Essen. Toilettenpapier ist gefragter denn je. Die Fabriken laufen auf Hochtouren, die Supermarktregale scheinen immer leer zu sein. Wie ist das möglich?

Egal ob die klassische dreilagige Variante, die luxuriöse vierlagige oder die umweltschonende aus recyceltem Papier: Wer dieser Tage Toilettenpapier kaufen möchte, steht vor einer Herausforderung. Aus Branchenkreisen heißt es, dass Lieferungen, die normalerweise für eine Woche reichten, nun binnen weniger Stunden vergriffen sind. Die Lagerbestände, die anfangs noch den Ansturm abfingen, existieren längst nicht mehr. Was geliefert wird, wandert direkt ins Regal. Der großen Nachfrage können die Supermärkte damit nicht gerecht werden. Das sorgt für Unmut in der Kundschaft.

„Der Ton ist zuweilen rau“, erzählt Falk Paschmann, Geschäftsführer von zehn Edeka-Märkten in der Region. Ein Problem sei die Trennschärfe. Stehe etwa jemand mit mehr als einer Packung Toilettenpapier am Kassenband, deute das nicht immer auf einen Hamsterkauf hin. „Wenn ein Kunde nachweislich für die Nachbarschaftshilfe oder jemanden aus der Risikogruppe einkauft, unterstützen wir das.“ Offensichtliche Hamsterer, die neben mehreren Packungen Toilettenpapier nur ein oder zwei weitere Artikel kauften, würden hingegen auf die Abgabe in haushaltsüblichen Mengen hingewiesen.

Auf der Suche nach alternativen Lieferanten

Die Handelsketten suchen nach zusätzlichen Quellen und alternativen Lieferanten. „Wir versuchen, Warenströme umzuleiten. Zum Beispiel Toilettenpapier bei Anbietern für Bürobedarf zu kaufen“, sagt der Edeka-Händler Paschmann. Aldi Nord gibt an, zuletzt fünf bis sechs Mal so viel Toilettenpapier bestellt zu haben wie üblicherweise. Aber: „Die Lieferanten können das nicht leisten, sie sind am absoluten Limit“, sagt ein Sprecher des Discounters.

Alles, was in den Aldi-Filialen ankomme, verkaufe sich sehr schnell. Das Phänomen der Hamsterkäufe sei Alltag: „Wie alle im Einzelhandel haben auch wir damit zu kämpfen.“ Zwar könne man auf die Abgabe in haushaltsüblichem Mengen verweisen, es sei aber schwierig nachzuvollziehen, ob jemand mehrmals die Woche Toilettenpapier kauft, sagt der Aldi-Sprecher.

Hersteller stocken Produktion deutlich auf

Essity, einer der Weltmarktführer in der Herstellung von Hygienepapier (Zewa, Tempo, Tork), teilt dieser Zeitung auf Anfrage mit, dass seit Wochen eine deutlich gesteigerte Nachfrage zu verzeichnen sei. „Unsere Fabriken produzieren rund um die Uhr, auch am Wochenende. Wir haben die Produktion deutlich hochgefahren. Das gilt für Toilettenpapier ebenso wie für Küchentücher, Haushaltstücher oder Papierhandtücher.“ Um mehr produzieren zu können, werden weniger verschiedene Verpackungsgrößen hergestellt. Das spare Zeit bei der Umrüstung der Maschinen.

Auch der Düsseldorfer Toilettenpapierhersteller Hakle hat seine Produktion aufgestockt: „Unsere 220 Mitarbeiter produzieren aktuell jeden Tag circa 1500 Paletten Hygienepapiere. Das entspricht rund 1,5 Millionen Rollen.“ Normalerweise seien es eine Millionen Rollen Toilettenpapier pro Tag. Bis Ende des Jahres hat das Werk eine Ausnahmegenehmigung der Bezirksregierung Düsseldorf erhalten, um in fünf Schichten rund um die Uhr – auch an Wochenenden und Feiertagen – produzieren zu können.

Die Preise bleiben stabil

Entgegen der Befürchtungen, die das aktuelle Kaufverhalten bei Toilettenpapier wohl begründen, erklärt Essity, dass die Rohstofflager gefüllt seien und der Warenverkehr fließe. Selbst für den Notfall gebe es Pläne, die eine Versorgung mit Rohstoffen und damit die Produktion sichern würden. Trotz der immensen Nachfrage bleibt der schwedische Hersteller von Hygienepapier bei seinen Abgabepreisen – es sei aktuell nicht die richtige Zeit für Verhandlungen: „Unser primäres Ziel ist es, die Versorgung der Bevölkerung mit wichtigen, essenziellen Hygiene- und Gesundheitsprodukten zu sichern.“

Hakle wolle ebenfalls die zugesagten Preise stabil halten. Für das Unternehmen sei das eine Frage der ethischen Verantwortung: „Überhöhte Preise für Hygieneprodukte, wie sie von Einzelpersonen und unseriösen Verkäufern im Internet aufgerufen werden, lehnen wir entschieden ab und beurteilen dieses Verhalten als unsozial.“

Privater Verkauf im Netz zu Wucherpreisen

Ein Blick in das Auktionsportal Ebay offenbart den privaten Weiterverkauf von Toilettenpapier zu Wucherpreisen: Eine handelsübliche Packung dreilagigen Recycling-Toilettenpapiers mit acht Rollen wird für satte 15 Euro angeboten, plus fünf Euro Versandkosten. Ein anderes Angebot: Je zwei Rollen Toilettenpapier, in Tüten abgepackt für einen Euro – auch das ein Vielfaches des Originalpreises. Andere wiederum zeigen sich solidarisch und bieten die Rarität als Geschenk an. „Wir würden es gerne an Senioren oder Leute aus der Risikogruppe verschenken, die es sich nicht leisten können, überall danach zu suchen", heißt es in einer solchen Anzeige.

Info: Die Geschichte des Toilettenpapiers

Die Anfänge des Toilettenpapiers führen nach China, in das 14. Jahrhundert. Damals waren die Blätter für heutige Verhältnisse noch ungewöhnlich groß: etwa 60 mal 90 Zentimeter. Der Rest der Menschheit machte sich das zu Nutze, was eben da war – Schafswolle, Blätter oder auch Stroh. Im alten Rom wusste man sich mit einem in Salzwasser getränkten Schwamm zu helfen, der an einem Stock befestigt war.

Ab dem 18. Jahrhundert entdeckten immer mehr Menschen den Nutzwert einer alten Zeitung für sich und schenkten ihr nach dem Lesen ein „zweites Leben“. Das erste kommerziell vertriebene Toilettenpapier kam in den USA 1857 auf den Markt. In Aloe Vera getränkt, wurde es blattweise in Boxen aufbewahrt. Toilettenpapier auf Rollen, wie es heute mit viel Glück in Supermarktregalen zu finden ist, tauchte Ende des 19. Jahrhunderts erstmals in den USA auf. Hersteller war die Scott Paper Company.

Hans Klenk brachte in den 1920ern die Toilettenpapierrolle nach Deutschland. 1928 gründete die Branchenlegende die erste deutsche Fabrik für Toilettenpapier in Ludwigsburg und baute die Marke Hakle auf. Das Versprechen damals: Jede Rolle sollte aus 1000 Blätter des rauen Krepppapiers bestehen. Während in der Nachkriegszeit wieder auf Zeitungspapier zurückgegriffen werden musste, eroberte in den Fünfzigerjahren das weiche Tissue-Papier aus den USA den deutschen Markt. Hakle brachte 1972 zweilagiges Toilettenpapier heraus, zwölf Jahre später sogar dreilagiges.