Düsseldorf. Der finnische Konzern Fortum ist bei der Übernahme der früheren Eon-Tochter Uniper fast am Ziel. Konzernbetriebsrat warnt vor einer Zerschlagung.
Der damalige Vorstandschef Klaus Schäfer kam zu einem glasklaren Urteil, als Fortum vor gut zwei Jahren groß bei Uniper einsteigen wollte. Von einem „feindlichen Vorstoß“ des finnischen Staatskonzerns sprach Schäfer unverblümt. Schließlich war es sein Plan, die einstige Eon-Tochter als unabhängigen Energiekonzern mit Sitz in Düsseldorf zu etablieren. Dass Eon-Chef Johannes Teyssen jedoch bereit war, die 47-Prozent-Beteiligung des Essener Energiekonzerns an Uniper in die Hände eines Konkurrenten zu geben, stieß auf Schäfers vehementen Widerstand.
Eine monatelange Schlacht gegen die feindliche Übernahme von Fortum begann. Doch wie sich nun herausstellt, ist der Abwehrkampf sehr wahrscheinlich erfolglos geblieben. Eon hat sein Aktienpaket längst an Fortum verkauft, Uniper wird von einer neuen Führungsriege gesteuert – und jetzt will sich das finnische Unternehmen auch die Mehrheit der Uniper-Anteile sichern. Damit verliert das nordrhein-westfälische Unternehmen, das rund 11.000 Mitarbeiter beschäftigt, aller Voraussicht nach seine Unabhängigkeit.
Uniper verliert Status der Eigenständigkeit
Wie Fortum am Dienstag mitteilte, gibt es eine Einigung mit den Finanzinvestoren Elliott und Knight Vinke über einen milliardenschweren Deal. Demnach kauft Fortum von den beiden Investoren mehr als 20,5 Prozent der Uniper-Anteile für rund 2,3 Milliarden Euro. Der Anteil von Fortum an Uniper würde sich damit auf mehr als 70,5 Prozent erhöhen.
Nach dem Abschluss der Transaktion will Fortum das Düsseldorfer Unternehmen als Tochterfirma führen. Der NRW-Konzern – ein wichtiger Arbeitgeber in Düsseldorf und im Ruhrgebiet – verliert den Status der Eigenständigkeit.
Das Geschäft steht allerdings unter einem Vorbehalt: Behörden in Russland und in den USA müssen noch zustimmen, wie das finnische Unternehmen erklärte. Als selbstverständlich galt dies bislang nicht. Bisher schien es, eine Mehrheitsübernahme von Fortum bei Uniper scheitere an einem Veto aus Russland.
Fortum-Chef Pekka Lundmark gab sich optimistisch und meldete sich in einer Telefonkonferenz für internationale Analysten und Journalisten zu Wort. „Wir haben heute einen wichtigen Schritt gemacht, um ein führendes Unternehmen in der europäischen Energiewende zu schaffen“, schwärmte Lundmark. „Ich bin davon überzeugt, dass dies hochinteressante Chancen für beide Unternehmen und ihre Mitarbeiter bieten wird.“
Arbeitnehmervertreter von Uniper hatten in der Vergangenheit wiederholt vor einer Zerschlagung des NRW-Konzerns gewarnt. Viele wichtige Standorte von Uniper befinden sich im Ruhrgebiet, darunter Kraftwerke in Gelsenkirchen-Scholven und Datteln. Auch große Teile des Essener Traditionskonzerns Ruhrgas sind in Uniper aufgegangen.
„Gefahr einer Zerschlagung nicht gebannt“
„Die Gefahr einer Zerschlagung ist nicht gebannt“, sagte Uniper-Konzernbetriebsratschef Harald Seegatz im Gespräch mit unserer Redaktion. „Wir müssen die Situation erst analysieren. Wir sind in keiner Weise in die Schritte von Fortum eingeweiht gewesen.“ Fortum gehe weiterhin „ohne jegliche Abstimmung oder Einbindung der Beschäftigten“ vor. Seegatz, der auch stellvertretender Aufsichtsratschef von Uniper ist, kritisierte das Vorgehen mit scharfen Worten: „Es ist für uns nach wie vor vollkommen unverständlich und inakzeptabel, dass Fortum seine Strategie in Bezug auf Uniper den Beschäftigen nicht erläutert hat. Das ist eine in Deutschland einzigartig negative Vorgehensweise.“ Verdi-Konzernbetreuer Immo Schlepper äußerte sich ähnlich. „Das ist eine in Deutschland einmalige Vorgehensweise“, sagte er.
