Essen. Im Weihnachtsgeschäft werden deutlich mehr Paketlieferungen erwartet. Wie viele Saisonkräfte Amazon, DHL, Hermes & Co. diesmal brauchen: Umfrage.
Dieses Jahr werden erneut deutlich mehr Weihnachtsgeschenke vom Paketboten gebracht: Die Post-Tochter DHL erwartet eine im Vorjahresvergleich um sechs bis acht Prozent wachsende Zustellmenge, wie der Branchenführer unserer Redaktion sagte. Das bedeutet auch mehr Lieferstress in der Adventszeit. Wie die Konkurrenz benötigt DHL dafür erneut zusätzliches Personal. Insgesamt werden Zehntausende Saison- und neue Stammkräfte für die Zustellung und in den Verteilzentren eingestellt, ergab unsere Umfrage unter den größten Logistikern und Versandhändlern in Deutschland.
„Insgesamt werden wir bis Weihnachten 5000 neue Stammkräfte und rund 10.000 Aushilfskräfte einstellen“, erklärte DHL auf Anfrage. Die Zahl der Aushilfen fürs Adventsgeschäft bleibe stabil, weil mehr Stammpersonal zur Verfügung stehe. Eine Entwicklung, die beim Versandhandelsriesen Amazon als größtem Auftraggeber der Zusteller noch weiter geht: „Wir benötigen weniger Saisonkräfte als im Vorjahr, weil wir mehr dauerhaft Beschäftigte haben. Besonders unser neues Verteilzentrum in Mönchengladbach, das wir derzeit hochfahren, wird uns im Weihnachtsgeschäft sehr helfen“, sagte ein Amazon-Sprecher. Eine Zahl nennt er nicht, in jedem der 13 Logistikzentren würden „einige Hundert“ Saisonkräfte benötigt. In den vergangenen Jahren war stets von rund 13.000 bundesweit die Rede, dieses Jahr also etwas weniger.
Hermes braucht 6500 Saisonkräfte
Der Paketdienst DPD Deutschland gab an, in den Wochen vor Weihnachten wie im Vorjahr rund 4000 zusätzliche Arbeitskräfte zu beschäftigen, zu etwa gleichen Teilen in der Zustellung und in den Verteilzentren. GLS erklärte, „3000 zusätzliche Arbeitskräfte“ in der anstehenden Hochsaison zu benötigen. Hermes beschäftigt 6500 eigene Saisonkräfte und Zeitarbeiter zusätzlich, 200 mehr als im Vorjahr. Sie werden vor allem im Warenumschlag in den Logistik-Centern eingesetzt, aber auch in der Zustellung. „In der Spitze werden um Weihnachten bis zu 15.000 Zusteller für Hermes im Einsatz sein“, heißt es – das sind rund 2000 mehr als 2018. UPS nannte nur globale Zahlen, demnach benötige das US-Unternehmen wie im Vorjahr weltweit 100.000 Aushilfen für das Weihnachtsgeschäft.
Den vor Weihnachten ohnehin besonders dichten Stadtverkehr werden also noch mehr Lieferwagen mit unter großem Zeitdruck stehenden Fahrern bereichern. Durch den jedes Jahr zunehmenden Konkurrenzkampf um zusätzliches Personal in diesem wachsenden Markt klettern inzwischen auch die Löhne. DHL zahlt nach eigenen Angaben Aushilfen in der Paketzustellung „mindestens 13,65 Euro pro Stunde“, plus anteilige Zulagen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld. Der US-Zusteller UPS, in Deutschland die Nummer zwei, wirbt für aktuelle Weihnachtsaushilfen in der Zustellung mit 15,74 Euro Stundenlohn.
Verdi: Niedriglöhne bei Subunternehmern
Die Gewerkschaft Verdi moniert, es gebe einen zweigeteilten Arbeitsmarkt in den Paketdiensten; mit festen Tarifangestellten bei DHL und UPS auf der einen Seite und auf der anderen Hermes, DPD, GLS und Amazon, die „auf der letzten Meile ausschließlich mit Subunternehmern“ arbeiteten, wie ein Verdi-Sprecher sagte. Und: „Leider stellen wir fest, dass im Bereich der Sub- und Subsubunternehmen die Arbeitsbedingungen vielfach prekär oder gar katastrophal sind. Ausweislich der Razzien der Finanzkontrolle Schwarzarbeit wird systematisch gegen das Arbeitszeitgesetz, das Mindestlohngesetz und gegen Sozialversicherungsrecht verstoßen.“ Die oft aus Osteuropa stammenden Beschäftigten würden ihre Rechte oft nicht kennen. Verdi fordert deshalb mehr Kontrollen und die Tarifbindung aller Paketdienste und ihrer Subunternehmen.
