Essen. Rote Zahlen, Gewinnprognose kassiert: Thyssenkrupp gerät stark unter Druck. Konzernchef Kerkhoff stellt Geschäfte auf den Prüfstand, auch in NRW.
Der Essener Traditionskonzern Thyssenkrupp ist tief in die roten Zahlen gerutscht. Vorstandschef Guido Kerkhoff muss erneut die Gewinnprognose nach unten korrigieren. Er reagiert, indem er Geschäfte mit Verlusten auf den Prüfstand stellt.
Ein Bündel von Problemen lastet auf Thyssenkrupp: Die Konjunktur schwächelt, weshalb beispielsweise die Nachfrage aus der Autoindustrie abnimmt. In der Stahlbranche sind die Rohstoffkosten insbesondere für Eisenerz massiv in die Höhe geschnellt.
Dies führte in den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres zu einem Nettoverlust des Konzerns in Höhe von 207 Millionen Euro – nach einem Nettogewinn von 189 Millionen Euro im Vergleichszeitraum, wie Thysssenkrupp am Donnerstagmorgen mitteilte. „Mit der Geschäftsentwicklung in den ersten neun Monaten können wir insgesamt nicht zufrieden sein“, räumte Kerkhoff ein. Die wichtige Stahlsparte verzeichnete einen Gewinneinbruch.
Thyssenkrupp muss erneut Gewinnprognose senken
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Vor dem Hintergrund der schwächer als erwarteten konjunkturellen Entwicklung und insbesondere der gestiegenen Rohstoffkosten für Eisenerz senkt Thyssenkrupp nun die Gewinnprognose für das laufende Geschäftsjahr 2018/2019. In der Vergangenheit hatte Kerkhoff bereits zwei Mal die Prognose nach unten geschraubt.
„Die negativen Mengen- und Margeneffekte haben insbesondere Auswirkung auf die Geschäfte mit Auto-Komponenten und Werkstoffen“, erklärte der Konzern am Donnerstagmorgen. Der bereinigte Gewinn vor Zinsen und Steuern („bereinigtes Ebit“) werde voraussichtlich bei rund 0,8 Milliarden Euro liegen – zuvor hatte Thyssenkrupp rund 1,1 Milliarden bis 1,2 Milliarden Euro erwartet. Der Vorjahreswert war 1,4 Milliarden Euro.
Der Konzern wird voraussichtlich erneut mehr Geld ausgeben als einnehmen, was sich an der Kennziffer „Free Cashflow vor M&A“ ablesen lässt. Hier rechnet Thyssenkrupp mit Mittelabflüssen von mehr als einer Milliarde Euro, im Vorjahr lag der Negativ-Wert noch bei 134 Millionen Euro.
Abbau von 6000 Arbeitsplätzen ohnehin beschlossen
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Thyssenkrupp hatte bereits angekündigt, 6000 Stellen abzubauen, wovon bis zu 2000 Stellen auf den Stahlbereich entfallen. Das Stahlgeschäft mit dem wichtigen Standort Duisburg ist unter Druck – das Ergebnis ging von 586 Millionen Euro auf nur noch 77 Millionen Euro zurück
Zusätzlich zu den bislang bekannten Einschnitten kündigte Kerkhoff an, mehrere Geschäftsbereiche mit insgesamt rund 9100 Beschäftigten auf den Prüfstand zu stellen. „Dass Geschäfte ohne klare Perspektive dauerhaft Geld verbrennen und damit Wert vernichten, den andere Bereiche erwirtschaftet haben, wird es jedenfalls in Zukunft nicht mehr geben“, sagte Konzernchef Kerkhoff.
Es gebe im Konzern Geschäfte, die trotz intensiver Anstrengungen derzeit nicht wettbewerbsfähig seien oder bei denen die aktuelle Marktsituation eine wettbewerbsfähige Aufstellung aus heutiger Sicht in Frage stelle. Das betreffe im Einzelnen die Geschäfte Federn und Stabilisatoren (Fahrwerkskomponenten für die Automobilindustrie, rund 3600 Mitarbeiter), System Engineering (Bau von Produktionsanlagen für die Automobilindustrie, rund 4700 Mitarbeiter) und Grobblech (massive Stahlbleche unter anderem für die Bauindustrie, den Schiffbau oder Pipelines, rund 800 Mitarbeiter).
Damit geht es auch um große Thyssenkrupp-Standorte in NRW. Das Grobblech-Werk befindet sich in Duisburg-Hüttenheim. Zum Geschäft mit Federn und Stabilisatoren gehören Standorte in Hagen und Olpe mit mehreren Hundert Beschäftigten.
Drei Geschäftsbereiche auf dem Prüfstand
Diese drei Bereiche stehen Konzernangaben zufolge für vier Prozent des Konzernumsatzes, aber für ein Viertel des im laufenden Geschäftsjahr erwarteten negativen Cashflows. „Ein Team von Sanierungsexperten wird nun Restrukturierungskonzepte für diese Prüfstand-Geschäfte erarbeiten“, teilte der Konzern mit. „Sollte eine Restrukturierung nicht gelingen oder nicht möglich sein, werden andere strategische Optionen geprüft werden“, hieß es weiter in einer Mitteilung des Konzerns.
„Wir werden das Potenzial der drei Geschäfte prüfen“, so Kerkhoff. „Für eine Weiterentwicklung sehen wir durchaus Chancen, aber nicht notwendigerweise unter dem Dach von Thyssenkrupp.“
Für Aufzugsparte auch Alternativen zum Börsengang möglich
Geld in die Kasse soll durch die Aufzugsparte (Elevator) kommen, die als Tafelsilber von Thyssenkrupp gilt. Die Vorbereitungen für den Börsengang des Aufzuggeschäfts laufen nach Angaben des Konzerns nach Plan. Je nach Kapitalmarktumfeld strebt Thyssenkrupp einen Börsengang im Laufe des Geschäftsjahres 2019/2020 an, wobei der Konzern die Mehrheit der Anteile behalten will.
Als potenzielle Käufer kommen aber auch Konkurrenten wie der Aufzugkonzern Kone oder Finanzinvestoren in Betracht. Kerkhoff erklärte dazu: „Wir bereiten den Börsengang für Elevator vor, prüfen aber auch die vorliegenden Interessensbekundungen potenzieller Interessenten. Das gilt auch für die anderen Geschäfte.“