Fortum erklärte in einer Mitteilung, das Unternehmen verpflichte sich, „die Interessen der Arbeitnehmer zu schützen“. So werde Fortum bestehende Betriebsvereinbarungen, Tarifverträge und sonstige Vereinbarungen sowie die Tarifzuständigkeit auf Arbeitgeberseite und das bestehende Mitbestimmungsniveau im Aufsichtsrat respektieren. Darüber hinaus werde Fortum im Zuge der Transaktion Uniper nicht zu betriebsbedingten Kündigungen oder zur Verlegung des Firmensitzes aus Düsseldorf veranlassen.
Fortum will zunächst auf Beherrschungsvertrag verzichten
Zudem will Fortum nach eigenen Angaben „für mindestens zwei Jahre“ auf einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag verzichten. Im Umfeld von Fortum wird betont, es gehe bei der Übernahme der Mehrheit eben nicht um ein Durchregieren oder eine Beherrschung von Uniper, sondern um einen Neustart mit einer konstruktiven Zusammenarbeit.
„Ich habe Verständnis für die Sorgen der Uniper-Mitarbeiter“, beteuerte Fortum-Chef Lundmark. „Ich stehe dafür ein, dass Fortum ein starker und zuverlässiger Eigentümer sein wird, der Uniper und seinen Mitarbeitern attraktive Perspektiven bietet.“
Uniper-Konzernbetriebsratschef Seegatz reagierte darauf mit den Worten: „Wir vernehmen den jüngsten Äußerungen von Herrn Lundmark, dass er bereit ist, zukünftig in einen konstruktiveren Dialog mit den Beschäftigten einzutreten. Wir sind dazu gerne bereit, dann immer in direkter Abstimmung zwischen Arbeitnehmervertretern des Aufsichtsrates, Gewerkschaften und Vertretern der betrieblichen Mitbestimmung.“
Ehemaliger Thyssenkrupp-Manager Schierenbeck mit Schlüsselrolle
Ob es tatsächlich zu einer Annäherung kommt? Lundmark betonte, es habe gute Gespräche mit dem neuen Management von Uniper gegeben. Erst vor wenigen Wochen hat der frühere Thyssenkrupp-Manager Andreas Schierenbeck den Vorstandsvorsitz von Uniper übernommen. Klaus Schäfer musste schon vor einigen Monaten sein Amt wegen einer Krebserkrankung niederlegen.
Uniper hat sich als global agierendes Unternehmen positioniert, das Energie erzeugt, handelt und vermarktet. Kraftwerke von Uniper befinden sich nicht nur in Deutschland und Europa, sondern auch in Russland. Außerdem verfügt Uniper über große Erdgasspeicher. Im Jahr 2018 belief sich der Umsatz von Uniper auf rund 78,2 Milliarden Euro.
Fortum beschäftigt rund 8000 Mitarbeiter in den nordischen und baltischen Ländern, Russland, Polen sowie Indien. Im Jahr 2018 lag der Umsatz von Fortum Unternehmensangaben zufolge bei 5,2 Milliarden Euro. Der finnische Konzern ist mehrheitlich in Staatsbesitz. Gemeinsam mit Uniper hätte Fortum mehr als 20.000 Beschäftigte.
„Werden vehement für Absicherung der Arbeitsplätze kämpfen“
Einen Abschluss der Transaktion erwartet Fortum bis zum Ende des ersten Quartals 2020. Man befinde sich in Gesprächen mit den russischen Behörden und habe bereits eine Voranmeldung bei der zuständigen russischen Federal Antimonopoly Service (FAS) eingereicht, teilte das Unternehmen mit. Es sei keine weitere Freigabe durch die Europäische Kommission erforderlich, denn Fortum habe bereits im Jahr 2018 von der EU-Kommission eine bedingungslose Freigabeentscheidung erhalten.
Mit den Arbeitnehmervertretern dürften indes Verhandlungen anstehen. Konzernbetriebsratschef Seegatz bemängelte, in Bezug auf die Absicherung von Unternehmensteilen, Standorten und mit Blick auf etwaige Beschäftigungsgarantien habe Fortum den Arbeitnehmervertretern bislang „keinerlei Vorschläge“ unterbreitet. „Wir werden vehement für die Absicherung der Arbeitsplätze kämpfen“, kündigte Seegatz an.