DPD verwahrt sich dagegen, man lasse sich sowohl von seinen Partnerunternehmen als auch von den Fahrern selbst regelmäßig Belege zeigen. Und. „Weil Fahrer händeringend gesucht werden, reicht der Mindestlohn in der Regel ohnehin nicht mehr aus, um Menschen für diesen Job zu begeistern“, sagt Unternehmenssprecher Peter Rey. DPD wolle daher auch sein Netz mit eigenen Zustellern ausbauen.
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Amazon wirbt damit, Saisonkräfte erhielten den gleichen Lohn wie unbefristete Mitarbeiter. Das sind etwa im Logistikzentrum Rheinberg laut aktuellen Stellenausschreibungen 11,61 Euro die Stunde. Wie in den vergangenen Jahren auch wird Verdi versuchen, das Weihnachtsgeschäft mit Streiks zu stören. Die Gewerkschaft will den höheren Einzelhandelstarif durchsetzen, Amazon lehnt Verhandlungen strikt ab und betont, es handle sich um Logistik, nicht um Handel. DHL zahlt in seinen Paketzentren nach eigenen Angaben für die einfachsten Aufgaben mindestens 11,99 Euro die Stunde.
Amazon: Dreifache Mengen vor Weihnachten
Was Kritiker des Onlinehandels als Versandwahnsinn bezeichnen, beschert der Branche in den Wochen vor Weihnachten einen Großteil ihrer Jahresumsätze. „An den hoch frequentierten Tagen bewältigen wir in unseren Verteilzentren das zwei- bis dreifache Volumen wie sonst üblich“, sagt ein Amazon-Sprecher. Je näher der Heiligabend rücke, desto mehr Pakete würden versandt. Zu Umsatzerwartungen in Deutschland äußert sich der Weltmarktführer nicht, aber die Menge der Versandartikel werde erneut steigen. Tatsächlich beginnt das Weihnachtsgeschäft aber just in diesen Tagen mit dem „Wareneingangs-Peek“, wie Amazon es nennt. Für die kommenden Wochen werden derzeit Unmengen an häufig abgerufenen waren eingelagert, „allein in Mönchengladbach 14 Millionen Artikel“.
DHL: 11 Millionen Pakete nur am 17. Dezember
Obwohl Amazon inzwischen teilweise auch selbst ausliefert, füttert der Versandriese damit die Zusteller, die alle Mühe haben, die gewachsenen Paketmengen sämtlich und pünktlich auszuliefern. GLS, das gerade ein neues Verteilzentrum im Essener Norden baut, gibt an, vor Weihnachten rund 50 Prozent mehr Pakete zu liefern als üblich. Denselben Wert nennt UPS. DHL kommt in den Tagen vor Weihnachten gar auf doppelt so viele Pakete wie im Jahresschnitt. Für den 17. Dezember erwartet die Logistiktochter der Post den Höhepunkt mit „bis zu elf Millionen Paketen“. Deshalb benötigt der gelbe Marktführer auch 12.000 zusätzliche Fahrzeuge. Erstmals würden in diesem Jahr auch 1000 der Streetscooter XL in der Paketzustellung eingesetzt, das größte Modell des elektrischen Lieferfahrzeugs, das in Aachen von der Post-Tochter gefertigt wird.
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DPD hat nach eigenen Angaben übrigens einen anderen Wachstumsweg eingeschlagen: Man konzentriere sich wegen „des verschärften Marktumfelds und massiver Kostensteigerungen auf margenträchtigere Segmente wie etwa den grenzüberschreitenden Versand“, teilte das Unternehmen mit. Deshalb erwarte DPD für dieses Weihnachtsgeschäft keine steigenden Zustellmengen.