Duisburg. Der Paketdienst DPD steht vor dem Arbeitsgericht in Duisburg. Der Verdacht: Das Unternehmen betreibt jahrelanges und systematisches Mobbing.

Knapp drei Jahre lang schien sich die Lage für den Arbeitgeber DPD Deutschland in Duisburg-Hüttenheim beruhigt zu haben. Doch diese Ruhe war offenbar trügerisch: Am vergangenen Donnerstag stand die DPD vor dem Arbeitsgericht wegen „Abmahnung und Verletzung des Persönlichkeitsrechts“ – oder kurz gefasst: jahrelanges, systematisches Mobbing.

So geht es aus der Klageschrift hervor, die der Redaktion vorliegt. Der vordergründige Anlass: Die DPD hatte einem Teamleiter für die Beladung eines Lieferwagens zwei Abmahnungen am 25. und 26. April geschickt. Der Teamleiter soll durch sein Verhalten einen Rückstau bei den Beladerutschen verursacht haben, so dass die Anlage zum Stillstand kam. Darüber hinaus soll er seinen Arbeitgeber nicht fristgerecht über einen Arztbesuch informiert haben.

DPD muss Abmahnungen aus der Personalakte entfernen

Vor dem Arbeitsgericht hingegen stellte sich heraus, dass mehrere Mitarbeiter des Teamleiters ihre Arbeit verweigert hatten, weil sie nicht mit ihrem Leiter zusammenarbeiten wollten. Die Arbeitsverweigerung führte letztlich zum Rückstau mit Bandausfall. Ebenso hatte man offenbar den abgemahnten Teamleiter nicht informiert, dass seine Schicht einen Tag später von 12.30 Uhr auf 11 Uhr vorgezogen wurde, so dass seine Meldung eines Arztbesuches bezogen auf den neuen Schichtbeginn zu spät eintraf. Vor Gericht konnten sich jedoch die Zeugen der DPD nicht mehr erinnern, dass der Teamleiter bei der Besprechung der vorgezogenen Schicht überhaupt anwesend war.

Auch für den Ausfall der Anlage wies der Teamleiter die Verantwortung zurück. Er schildert hingegen, wie ihm die Mitarbeiter die Zusammenarbeit verweigerten. Als er dies der Schichtleitung in der Teamleiterbesprechung meldete, habe man ihm nur gesagt: „Das ist dein Problem.“ Später sei der Teamleiter von der Schichtleitung aufgefordert worden, die Halle zu verlassen und in der Kantine zu warten, erst dann seien die Mitarbeiter wieder bereit, die Arbeit aufzunehmen. Beide Abmahnungen muss die DPD nun nach Aufforderung des Arbeitsgerichts wieder aus der Personalakte entfernen. Der Teamleiter sieht jedoch seine Autorität untergraben und die Arbeitsverweigerung „von höherer Stelle“ gedeckt. Für ihn ist dies auch nur die Spitze eines Eisberges.

Teamleiter soll fünf Jahre Ziel von Mobbinghandlungen gewesen sein

Seit fünf Jahren soll er das Ziel von Mobbinghandlungen durch den Arbeitgeber DPD sein. Vier ordentliche und eine außerordentliche Kündigung, eine degradierende Versetzung und gut 13 Abmahnungen hat das Unternehmen dem Teamleiter gegenüber in dieser kurzen Zeit ausgesprochen. „An einem Tag sogar acht Stück in wenigen Stunden“, berichtet der Betroffene kopfschüttelnd.

Bis auf eine Abmahnung musste DPD alle Kündigungen und Abmahnungen zurücknehmen, sie wurden durch Gerichte für unwirksam erklärt. Für den beschuldigten Teamleiter ein klares Zeichen: Man versuche ihn aus dem Betrieb heraus zu ekeln. Und nicht nur ihn. Der Beschuldigte gehöre zu einem Kreis kritischer Mitarbeiter, die 2013 die Betriebsratswahl infrage stellten und das Wahlverfahren wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten anfochten.

„Straf-Versetzungen“ in die Kantine

Unternehmenskultur von DPD

„Das Unternehmen duldet keine sexuellen Belästigungen. Ebenso wenig tolerieren wir sogenanntes Mobbing. Anzeichen hierfür sind insbesondere Verleumdungen eines Mitarbeiters oder seiner Familie, Verbreiten von Gerüchten, Drohungen, Erniedrigungen, Beschimpfungen, Schikanen, ehrverletzende oder unwürdige Behandlungen durch Vorgesetzte oder Kollegen sowie absichtliches Zurückhalten von arbeitsnotwendigen Informationen.“ So steht es im Code of Conduct, der Unternehmenskultur, von DPD Deutschland.

Auf Anfrage der Redaktion teilt die Pressestelle der DPD mit, sich zu arbeitsrechtlichen Prozessen nicht äußern zu wollen.

Seitdem, so der Teamleiter, hätten die Mobbinghandlungen gegen ihn und die Mitstreiter begonnen. Denn Teile des damals angegangenen Betriebsrats seien ebenfalls in verantwortungstragenden, vorgesetzten Positionen. Von mehreren „Straf-Versetzungen“ in die Kantine bis zum Schichtende, von Degradierungen zum Ablader bis hin zur monatelanger Freistellung, von nachweislichen Falschaussagen eines betriebsratsnahen Mitarbeiters ist die Rede. All das, vermutet der Betroffene, seien Versuche der bewussten Erniedrigung, Entwürdigung und Bloßstellung durch die verantwortlichen Vorgesetzten in seinem Arbeitsumfeld.

Zwei Kollegen hätten auf Druck den Betrieb verlassen

Zwei seiner Kollegen hätten aufgrund des Drucks den Betrieb bereits verlassen. Das Arbeitsgericht jedoch folgte der Mobbing-Klage des Arbeitnehmers nicht. Der Arbeitgeber habe das Recht, Verhalten abzumahnen und Kündigungen auszusprechen.

Inzwischen soll DPD dem Teamleiter angeboten haben, gegen Abfindung den Betrieb zu verlassen. Auch der nächste Kündigungsversuch soll bereits anstehen. Der Teamleiter, Vater zweier Kinder, will aber bleiben: „Ich arbeite seit 15 Jahren im Depot Duisburg. Wenn ich gehe, hieße das, dass Mobbing in Deutschland geduldet wird.“