Essen. Führungswechsel bei Thyssenkrupp besiegelt: Martina Merz löst Guido Kerkhoff ab. Er erhält eine millionenschwere Abfindung. Die Höhe steht fest.

Ab jetzt führt erstmals eine Frau den Vorstand von Thyssenkrupp. Wie das Unternehmen am Montag mitteilte, hat der Aufsichtsrat den Wechsel an der Konzernspitze beschlossen. Die bisherige Thyssenkrupp-Aufsichtsratschefin Martina Merz löst Guido Kerkhoff ab. Nach nur etwas mehr als einem Jahr an der Spitze von Thyssenkrupp verlässt Kerkhoff das Unternehmen mit einer millionenschweren Abfindung. Die Höhe steht nun fest.

Nach Angaben von Insidern soll Kerkhoff mehr als sechs Millionen Euro erhalten. Die genauen Zahlen veröffentlicht das Unternehmen in der Bilanz für das Geschäftsjahr 2018/19, die am 21. November vorgelegt wird.

Vor wenigen Tagen hatte sich der Personalausschuss des Thyssenkrupp-Aufsichtsrats für Verhandlungen mit Kerkhoff über eine „zeitnahe“ Beendigung des Vorstandsmandats ausgesprochen. Das ist mittlerweile geschehen. Am Montag erklärte das Unternehmen, der Aufsichtsrat habe bereits am vergangenen Freitag in einer außerordentlichen Sitzung einstimmig beschlossen, dass Martina Merz für eine Dauer von maximal zwölf Monaten in den Konzernvorstand entsandt wird. Mit Kerkhoff, der einen Fünf-Jahres-Vertrag hatte, einigte sich der Aufsichtsrat auf eine „einvernehmliche Auflösung“ seines Mandats.

Was wird nun auf der Aufzugsparte mit 53.000 Mitarbeitern?

„Ich danke Guido Kerkhoff für seinen Einsatz für Thyssenkrupp“, sagte Merz. Er habe im vergangenen Jahr in einer schwierigen Situation als Vorstandschef „Verantwortung übernommen und sich nicht weggeduckt“. Das verdiene „großen Respekt“.

Mit Spannung wird erwartet, was jetzt aus der Aufzugsparte mit rund 53.000 der insgesamt 160.000 Beschäftigten von Thyssenkrupp wird. Kerkhoff hatte sich ursprünglich für einen Teil-Börsengang der Sparte ausgesprochen, damit Geld in die Konzernkasse kommt. Mittlerweile gilt auch ein Komplett-Verkauf des Aufzuggeschäfts als denkbar.

Ihre Wege trennen sich: Guido Kerkhoff muss das Unternehmen verlassen, die Krupp-Stiftung mit ihrer Chefin Ursula Gather (links) begrüßt den Wechsel. Martina Merz (rechts) führt nun den Vorstand von Thyssenkrupp.
Ihre Wege trennen sich: Guido Kerkhoff muss das Unternehmen verlassen, die Krupp-Stiftung mit ihrer Chefin Ursula Gather (links) begrüßt den Wechsel. Martina Merz (rechts) führt nun den Vorstand von Thyssenkrupp. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Dabei gilt die Sparte als lukrativster Teil von Thyssenkrupp. Mit rund 18 Milliarden Euro wird ihr Wert deutlicher höher eingeschätzt als die Marktkapitalisierung von Thyssenkrupp an der Börse, die zuletzt bei weniger als acht Milliarden Euro lag. Möglicherweise habe Kerkhoff Plänen des Thyssenkrupp-Großaktionärs Cevian im Weg gestanden, heißt es. Der Finanzinvestor macht schon seit geraumer Zeit bei Thyssenkrupp Druck. Unternehmensinsider berichten indes auch von einem gestörten Vertrauensverhältnis zwischen Kerkhoff und wichtigen Aufsichtsratsmitgliedern.

„Wir schauen jetzt nach vorn“

„Wir schauen jetzt nach vorn und setzen die strategische Neuausrichtung fort“, betonte die neue Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz in einer offiziellen Mitteilung. „Im neuen Vorstandsteam werden wir mit der erforderlichen Konsequenz die strukturellen Entscheidungen treffen, die jetzt anstehen.“

Thomas Hechtfischer von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) sieht indes den Führungswechsel kritisch. „Es ist ein seltsamer Vorgang, den Vorstandschef zu feuern, ohne etwas an der Strategie zu ändern“, sagte Hechtfischer im Gespräch mit unserer Redaktion. „Ich kann nicht erkennen, was der Rauswurf besser machen soll.“

Neben Merz gibt es mit Klaus Keysberg ein weiteres neues Vorstandsmitglied bei Thyssenkrupp. Keysberg, der bisherige Chef der Sparte Werkstoffhandel, soll sich als zusätzliches Mitglied des Konzernvorstands um die Stahlwerke und den Werkstoffhandel kümmern, also um das künftige Thyssenkrupp-Kerngeschäft mit großen Standorten in NRW.

Früherer Siemens-Vorstand führt nun den Thyssenkrupp-Aufsichtsrat

„Das neue Vorstandsteam wird das Vertrauen der Kapitalmärkte, der Anteilseigner sowie der Kunden und Mitarbeitenden in unser Unternehmen stärken“, sagte der neue Thyssenkrupp-Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm, ein ehemaliger Siemens-Vorstand, der Martina Merz im Kontrollgremium nachfolgt. „Wir als Aufsichtsrat sind überzeugt davon, dass Martina Merz jetzt die Richtige an der Spitze des Unternehmens ist. Sie hat langjährige Managementerfahrung und kennt das Unternehmen gut.“

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Die Essener Krupp-Stiftung, der größte Aktionärin des Konzerns, erklärte mit Blick auf den Führungswechsel: „Der Schritt ist richtig, damit die im Frühjahr beschlossene und dringend notwendige Neuausrichtung jetzt zügig verfolgt und umgesetzt werden kann.“ Es sei das Anliegen der Stiftung, Anteilseignerin „eines wettbewerbs- und dividendenfähigen Unternehmens mit zukunftssicheren Arbeitsplätzen“ zu sein.

In den vergangenen Tagen war über angebliche Forderungen aus dem Aktionärskreis nach einer Sonderdividende für den Fall eines Verkaufs des Thyssenkrupp-Aufzuggeschäfts spekuliert worden. „Der Stiftung ist die aktuell herausfordernde Lage des Unternehmens bewusst“, erklärte die Krupp-Stiftung am Montag in ihrer Mitteilung. „Sie versteht sich vor diesem Hintergrund umso mehr als verlässliche Ankeraktionärin, so wie sie auch die zuletzt dividendenschwachen und sogar die beiden dividendenlosen Geschäftsjahre im Interesse des Unternehmens mitgetragen hat.“