Mülheim. Im Familienstreit um die Erbschaftssteuer bietet Tengelmann-Chef Haub Unterstützung des Unternehmens an. Zwist belastet den Mülheimer Konzern.
Glaubt man den einschlägigen Rankings über die reichsten Deutschen, rangiert die Familie Haub mit einem geschätzten Vermögen von fünf Milliarden Euro in der oberen Hälfte der Top 50. Die Eigentümer des Mülheimer Handelskonzerns Tengelmann spüren in diesen Monaten allerdings, dass Reichtum auch eine Bürde sein kann. Nachdem Unternehmenschef Karl-Erivan Haub seit gut zwei Jahren verschollen ist, tobt ein Streit in der Familie, wie die 450 Millionen Euro Erbschaftssteuer aufgebracht werden können, die fällig werden, wenn Haub gerichtlich für tot erklärt wird.
Die Erbfolge-Regelung bei den Haubs ist streng: Das Unternehmen mit den Ketten Obi, Kik, Tedi, Babymarkt, 80 Beteiligungen an Start-ups wie Zalando, Delivery Hero und Klarna sowie einem großen Immobilien-Besitz gehört je zu einem Drittel den drei Haub-Brüdern Karl-Erivan, Christian und Georg. Im Falle ihres Todes gehen ihre Anteile laut Satzung auf die jeweiligen Kinder über – mit allen steuerrechtlichen Folgen.
Auch interessant
Um das Erbe ihres verschollenen Vaters Karl-Erivan anzutreten, müssten die Zwillinge Viktoria und Erivan Haub fast eine halbe Milliarde Euro an den Fiskus überweisen. Aus eigener Kraft sind sie und ihre Mutter Katrin dazu kaum in der Lage. Das sieht auch Christian Haub so. Der 55-Jährige ist der neue starke Mann bei Tengelmann, seitdem sein Bruder am 7. April 2018 nicht mehr von einem Skiausflug in den Alpen zurückkehrte. „Wir suchen weiter nach einer Lösung, die der Familie bei der Finanzierung hilft. Natürlich muss es eine Beteiligung des Unternehmens geben“, sagte Haub im Gespräch mit unserer Redaktion.
Niederlage für Christian Haub vor Gericht
Doch ein Ausweg ist nicht in Sicht. Stattdessen beharken sich die Familienzweige juristisch. Vor dem Landgericht Duisburg musste der Konzernchef jüngst eine Niederlage einstecken. Es geht um die Besetzung des einflussreichen Tengelmann-Beirats, der die Geschäftsführung kontrolliert. Gegen die Stimme seiner Schwägerin Katrin, die die Interessen ihres verschwundenen Mannes vertritt, ließ Christian Haub 2018 Franz Markus Haniel in das Gremium wählen.
Auch interessant
Dabei wurde nach Einschätzung der Richter gegen die Satzung verstoßen, die eine Dreiviertel-Mehrheit vorsieht. Das Oberhaupt der Duisburger Unternehmer-Familie Haniel war aber nur auf zwei Drittel der Stimmen gekommen. Gegen das Urteil kann Christian Haub Berufung einlegen. Ob er davon Gebrauch machen wird, ist ungewiss. „Wir prüfen jetzt die Urteilsbegründung und werden dann alle Optionen abwägen“, sagt der Tengelmann-Chef. „Eine Beilegung des Streits wäre natürlich besser als die Fortsetzung der Gerichtsverfahren. Wir brauchen in dieser schwierigen Situation einen voll belastbaren Beirat. Bis zum Jahresende müssen wir turnusgemäß einen neuen Beirat wählen.“
Tengelmann steigerte 2019 Umsatz auf 8,1 Milliarden Euro
Das klingt versöhnlich. Haub macht aber auch Druck. Denn nach dem guten Geschäftsjahr 2019, in dem die Tengelmann-Gruppe ihren Umsatz um 4,1 Prozent auf 8,1 Milliarden Euro steigern konnte, leiden ihre Handelsketten nun unter der Corona-Krise. „Wir haben während des Shutdowns Umsatzausfälle im mittleren dreistelligen Millionenbereich verkraften müssen“, sagt der Konzernchef. Geplante Investitionen will er aber nicht nur wegen der Pandemie zurückfahren. „Ich kann ja keine Investment-Entscheidung treffen, ohne die Erbschaftsteuerfrage im Hinterkopf zu haben“, sagte Haub dem „Handelsblatt“.
Auch interessant
Auch der Familienstreit belastet das Unternehmen. Einigen sich die Zweige nicht, droht eine Zerschlagung des Handelsimperiums. Das will Haub verhindern. In der Auseinandersetzung um die Erbschaftssteuer strebt er deshalb eine „nachhaltige Lösung“ an, die auch bei künftigen Erbfolgen zur Anwendung kommen kann. „Wir sind verantwortlich für 90.000 Mitarbeiter und deren Familien. Ihre Zukunft dürfen wir nicht gefährden“, betont Haub.
25.000 Beschäftigte waren wegen Pandemie in Kurzarbeit
Nachdem alle Kik- und Tedi-Filialen sowie ein Drittel der Obi-Baumärkte im Ausland im Frühjahr wegen der Corona-Pandemie über Wochen schließen mussten und 25.000 Beschäftigte in Kurzarbeit geschickt wurden, zeigt sich der Tengelmann-Chef „vorsichtig optimistisch“, dass die Geschäfte auf Jahressicht wieder gut laufen werden. „Ich habe aber die Sorge, dass sich die Rezession allgemein negativ auf das Konsumklima auswirken wird“, sagt er.
Anträge auf Staatshilfe hatte Tengelmann im April bereits vorbereitet, davon aber nur bei der Haushaltswaren-Tochter Tedi Gebrauch gemacht. Für die Kette aus Bönen habe man „eine Kombination aus Bundes- und Landesbürgschaft“ in Anspruch genommen. „Ich gehe davon aus, dass wir das bald zurückzahlen werden“, so Haub. Auch die in der Krise zusätzlich aufgenommenen Kredite zur Verbesserung der Liquidität habe man „zum Teil wieder abgelöst“. An deutliche Umsatzsteigerungen wie 2019 glaubt Haub für das laufende Jahr aber nicht.
>>> Lösung für Netto-Beteiligung gesucht
Größtes Geschäftsfeld der Tengelmann-Gruppe ist Obi mit 668 Baumärkten, davon 319 im Ausland. Dem am Mittwoch veröffentlichen Jahresabschluss zu Folge steigerte die Kette im vergangenen Jahr ihren Umsatz um 6,5 Prozent auf 6,8 Milliarden Euro.
Mit zehn Prozent sind die Mülheimer am Discounter Netto beteiligt, der zum Edeka-Verbund gehört. Tengelmann-Chef Christian Haub sagte dem „Handelsblatt“, dass er sich für diese Beteiligung „andere Lösungen vorstellen“ könne, weil der Gestaltungsspielraum gering sei.