Essen/Berlin. Den Stellenabbau beim Kohleausstieg federt der Staat mit 4,8 Milliarden ab. Der Streit um die Inbetriebnahme von Datteln 4 spitzt sich indes zu.
Beim Kohleausstieg soll betroffenen Arbeitnehmern in den Kohleregionen mit bis zu 4,8 Milliarden Euro der Übergang in die Rente erleichtert werden. Das geht aus dem Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums für das Kohleausstiegsgesetz hervor, der unserer Redaktion vorliegt. Zwei Drittel soll der Bund bezahlen, ein Drittel die betroffenen Bundesländer. Für Steinkohle-Beschäftigte, die in den Kraftwerken arbeiten, sieht das Gesetz dabei rund 1,2 Milliarden Euro vor.
Das Anpassungsgeld können Arbeitnehmer bekommen, die in Braun- oder Steinkohlekraftwerken arbeiten, mindestens 58 Jahre alt sind und wegen des Kohleausstiegs bis zum Jahr 2038 den Job verlieren. Es kann einen Zeitraum von höchstens fünf Jahre bis zum Renteneintritt überbrücken.
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Der Gesetzentwurf sieht allerdings auch vor, dass Betreiber von Steinkohlekraftwerken, die nach dem Jahr 2026 zwangsweise vom Netz gehen, vom Bund keine Entschädigungen erhalten. Von der Regelung wäre insbesondere der Essener Energiekonzern Steag betroffen. Das vergleichsweise junge Kraftwerk Duisburg-Walsum etwa könnte deutlich länger laufen und müsste ohne Entschädigung abgeschaltet werden müssen.
Nachteile für die Steag erwartet
Noch im Herbst hatte die Steag deshalb „Stilllegungsauktionen bis zum Jahr 2030“ gefordert. „Andernfalls drohen lange Rechtsstreitigkeiten“, hatte ein Unternehmenssprecher im November erklärt. Im Gesetzesentwurf, der voraussichtlich am 29. Januar vom Bundeskabinett in Berlin verabschiedet werden soll, endet die Entschädigungsfrist aber bereits Ende 2026.
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An dem geplanten Kohleausstiegsgesetz hagelt es Kritik. „Der Gesetzentwurf ist eine Nullnummer“, sagte Oliver Krischer, Vizevorsitzender der Grünen-Bundestagsfraktion, unserer Redaktion. Im Fokus seiner Kritik steht die geplante Inbetriebnahme des Uniper-Steinkohlekraftwerks in Datteln. „Die Inbetriebnahme von Datteln 4 wird abgesichert, ohne dass an anderer Stelle das zusätzliche CO2 eingespart wird. Letztlich werden so deutlich mehr klimaschädliche Treibhausgase ausgestoßen, als es der gesellschaftliche Kompromiss in der Kohlekommission vorgesehen hat“, so Krischer. „Zur Feier des Kohleausstiegs wird jetzt erst einmal ein Kohlekraftwerke in Deutschland ans Netz genommen. Das kann man niemanden erklären.“
Kritik an Inbetriebnahme von Datteln 4 wächst
Inzwischen hat auch die Bundesregierung eingeräumt, dass die Inbetriebnahme von Datteln 4 zusätzliche CO2-Emissionen hervorrufen werde. Sie will dies durch den Abbau anderer Kapazitäten aber voll kompensieren. „Unterm Strich“ werde es durch die geplante Inbetriebnahme von Datteln 4 also nicht zu mehr CO2-Emissionen kommen. „Das wird der Stilllegungspfad Steinkohle berücksichtigen und zeigen“, teilte das Ministerium mit. Die Arbeiten daran liefen, der „Stilllegungspfad“ werde Bestandteil des Kohleausstiegsgesetzes sein. Datteln 4 sei „für die Versorgungssicherheit und das Gesamtsystem wichtig“, betonte das Ministerium. Es besitze unter anderem „eine zentrale Funktion für die Wärmeversorgung in der Region“.
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Das umstrittene Kraftwerk soll im Sommer angefahren werden. Unterstützung dafür signalisiert auch die Landes-SPD. „Die NRW-SPD hat kein Problem damit, dass mit Datteln 4 ein neues Steinkohlekraftwerk ans Netz gehen soll. Wir akzeptieren Datteln 4 jetzt“, sagte Sebastian Hartmann, Vorsitzender der NRW-SPD.. Die Inbetriebnahme sei „ein politisch notwendiger Kompromiss“ zwischen der Energie-Versorgungssicherheit und dem Abschied von der Kohle- und Atomverstromung.
Mitglieder der Kohlekommission fühlen sich „schlichtweg betrogen“
Derweil reagiert die Bundes-SPD auf die immer lauter werdende Kritik am Kohleausstiegsgesetz. Matthias Miersch, Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion, sprach sich dafür aus, dass sich Bundesregierung und Kohlekommission sich erneut zusammensetzen. „Der in der Kommission erarbeitete gesellschaftliche Konsens ist sehr wertvoll“, sagte Miersch. „Wenn jetzt mehrere Mitglieder der Kommission den Konsens gefährdet sehen, dann muss offen darüber geredet werden.“
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Mit der vergangene Woche erzielten Bund-Länder-Einigung sei der ursprüngliche Kompromiss der Kommission „klar und sehr einseitig“ verlassen worden, kritisierten die ehemalige Co-Vorsitzende der Kommission, Barbara Praetorius, sowie Kai Niebert vom Deutschen Naturschutzring, Felix Matthes vom Öko-Institut und der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber.
„Hier wird ein gesellschaftlicher Frieden, der vereinbart worden war, leichtfertig verspielt“, sagte Praetorius am Dienstag in Berlin. Acht von 28 Kommissionsmitglieder veröffentlichten eine Stellungnahme, in der sie den Bundestag aufrufen, zum vereinbarten Pfad zurückzukehren.
Die ehemaligen Kommissionsmitglieder kritisieren, dass der für den Kohleausstieg notwendige Ausbau der erneuerbaren Energien noch nicht Teil des Kompromisses ist. Niebert sagte, er fühle sich von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den beteiligten Ministerpräsidenten „schlichtweg betrogen“.