Essen. Thyssenkrupp will ab 2050 klimaneutral sein. Dafür gibt es Lob vom Umweltschutzverband BUND: Klimaschutz sei für Thyssenkrupp „existenziell“.
Der Essener Stahl- und Industriekonzern Thyssenkrupp bekommt für seine Klimaschutzziele Lob vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Der Klimaschutz-Bewegung Fridays For Future reichen die Ankündigungen des Unternehmens allerdings nicht aus.
„Dass sich Thyssenkrupp das Ziel setzt, ein klimaneutrales Unternehmen zu werden, ist gut, aus unserer Sicht aber auch unumgänglich“, sagte Dirk Jansen, der Geschäftsleiter des BUND in NRW, im Gespräch mit unserer Redaktion. „Klimaschutz ist für Unternehmen wie Thyssenkrupp von existenzieller Bedeutung. Die Industrie in NRW hat nur eine Zukunft, wenn sie den Klimaschutz ernst nimmt und vorantreibt.“
Thyssenkrupp will den Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid innerhalb von zehn Jahren deutlich verringern. Bis zum Jahr 2030 sollen Emissionen aus eigener Produktion und eingekaufter Energie um rund 30 Prozent sinken, wie das Unternehmen mitteilte. Derzeit fallen pro Jahr etwa 24 Millionen Tonnen Kohlendioxid an. Ab dem Jahr 2050 will Thyssenkrupp klimaneutral sein, also in Summe keine Emissionen mehr verursachen.
Die Klimaschutz-Bewegung Fridays For Future (FFF) fordert ambitioniertere Ziele. „Die Klimaziele von Thyssenkrupp sind ein Fortschritt, aber bei weitem noch nicht ausreichend fürs 1,5 Grad Ziel“, sagte FFF-Aktivist Sebastian Grieme unserer Redaktion. Das Pariser Klimaschutz-Abkommen sieht vor, den Anstieg der globalen Temperatur bei weniger als zwei Grad und möglichst sogar bei nur 1,5 Grad zu stoppen. Grieme mahnte, Deutschland müsse bereits im Jahr 2035 klimaneutral sein, Thyssenkrupp plane dies aber erst für 2050. „Trotzdem wird immer klarer, dass die Technologien für Klimaneutralität schon vorhanden oder im Kommen sind“, fügte er hinzu.
„Zuweilen mehr gemeckert als gemacht“
„Wir stellen fest, dass es nach wie vor Unternehmen an Rhein und Ruhr gibt, die darüber jammern, dass sie den Ausstoß von Kohlendioxid verringern sollen“, kritisierte BUND-Geschäftsleiter Jansen. Auch Thyssenkrupp habe in der Vergangenheit „zuweilen mehr gemeckert als gemacht“. Dass es nun ein Umdenken gebe, sei „sehr zu begrüßen“.
Mit seiner eigenen Zielsetzung läutet Thyssenkrupp auch das Ende der Hochöfen in der Stahlerzeugung ein, bei deren Produktion Kohlendioxid-Emissionen unvermeidlich sind. Um Klimaneutralität zu erreichen, müsste der Konzern sämtliche Hochöfen durch sogenannte Direktreduktionsanlagen auf Wasserstoffbasis ersetzen.
Forschungsministerin Karliczek plant Besuch bei Thyssenkrupp
„Es hätte auch für andere energieintensive Unternehmen in Deutschland Signalcharakter, wenn Thyssenkrupp die Stahlproduktion von Kohle auf grünen Wasserstoff umstellen könnte“, sagte Jansen dazu. „Es kommt nun entscheidend darauf an, dass Thyssenkrupp willens und auch in der Lage ist, die notwendigen Investitionen für den Umbau insbesondere der Stahlerzeugung zu tätigen. Davon hängt die Zukunft von Deutschlands größtem Stahlstandort Duisburg ab.“
In der kommenden Woche wird Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) am Stahlstandort Duisburg erwartet. Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff will die Ministerin über die neue Klimastrategie des Konzerns informieren.
Am Standort Duisburg arbeitet Thyssenkrupp bereits daran, die Kohle in der Stahlherstellung durch Wasserstoff zu ersetzen. Ein Pilotprojekt für den Hochofen 9 in Duisburg-Hamborn hat der Konzern Mitte April präsentiert. Außerdem will Thyssenkrupp Kohlendioxid in Chemikalien umwandeln.
Ruf nach finanziellen Anreizen für Investitionen in CO2-Vermeidung
Thyssenkrupp-Vorstand Donatus Kaufmann hatte im Zusammenhang mit den konzerneigenen Klimaschutzzielen angemerkt, es fehle derzeit an „international harmonisierten finanziellen Anreizen für Investitionen in CO2-Vermeidungstechnologien“. Diese seien „Grundvoraussetzungen, um wirklich etwas zu verändern“.
Thyssenkrupp ist unlängst wieder in die roten Zahlen gerutscht. Die finanziellen Spielräume sind begrenzt. Grundsätzlich sieht BUND-Geschäftsleiter Jansen indes viel Potenzial für mehr Investitionen der Unternehmen in Klimaschutz. „Die Investitionsquote der deutschen Industrie ist – gemessen an den Gewinnausschüttungen – gering“, sagte Jansen. „Es sollte aber auch im Interesse der Eigentümer sein, den Umbau der Unternehmen in Richtung Klimaneutralität mit einer beherzten Investitionspolitik zu beschleunigen.“