Hagen. Solo-Selbstständige dürfen von den 9000 Euro Soforthilfe keinen Cent für sich persönlich nutzen. Bundesweit sind rund 1,5 Millionen betroffen.

In der Coronakrise schwankt die Stimmungslage beim Thema Soforthilfen für Solo-Selbstständige zwischen Euphorie und Verunsicherung. Vom Antragsverfahren über die Bewilligung bis zur Auszahlung der Zuschüsse wurde insbesondere in Nordrhein-Westfalen ein atemberaubendes Tempo vorgelegt. Abgesehen von den Betrügereien, die das Verfahren eine Woche lahmlegten, gibt es aus Sicht von Antragstellern aber ein weiteres großes Manko: Künstler, Musiker, freiberufliche Dozenten oder Solo-Selbstständige, die im Auftrag großer Firmen unterwegs sind, dürfen vom Geld Rechnungen und Kredite begleichen, Miete zahlen, aber sich nicht ein einziges Brötchen kaufen. Bundesweit betrifft dies wohl allein rund 1,5 Millionen Solo-Selbstständige.

Baden-Württemberg macht es anders

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Von Rolf Hansmann, Rudi Pistilli, Jens Helmecke, Michael Koch

Irritationen gab es in NRW deshalb, weil es zwischen Bund und der Landesregierung in dieser Frage unterschiedliche Auffassungen gab – und weiterhin gibt. Ende März war es auf der Seite des NRW-Ministeriums noch eindeutig formuliert: „…sofern der Finanzierungsengpass beim Solo-Selbstständigen im Haupterwerb dazu führt, dass er sein regelmäßiges Gehalt nicht mehr erwirtschaften kann, dient die Soforthilfe auch dazu, das eigene Gehalt und somit den Lebensunterhalt zu finanzieren.“

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Ein paar Tage später war diese Formulierung verschwunden. „Wir sind bei Betrieben mit bis zu zehn Beschäftigten, bei Solo-Selbstständigen und Freiberuflern an die Vorgaben des Bundes gebunden“, heißt es jetzt dazu aus dem Düsseldorfer Ministerium. Schließlich kommt die von Amts wegen sogenannte „Billigkeitsleistung“ für Freischaffende und Unternehmer mit bis zu zehn Beschäftigten vom Bund. Wer also von den 9000 beziehungsweise 15.000 Euro auch nur einen Cent für den Einkauf oder die Krankenkassenbeiträge ausgibt, läuft Gefahr, bei einer Überprüfung belangt zu werden.

Neuer Anlauf

Ab dem 17. April kann die korrekte Antragsseite für die Soforthilfen ausschließlich über https://soforthilfe-corona.nrw.de aufgerufen werden.

Die Landesregierung warnt vor Seiten mit anderen Endungen wie „info“ oder „com“. Auch die zwischenzeitlich gestoppte Auszahlung bereits bewilligter Anträge wird voraussichtlich Ende der Woche wiederaufgenommen. Die Darauf weist das Landeswirtschaftsministerium hin. (jh)

Aus dem Bundeswirtschaftsministerium heißt es dazu: „Das Bundesprogramm sieht keine Erstattung von Kosten der privaten Lebensführung oder privaten Miete vor. Die Länder verzahnen das Programm des Bundes jedoch in der Regel mit eventuellen eigenen Programmen. Die Antragsvoraussetzungen können daher in den einzelnen Ländern variieren.“ Es bliebe NRW demnach unbenommen, auf eigene Kosten den Lebensunterhalt zu sichern. In Baden-Württemberg etwa hat die Landesregierung klargestellt, dass der private Lebensunterhalt immerhin bis zu einer Höhe von 1180 Euro geltend gemacht werden könne.

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Das Geld für den persönlichen Bedarf sollen sich die Betroffenen nach Auffassung des Bundes aber eigentlich über einen Antrag auf Grundsicherung verschaffen. Eine Doppelbürokratie, die man in dieser Notsituation eigentlich genau nicht gebrauchen kann. So sehen es wohl nicht Betroffene, sondern auch die meisten Landesregierungen. Auf Wirtschaftsministerebene wird nach Informationen der Westfalenpost hinter den Kulissen derzeit versucht, den Bund zum Umdenken zu bewegen.

Bitterer Beigeschmack

Sonst bliebe bei zahlreichen Kleinunternehmern ein bitterer Beigeschmack. Dabei hat das Instrument Soforthilfe seinen Namen eigentlich wirklich verdient: Insbesondere in Nordrhein-Westfalen wurde das Verfahren in einer Geschwindigkeit umgesetzt, die man gemeinhin von Behörden nicht kannte. Von der Antragstellung über den Bescheid bis zur Auszahlung verging kaum eine Handvoll Tage. Dass Betrüger versuchen würden, zu profitieren, war den Verantwortlichen klar - dass das Verfahren zwischenzeitlich gestoppt und nachgebessert werden musste, damit hatte man im Düsseldorfer Wirtschaftsministerium wohl weniger gerechnet. Aber ab Freitag soll die Corona-Hilfe auch in NRW wieder anlaufen. Was weiter fehlt, ist die Klärung der existenziellen Brötchenfrage.