerns. Vonovia wolle da mit gutem Beispiel vorangehen. Weil durch die Corona-Krise die Arbeitslosigkeit rasant steigt und sich die Probleme auf dem Ausbildungsmarkt verschärfen, kündigt der größte deutsche Vermieter an, in diesem Jahr 100 zusätzliche handwerkliche Lehrstellen zu schaffen und die Kapazität damit auf 205 Azubi-Stellen zu verdoppeln. 24 davon sollen auf Standorte im Ruhrgebiet entfallen. Vonovia sucht Anlagenmechaniker, Fliesenleger, Elektroniker, Maler und Gärtner.

„Wir sehen die Erhöhung der Ausbildungsplätze als Teil unserer gesellschaftlichen Verantwortung“, sagt Buch, räumt aber auch ein: „Wir haben einen hohen Bedarf und brauchen Fachkräfte.“ Berufsanfängern aus Betrieben, die insolvent sind, bietet er an, ihre Ausbildung bei Vonovia fortzusetzen. Der Vorstandschef sieht Vonovia gut durch die Corona-Krise kommen. „Wir entlassen nicht, sondern stellen ein“, betont er und verweist darauf, dass der Konzern weder Kurzarbeit noch Staatshilfe in Anspruch nehme.

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Bis September müssen die rund eine Millionen Menschen, die bei Vonovia wohnen, wegen der Pandemie keine Mietererhöhungen nach Modernisierungen befürchten. „Wir haben all unsere 350.000 Haushalte in Deutschland angeschrieben und ihnen finanzielle Unterstützung zugesagt“, resümiert Buch. Aber nur rund ein Prozent habe sich gemeldet und von Mietstundungen Gebrauch gemacht. „Die Summe ist gering“, sagt der Vonovia-Chef.

Vor diesem Hintergrund ist es für Buch selbstverständlich, dass das Unternehmen für das vergangene Jahr auch eine Dividende ausschüttet. 2019 hatte Vonovia einen Gewinn von rund 1,2 Milliarden Euro eingefahren. Daran sollten die Aktionäre „angemessen beteiligt“ werden – mit einer Ausschüttung von 1,57 Euro pro Aktie – neun Prozent mehr als im Vorjahr.

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Kritische Aktionäre und Mieterschützer sehen das naturgemäß anders. Sie fühlen dem Dax-Konzern Vonovia seit Jahren besonders aufmerksam auf den Zahn. Auch in diesem Jahr haben sie eine Gegenveranstaltung zur Hauptversammlung organisiert – wegen Corona im Internet. „Solidarität statt Dividende“, fordert etwa die Plattform kritischer ImmobilienaktionärInnen. Ihr Sprecher Knut Unger aus Witten hat errechnet, dass 37 Prozent der Mieteinnahmen in die Dividende für die Vonovia-Aktionäre flössen. Er plädiert stattdessen dafür, den Gewinn in die Senkung von Mieten zu investieren und Geschädigten der Corona-Krise entgegenzukommen. „In dieser Situation 851 Millionen Euro auszuschütten, ist völlig falsch“, meint Unger. Sein Gegenantrag scheitert aber.

Auch wenn Konzernchef Buch am Dienstag betont, dass „marktbedingte Mieterhöhungen im Bestand“ bei der Vonovia im vergangenen Jahr „unter der Inflationsrate in Deutschland“ gelegen hätten und auch die Steigerungen bei Neuvermietungen unterdurchschnittlich gewesen seien, bleibt Unger bei seinem Urteil: „Vonovia ist ein Mietpreistreiber.“

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Diese Sorge treibt inzwischen auch Mieterschützer aus Schweden und Österreich, aber auch aus den Niederlanden um. Vonovia war vor einigen Tagen auch in den Wohnungsmarkt des Nachbarlandes eingestiegen. Hans-Jochem Witzke, Vorsitzender des Mieterbundes NRW, hat bereits Kontakte zu Schwesterorganisationen geknüpft. „Wir wollen sehen, ob wir einen europäischen Mieterschutz organisieren können“, kündigt er an. Das Muster sei in vielen Ländern zu beobachten: Unternehmen kaufen im großen Stil öffentlich geförderte Wohnungen auf. Witzke: „Danach versuchen sie, möglichst schnell aus der Bindung herauszukommen und die Mieten zu erhöhen.“