Essen. . Sanierungsentwurf von Galeria Karstadt Kaufhof sieht die Schließung von 80 der 170 Filialen vor. Verdi: „Das werden wir nicht zulassen.“
Der ums Überleben kämpfende Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof will fast jede zweite seiner 170 Filialen in Deutschland schließen: 80 Häuser stehen einem Entwurf des Sanierungsplans auf der Streichliste, wie mehrere mit den Details vertraute Personen unserer Zeitung bestätigten. Auch in den 90 verbleibenden Kaufhäusern soll rund jede zehnte Stelle wegfallen. Wie viele der insgesamt rund 28.000 Beschäftigten von Karstadt und Kaufhof ihre Arbeitsplätze zu verlieren drohen, bleibe zunächst offen." Die Gewerkschaft Verdi und der Betriebsrat sind entsetzt und kündigten massiven Widerstand an.
„Das ist brutal! Es hat den Anschein, dass die Unternehmensleitung und der Eigentümer die Corona-Krise missbrauchen, um ihre ursprünglichen Planungen von Standortschließungen und Entlassungen doch noch umzusetzen“, wettert Stefanie Nutzenberger, Bundesvorständin und Handelsexpertin von Verdi. Sie fordert auch Unterstützung aus der Politik: „Das werden wir nicht zulassen! Corona zu benutzen, um sich gesund zu stoßen, das darf auch die Politik nicht zulassen. Es geht um das Schicksal von tausenden Beschäftigten. Hier sind alle gefordert, von den Bürgermeistern bis hin zur Bundespolitik,“ sagte sie.
Verdi sieht Gesamtkonzern mit 35.000 Beschäftigten betroffen
Verdi sieht auch die Tochtergesellschaften Karstadt Feinkost, Karstadt Sports, die Gastronomien mit Dinea und Le Buffet sowie die Logistik betroffen – und damit „verheerende Auswirkungen auf die rund 35.000 Beschäftigten bei Galeria Karstadt Kaufhof und im Konzern“, so Nutzenberger.
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Das Unternehmen äußerte sich zunächst nicht zu den Plänen. Galeria Karstadt Kaufhof hatte Ende März beim Amtsgericht Essen ein Schutzschirmverfahren angestrengt, die mildeste Form eines Insolvenzverfahrens. Das Management hat mit Unterstützung der Insolvenzexperten Arndt Geiwitz (Generalbevollmächtigte) und Frank Kebekus (Sachwalter) bis Ende Juni Zeit, dem Gericht einen überzeugenden Sanierungsplan vorzulegen, andernfalls droht eine echte Insolvenz. Dass es zu Schließungen und Stellenstreichungen kommen werde, war bereits deutlich vernehmbar, aber nicht in dieser Dimension.
Mietnachlässe sollen noch Filialen retten
In dem ersten Entwurf für die Sanierung, der dem Gesamtbetriebsrat vorgelegt wurde, verteidigen die Krisenmanager ihre Vorschläge damit, dass wegen der Corona-bedingten Schließungen der Konzern bereits mehr als eine halbe Milliarde Euro Umsatz verloren habe. Weil auch nach der Öffnung weniger gekauft werde, rechnet das Management mit einer Verdoppelung des Verlusts auf eine Milliarde Euro.
Dem Vernehmen nach dient das erste Konzept als Grundlage für die Gespräche mit der Arbeitnehmerseite. Gleichzeitig versucht der Warenhauskonzern, bei den Vermietern der Immobilien Mietnachlässe zu erreichen, um einige auf der Kippe stehende Standorte noch zu retten. Auch über die Angleichung der bei Karstadt im Vergleich zu den neuen Kaufhof-Kollegen niedrigeren Löhne will das Management offenbar noch einmal mit Betriebsrat und Gewerkschaft reden.
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Verdi sieht seinen mühsam errungenen Erfolg im Kampf um einen einheitlichen Tarifvertrag schwinden, der Ende 2019 abgeschlossen wurde. Seinerzeit sah alles danach aus, dass die lang ersehnte Fusion von Karstadt und Kaufhof zur Deutschen Warenhaus AG doch noch eine Erfolgsgeschichte werden könnte. Auch im Frühjahr sah es noch gut aus, wie der Generalbevollmächtigte Geiwitz Anfang April unserer Redaktion sagte. Ohne die Corona-Krise hätten Karstadt und Kaufhof „die Synergien jetzt heben“ können.
„Wenige Wochen später kommt jetzt die Umkehr und ein Kahlschlag auf Kosten der Beschäftigten“, schimpft Verdi-Vorständin Nutzenberger. Die Orientierung des Managements und des Generalbevollmächtigten seien „die Folge einer fantasie- und verantwortungslosen Haltung in der Geschäftsleitung“, kritisierte Nutzenberger und kündigte „bereits jetzt eine harte Auseinandersetzung“ an.
Verdi sieht nicht nur Galeria Karstadt Kaufhof betroffen, sondern auch die Attraktivität ganzer Innenstädte, was weitere Zehntausende Arbeitsplätze gefährde. „Denn die Warenhäuser in den Städten sind Ankerstandorte. Sie sind der Schlüssel für Frequenz und für die Ansiedlung von weiteren Einzelhandelsbetrieben“, so Nutzenberger.