Essen. Thyssenkrupp lotet die Chancen für einen Stahl-Deal mit dem schwedischen Konzern SSAB aus. Sogenannte Clean Teams sollen die Arbeit aufnehmen.
Mitten in der Corona-Krise lotet Thyssenkrupp die Chancen für eine neue Stahlfusion aus. Als mögliches Szenario gilt ein Deal mit dem schwedischen Konkurrenten SSAB. Aus Konzernkreisen ist zu hören, dass beide Seiten intensiv mit dem Thema befasst sind. Sogenannte Clean Teams, die auch wettbewerbsrechtlich relevante Daten austauschen dürfen, nehmen demnach in Kürze ihre Arbeit auf. Als Optionen für Thyssenkrupp gelten allerdings auch eine deutsche Fusion mit den Konzernen Salzgitter und Saarstahl sowie eine Neuauflage des zuletzt gescheiterten Bündnisses mit dem Europaableger des indischen Mischkonzerns Tata.
Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz hatte Mitte Mai erklärt, ihr Konzern prüfe verschiedene Szenarien für die Stahlsparte – und zwar „ohne Denkverbote“. Auch eine Trennung von der Mehrheit der Anteile sei möglich, sagte Merz.
Die Thyssenkrupp-Stahlsparte, in der knapp 28.000 Mitarbeiter beschäftigt sind, ist aufgrund der großen Werke in Städten wie Duisburg, Bochum und Dortmund insbesondere für NRW relevant.
Thyssenkrupp-Chefin Merz und der „Optionen-Raum“
Wie ernsthaft das Thyssenkrupp-Management die Fusionsoptionen prüft, belegt der absehbare Start der Clean Teams im Fall SSAB. Sollte es ein Ergebnis geben, entstünde ein neuer europäischer Stahlriese. Der SSAB-Konzern mit Sitz in Stockholm beschäftigt eigenen Angaben zufolge rund 14.000 Mitarbeiter in mehr als 50 Ländern. Bei einem Zusammenschluss kämen zur Thyssenkrupp-Jahresproduktion in Höhe von 11,3 Millionen Tonnen rund 7,6 Millionen Tonnen hinzu.
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Der Essener Industriekonzern verwies auf Anfrage unserer Redaktion lediglich auf die Äußerungen von Vorstandschefin Merz aus dem Mai. Der ganze „Optionen-Raum“ sei geöffnet, hatte Merz seinerzeit betont. „Ziemlich intensiv“ seien die Unterredungen mit denkbaren Partnern. Und es gebe Gespräche „in alle Richtungen“.
Auch chinesischer Konzern Baosteel soll interessiert sein
Auch dem chinesischen Konzern Baosteel wird Interesse am Stahlgeschäft von Thyssenkrupp nachgesagt. Vertreter von Baosteel hätten bereits mit Managern in Essen gesprochen, ist zu hören. Politisch dürfte ein deutsch-chinesischer Deal aber schwer zu vermitteln sein. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) bezeichnete die Stahlindustrie unlängst als „systemrelevant für Deutschland“.
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Der schwedische Konzern SSAB kann mit einer im Vergleich zu Thyssenkrupp deutlich niedrigeren Verschuldung glänzen. Auch daher stellen Insider die Frage, unter wessen Führung ein Deal zustande kommen könnte. „An die Schweden muss man verkaufen“, sagt jedenfalls ein Kenner der Szene.
IG Metall plädiert für deutsche Stahlfusion mit Staatsbeteiligung
Der Stahl-Gesamtbetriebsratschef von Thyssenkrupp, Tekin Nasikkol, warnte das Management um Martina Merz bereits davor, rote Linien zu überschreiten. „Ich kann mir kein Szenario vorstellen, in dem die IG Metall zusammen mit der betrieblichen Arbeitnehmervertretung einem mehrheitlichen Verkauf von Thyssenkrupp Steel zustimmen würde“, sagte Nasikkol kürzlich.
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Knut Giesler, der Chef der IG Metall in NRW, betont, er befürworte eine „deutsche Lösung“ mit Thyssenkrupp, Salzgitter und Saarstahl. IG Metall-Vorstandsmitglied Jürgen Kerner, der auch Vize-Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp ist, brachte für ein solches Szenario eine Beteiligung der Bundesregierung ins Gespräch. „Mit dem in der Corona-Krise von der Bundesregierung aufgelegten Fonds gibt es ein geeignetes Instrument für eine direkte Staatsbeteiligung an den Stahlherstellern“, sagte Kerner unlängst unserer Redaktion. Salzgitter hat indes auf neuerliche Rufe nach der Gründung einer „Deutschen Stahl AG“ eher zurückhaltend reagiert.
Weitere Option: eine Neuauflage der Fusion mit Tata
Aus Konzernkreisen ist zu hören, auch ein neuer Anlauf für einen Zusammenschluss mit dem indischen Stahlkonzern Tata in Europa sei denkbar. Mit der Corona-Krise gebe es eine andere Situation als zum Zeitpunkt des Scheiterns des lange geplanten Bündnisses. Allerdings müssten die Wettbewerbsbedenken der EU-Kommission ausgeräumt werden.
Grundsätzlich sei auch die Beteiligung von Finanzinvestoren beim Erarbeiten eines unternehmerischen Konzepts für Deutschlands Stahlindustrie möglich, sagt ein Insider. Ein Aufsichtsratsmitglied von Thyssenkrupp betont, es sei „romantisierend“, davon auszugehen, die Stahlsparte des Konzerns könne ohne das Zutun anderer Unternehmen in die Zukunft steuern.