Düsseldorf. Der Kraftwerksbetreiber Uniper strebt eine klimaneutrale Stromerzeugung in Europa bis zum Jahr 2035 an. Greenpeace nennt das Ziel „scheinheilig“.

Um zu illustrieren, in welchem Spannungsfeld sich sein Konzern bewegt, zeigt Uniper-Chef Andreas Schierenbeck Bilder von Greta Thunberg und Donald Trump. Die Klimaschützerin und der US-Präsident tauchen an einer entscheidenden Stelle in der Unternehmenspräsentation zur Uniper-Jahresbilanz auf. Die Welt stehe vor einer konfliktgeladenen Herausforderung, sagt Schierenbeck. Es stelle sich die Frage, wie sich Klimaschutz bei wachsendem Energiebedarf erreichen lasse. Als Betreiber des umstrittenen Steinkohlekraftwerks Datteln steht Uniper im Zentrum der Auseinandersetzung.

Noch während Schierenbeck auf dem Podium in der Düsseldorfer Firmenzentrale über neue CO2-Ziele für die europäische Stromerzeugung des Konzerns spricht, verschickt die Umweltschutzorganisation Greenpeace eine E-Mail, in der mit Blick auf Uniper von „Verantwortungslosigkeit“ und „Scheinheiligkeit“ die Rede ist. Greenpeace-Sprecherin Lisa Göldner fordert, das Kraftwerk Datteln dürfe nie ans Netz gehen.

Kraftwerk Datteln soll Uniper „Ergebnisschub“ bringen

Schierenbeck indes bleibt dabei: Im Sommer soll der kommerzielle Betrieb der Anlage beginnen. Bei dem Kraftwerk, das ursprünglich schon vor Jahren vom Uniper-Vorgänger Eon an Netz hätte gebracht werden sollen, gebe es Fortschritte, und im Probebetrieb laufe es rund. Für das laufende Geschäftsjahr erwartet Uniper-Finanzchef Sascha Bibert einen „Ergebnisschub“ durch den Standort Datteln, der unter anderem die Deutsche Bahn und den Essener Konzern RWE mit Kohlestrom versorgen soll.

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Von Andreas Tyrock, Ulf Meinke und Stefan Schulte

Schierenbeck betont, das neue Großkraftwerk sei ein „wesentlicher Baustein“ des Plans, den der Vorstand für die Zukunft von Uniper entworfen habe. So strebt das Management nun eine klimaneutrale Stromerzeugung in Europa bis zum Jahr 2035 an. Derzeit fallen in diesem Bereich jährlich rund 22 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) an.

Konzernchef Schierenbeck verweist auf Rückgang bei CO2-Emissionen

Dass die Anlage in Datteln bis zum Jahr 2038 laufen soll, sei bei diesen selbstgesteckten Zielen kein Widerspruch, sagt Schierenbeck. CO2-Neutralität schließe die Möglichkeit ein, weiterhin Klimagase auszustoßen, solange diese in der Bilanz des Unternehmens an anderer Stelle „ausgeglichen werden“.

Auch auf die Proteste von Kohlegegnern in Datteln geht Schierenbeck bei der Bilanzpressekonferenz kurz ein. Engagement von Aktivisten begrüße er ausdrücklich, sagt der Konzernchef, doch es müsse friedlich und gesetzeskonform sein.

Die CO2-Emissionen von Uniper seien bereits deutlich zurückgegangen, berichtet Schierenbeck. Zwischen den Jahren 2016 und 2019 sei im Konzern der Ausstoß des Klimagases von 74 auf 47 Millionen Tonnen gesunken.

Von einer „neuen Uniper“ ist die Rede

Das Steinkohlekraftwerk in Gelsenkirchen-Scholven will der Düsseldorfer Energiekonzern in zwei Jahren stilllegen. Bis Ende 2022 werde Uniper die bestehenden drei Kraftwerksblöcke in Scholven und das Kraftwerk in der niedersächsischen Küstenstadt Wilhelmshaven mit einer Gesamtleistung von rund 1500 Megawatt stilllegen. Bis spätestens Ende 2025 sollen weitere 1400 Megawatt an den Standorten im hessischen Staudinger und im nordrhein-westfälischen Heyden vom Netz gehen. Das letzte Kohlekraftwerk von Uniper in Deutschland soll danach die Anlage in Datteln sein – mit rund 1100 Megawatt.

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Von einer „neuen Uniper“ ist bei der Bilanzpressekonferenz in Düsseldorf die Rede, ähnlich wie beim Essener Stromkonzern RWE. Vorstandschef Schierenbeck jedenfalls hebt hervor, dass es große Veränderungen bei der ehemaligen Eon-Tochter Uniper gebe. Bis zum Jahr 2022 wolle das Unternehmen 1,2 Milliarden Euro in Projekte investieren, „die den Übergang in eine CO2-reduzierte Energiewelt beschleunigen“. Neue konzerninterne Investitionskriterien sehen vor, dass sämtliche Vorhaben künftig auch zur Dekarbonisierung des Unternehmens beitragen sollen.

In Gelsenkirchen-Scholven Umstieg von Kohle auf Gas

Schierenbeck betont, dass mit dem angestrebten Verkauf eines Kraftwerks im ostdeutschen Schkopau das Kapitel Braunkohleverstromung für Uniper in Europa ende. Am Standort Gelsenkirchen-Scholven werde der Betrieb des bisherigen Kohlekraftwerks auf Gas umgestellt. Zudem habe Uniper den Zuschlag für den Bau eines neuen Gaskraftwerks in Süddeutschland im Auftrag des Netzbetreibers Tennet erhalten. Die Anlage „Irsching 6“ soll in Zukunft in Notsituationen einspringen, wenn die Systemsicherheit der Energieversorgung gefährdet sei.

Der Uniper-Konzern, in dem große Teile der Essener Traditionsfirma Ruhrgas aufgegangen sind, ist auch einer der größten Gasimporteure und Gasspeicherbetreiber in Europa. So wirkt das nordrhein-westfälische Unternehmen unter anderem beim umstrittenen russischen Pipelineprojekt Nord Stream 2 mit. Konzernchef Schierenbeck betont, Gas spiele bei der Energiewende sowie für eine sichere Versorgung „eine Schlüsselrolle“ und werde einen Schwerpunkt bei der künftigen Uniper-Strategie haben. Das Geschäft mit Gas will Schierenbeck weiter ausbauen.