Essen. In der Corona-Krise wurde Heimarbeit zum Massenphänomen: Das Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) sieht Vorteile, aber auch Konfliktpotenzial.

40 Prozent der Erwerbstätigen würden künftig gerne von zu Hause aus arbeiten – zumindest zeitweise. Das geht aus aktuellen Studien des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen hervor. Vor der Corona-Pandemie waren es nur rund zwölf Prozent der Erwerbstätigen. Offensichtlich also, dass die Corona-Krise die Sicht auf die Telearbeit in den eigenen vier Wänden verändert hat.

Das scheint auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil so zu sehen. Er kündigte an, im Herbst einen Gesetzentwurf vorlegen zu wollen, der das Recht auf die Arbeit von zu Hause aus festlegt. Die SPD-Spitze fordert klare Regeln für das Homeoffice. „Eigentlich müssten alle Arbeitgeber zum Beispiel zu Hause nachprüfen, ob der Stuhl überhaupt geeignet ist“, sagte SPD-Chefin Saskia Esken zuletzt der Deutschen Presse-Agentur. Zwar herrsche aktuell ein Ausnahmezustand, aber es brauche mittelfristig Regeln, die die Arbeit im Homeoffice gestalten.

Längst sind nicht alle Rahmenbedingungen für ein professionelles Arbeiten im Homeoffice geschaffen, wie eine Yougov-Studie für das Software-Unternehmen Eset zeigt: Demnach nutze jeder siebte Arbeitnehmer im Homeoffice seine privaten Geräte – hinsichtlich der Datensicherheit ein erheblicher Mangel. „Beim Thema IT-Sicherheit sehen wir bei Firmen noch einen gravierenden Nachholbedarf. Weniger als ein Drittel hat für die Heimarbeit eine volle technische Ausstattung und IT-Richtlinien von seinem Arbeitgeber erhalten “, erklärt Eset-Manager Holger Suhl.

Studie: Arbeit im Homeoffice wird schnell intensiver, die Pause verkürzt

Aller technischer Mängel zum Trotz: Gerade das sogenannte alternierende Homeoffice – also die Abwechslung von der Arbeit im Büro und daheim – ist laut Arbeitspsychologin Anja Gerlmaier vom IAQ für Arbeitnehmer besonders attraktiv. Im Gegensatz zur reinen Arbeit im Homeoffice biete sie erhebliche Vorteile: Konzentrationsintensive und kommunikationsintensive Aufgaben ließen sich besser trennen und lange Anfahrten verringern.

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Die reine Arbeit im Homeoffice hingegen biete dagegen viel Potenzial für Konflikte. Laut IAQ arbeiteten Menschen im Homeoffice im Schnitt bis zu vier Stunden mehr in der Woche. Die Arbeit werde schnell intensiver, die Pause verkürzt – das begünstige Schlafprobleme und Ermüdungserscheinungen. „Dabei ist vor allem das bewusste Einplanen vom Arbeitsende und regelmäßigen Kurzpausen wichtig, um sich zu erholen“, rät Gerlmaier. Alle 90 Minuten sollte etwa eine fünf bis zehnminütige Pause eingelegt werden.

Unternehmerverband nennt starren Acht-Stunden-Tag überholt

Wolfgang Schmitz, Hauptgeschäftsführer des Unternehmerverbandes, erachtet den starren Acht-Stunden-Tag – gerade im Homeoffice – als überholt: „Das Arbeitsrecht muss zügig den neuen Gegebenheiten angepasst werden. Eine wöchentliche Höchstarbeitszeit würde Arbeitnehmern die Freiheit geben, sich die Arbeit so einzuteilen, wie es am besten passt.“

Er ist überzeugt, dass sich nach der Corona-Krise das Verhältnis zwischen Büro und mobilem Arbeiten neu einpendeln wird – auch ohne gesetzlichen Anspruch. „Homeoffice und mobiles Arbeiten bedürfen definitiv keines gesetzlichen Anspruchs, wie ihn jüngst Arbeitsminister Hubertus Heil für den Herbst angekündigt hat: Solche Vorgaben beschränken Wachstum und Flexibilität“, meint Schmitz.

Stattdessen bedürfe mobiles Arbeiten klarer Regeln zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, etwa was Erreichbarkeit, technische Ausrüstung und Datenschutz angeht. „Die elementare Voraussetzung für Homeoffice ist Vertrauen. Und aktuell merken viele Vorgesetzte: Ich kann zwar nicht kontrollieren, aber die Ergebnisse stimmen trotzdem. Warum sollte sich das nach Corona ändern?“

Eine Schlafzimmerecke zum Büro machen

Die elementare Vertrauensfrage bewertet der Duisburger Software-Unternehmer Alexander Kranki als Unternehmensphilosophie: „Kontrollkultur und Homeoffice geht nicht zusammen.“ In seinem 100-Mann-Betrieb wurde Homeoffice bereits vor der Corona-Krise optional und von 90 Prozent der Arbeitnehmer „zwischendurch gerne genutzt“. Er glaubt dennoch, dass sich auch bei Krankikom die Einstellung zur Heimarbeit weiter ins Positive gewandelt hat. „Es erweitert den Baukasten an Möglichkeiten. Wir werden sicher einige funktionierende Abläufe adaptieren und etwa Geschäftsreisen vermeiden.“

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Das Homeoffice kam für viele Unternehmen plötzlich und stellte sie vor Herausforderungen – sowohl organisatorisch, aber auch was die Ausstattung angeht. Der Stuttgarter Versandhändler Kaiser + Kraft beliefert Großkonzerne mit Büroausstattungen. Laszlo Juhasz, Geschäftsleiter des Produktmanagements, beobachtete in der Zeit des Umbruchs gerade bei platzsparenden Arbeitsausstattungen für zu Hause eine immense Nachfrage. Kompakte Systeme, die etwa das Arbeiten im Stehen ermöglichen oder eine Schlafzimmerecke zum Büro machten, seien gefragt. „Das zeigt, dass Homeoffice ein langfristiges Thema ist. Durchaus möglich, dass ein Paradigmenwechsel ansteht.“