Essen. Zäsur bei Thyssenkrupp: Der Essener Konzern steigt aus dem Dax ab. Deka-Manager Ingo Speich rechnet nicht mit einem schnellen Wiederaufstieg.
Essen. Angesichts des Abstiegs aus dem Deutschen Leitindex Dax geht Fondsmanager Ingo Speich von der Sparkassen-Gesellschaft Deka hart mit dem Thyssenkrupp-Management ins Gericht. „Thyssenkrupp gilt am Aktienmarkt als Ankündigungsweltmeister“, sagte Speich im Interview mit unserer Redaktion. Daher sei entscheidend, dass das Management um Vorstandschef Guido Kerkhoff „nun liefert“. Eine schnelle Rückkehr in den Dax sei aber nicht wahrscheinlich, so Speich.
Herr Speich, kommt der Abstieg von Thyssenkrupp aus dem Dax für Sie überraschend?
Speich: Dass es dazu kommen würde, hat sich schon länger abgezeichnet. Durch den Dax-Abstieg wird abgebildet, was in der Vergangenheit schiefgegangen ist. Für die Aktionäre war es ein langer Leidensweg. Der Aktienkurs kannte zuletzt nur einen Weg: nach unten. Hier spiegelt sich ein gravierender Vertrauensverlust der Märkte wider.
Ist der Kursverfall aus Ihrer Sicht nachvollziehbar?
Speich: Ja, denn Thyssenkrupp hat sich als Unternehmen mit mangelnder Transformationsbereitschaft gezeigt. Der Bereitschaft, sich an die Gegebenheiten anzupassen, war nicht in ausreichendem Maße
vorhanden. Die Welt draußen hat sich schneller verändert als Thyssenkrupp. Darin liegt die besondere Tragik des Dax-Abstiegs.
Welche Verantwortung trägt dafür das Management?
Speich: Nach den massiven Fehlentscheidungen beim Bau der Stahlwerke in Brasilien und Alabama hat es zu lange gedauert, das Kapitel abzuschließen. Es ist zu viel Zeit während der Hochkonjunktur verloren gegangen. Das rächt sich nun. Das Management hat es versäumt, Thyssenkrupp vor konjunkturellen Risiken wetterfest zu machen.
Trauen Sie dem aktuellen Vorstand um Guido Kerkhoff zu, den Konzern wieder nach vorne zu bringen?
Speich: Kerkhoff kennt das Unternehmen wie kein zweiter. Für die Situation, in der sich Thyssenkrupp befindet, ist er in Teilen aber mitverantwortlich. Thyssenkrupp gilt am Aktienmarkt als Ankündigungsweltmeister. Entscheidend ist, dass das Management nun liefert.
Woran denken Sie konkret?
Speich: Im Fokus dürfte zunächst insbesondere das Aufzuggeschäft stehen. Durch Geld aus einem Börsengang oder einen Verkauf kann Thyssenkrupp die dringend erforderliche Handlungsfähigkeit zurückerlangen. Viel Zeit darf das Management dabei nicht verlieren. Je größer der Druck für Thyssenkrupp wird, desto leichter hat es ein Käufer.
Haben Thyssenkrupp-Aktionäre durch den Dax-Abstieg unmittelbare Nachteile?
Speich: Viel hat der Kapitalmarkt im Kursverlauf bereits vorweggenommen. Negativ dürfte zu Buche schlagen, dass Thyssenkrupp in bestimmten Index-Fonds nicht mehr vertreten ist.
Rechnen Sie mit einer Dax-Rückkehr von Thyssenkrupp in absehbarer Zeit?
Speich: Ich sehe keine schnelle Rückkehr in den Dax. Dafür sind die strukturellen Probleme des Unternehmens zu groß, unmöglich ist aber nicht.