Sprockhövel. Auf dem Hof von Dirk Gelbrich in Sprockhövel sind die rumänischen Helfer eingetroffen. Die Ernte läuft. Das ist nicht bei allen Erdbeerbauern so.

Die ersten Erdbeeren sind reif. Und sie werden auf dem Hof von Dirk Gelbrich in Sprockhövel seit Donnerstag geerntet. Das ist eine Nachricht! Eine gute. Sicher war das nämlich lange nicht, weil noch vor zwei Monaten wegen des Coronavirus kein Erntehelfer aus dem EU-Ausland einreisen durfte.

Nur 32.535 Saisonarbeiter eingereist

Nach zähem Ringen hatte die Bundesregierung beschlossen, dass im April und Mai jeweils 40.000 Helfer kommen dürften, um bei Ernten und Aussaat zu helfen. Laut Bundeslandwirtschaftsministerium sind seit dem 9. April bis Anfang dieser Woche (Stand 19. Mai) nur 32.535 Saisonarbeiter eingereist.

Dirk Gelbrich (56) auf einem seiner Felder mit frühen Erdbeeren. Die werden seit Donnerstag geerntet und verkauft. Vor zwei Monaten hatte der Landwirt damit nicht unbedingt gerechnet, weil seine Erntehelfer nicht einreisen durften.
Dirk Gelbrich (56) auf einem seiner Felder mit frühen Erdbeeren. Die werden seit Donnerstag geerntet und verkauft. Vor zwei Monaten hatte der Landwirt damit nicht unbedingt gerechnet, weil seine Erntehelfer nicht einreisen durften. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Dass die Zahl weit unter dem maximal Möglichen liegt, wundert Gelbrich nicht. Der bürokratische Aufwand ist hoch. „Rund 50 Arbeitsstunden habe ich damit verbracht, die Arbeitsverträge an unsere Helfer zu versenden und mit der Bundespolizei, der Agentur für Arbeit, dem Zoll und schließlich dem zuständigen Ordnungsamt bei uns in Sprockhövel alles zu klären.“

Betriebe müssen unter anderem vor Anmeldung und Reiseantritt der Arbeitskräfte eine schriftliche Hygieneunterweisung in der jeweiligen Landessprache schicken.

5 Flüge, aber 15 bezahlen

Das hört sich leichter an, als es für Gelbrich war, denn seine Helfer kommen aus einer Gegend, in der Internet und E-Mail-Verkehr keine Selbstverständlichkeit sind. Selbst einen Drucker gäbe es nur im benachbarten Bürgermeisteramt. Am Ende hat es rechtzeitig geklappt.

Seit Jahren hilft die fünfköpfige rumänische Familie auf den Erdbeerfeldern an der Grenze zu Wuppertal. „Aber ich war gar nicht sicher, ob sie kommen wollen“, erzählt der Landwirt. In Rumänien sei die Ausbreitung des Virus sehr viel geringer als in Deutschland.

Bundeslandwirtschaftsministerium bemüht

Auf der Vermittlungsplattform „www.daslandhilft.de“ können sich an der Ernte Interessierte registrieren lassen. Es gebe 65.000 Inserate, dies entspreche etwa 165.000 potenziellen Helfern.

Die Landwirte verlassen sich lieber auf erfahrene Helfer aus Rumänien oder Polen.

Das Bundeslandwirtschaftsministerium habe immerhin erreicht, dass Saisonarbeiter 115 statt 70 Tage sozialversicherungsfrei arbeiten dürfen.

Die Familie aus der Region Suceava ließ sich nicht abschrecken, sondern am 4. Mai nach Düsseldorf einfliegen, einem der sieben von der Regierung definierten Zielflughäfen. In den Maschinen, gefüllt mit Erntehelfern, gilt nicht nur Maskenpflicht. Für fünf Köpfe musste Gelbrich 15 Flüge kaufen, also auch die wegen der Hygienevorschriften frei bleibenden Sitze bezahlen. Tat er. Immerhin waren in den Kosten bereits Gesundheitschecks am Flughafen inbegriffen. Die hätte der Landwirt sonst bei sich vor Ort machen lassen – schon um sich und seine Familie zu schützen und den Betrieb auf dem Hof mit Milchviehwirtschaft nicht zu gefährden. Die vorgeschriebene „faktische Quarantäne“ war in diesem Fall kein Problem, weil auf dem Hof nur diese eine Familie arbeitet.

Die Erdbeerernte ist für Landwirte wie Gelbrichs häufig ein Nebenverdienst, der Geld für Investitionen und schlechte Zeiten in die Kasse spülen soll. Nun musste erst einmal eine Menge Geld in die Hand genommen werden, für die Anreise der Helfer, aber auch die Umsetzung von Hygienestandards am Verkaufsstand und auf den Feldern.

Erdbeeren dieses Jahr etwas teurer

Die Erdbeeren sind in diesem Jahr folglich etwas teurer als sonst; bei Gelbrich zum Saisonstart zwischen 7 und 7,60 Euro pro Kilo, je nach Abnahmemenge. Verkauft werden sie auch von Assunta Jaeger aus Wuppertal. Sie ist Fotografin, in der Eventbranche tätig, eigentlich. Die Branche liegt brach, deshalb konnte die sympathische 44-Jährige die sechs Wochen Erdbeererntesaison sicher zusagen und die Seiten wechseln: Von der Kundin zur Helferin auf 450-Euro-Basis. „Ich bin sehr froh über den Job“, sagt sie.

Anfragen von potenziellen deutschen Helfern hatte Gelbrich nach eigenen Angaben jede Menge. Aber entweder wollten sie „schwarz“ arbeiten oder konnten oder wollten nicht sechs Wochen sicher zusagen. „Es werden in diesem Jahr sehr, sehr viele Erdbeeren nicht geerntet werden“, vermutet der Landwirt nach Gesprächen mit Kollegen, die weniger Glück mit Erntehelfern gehabt haben als Gelbrich.

Ab der kommenden Woche startet auch das „Selbstpflücken“ auf dem Hof Gelbrich. Infos unter: www.gelbrich-erdbeeren.de