Rüsselsheim. Er kommt aus Texas, wird "Big Ed" genannt und gilt als Übernahmeexperte: Ed Whitacre ist der neue Mann an der Spitze des Automobilherstellers General Motors. Er sorgte im Verwaltungsrat für die Absetzung des bisherigen Vorstandschefs Fritz Henderson, dann übernahm er dessen Posten.

Das Management von General Motors hätte sich denken können, dass es ungemütlich werden würde, sobald Ed Whitacre auftauchte. Seit Juli drückt der frühere Chef des Telefongiganten AT&T dem Opel-Mutterkonzern seinen Stempel auf. Nun sorgte der Vorsitzende des GM-Verwaltungsrats für den Abgang von Vorstandschef Fritz Henderson und übernahm die Konzernführung gleich mit.

"Big Ed" ist 1,93 Meter groß und kommt aus Texas

«Alle Beteiligten stimmen überein, dass Veränderungen notwendig sind», erklärte Whitacre in der Nacht zum Mittwoch. Das Tempo müsse beschleunigt werden, um GM wieder profitabel zu machen und die von den USA und Kanada gewährten Staatshilfen so rasch wie möglich zurückzuzahlen. Mit «Big Ed», wie der 1,93 Meter große Texaner von seinen Bewunderern genannt wird, sollte sich niemand anlegen. Seine Entschlossenheit und Durchsetzungsfähigkeit hat der ehemalige AT&T-Boss wieder einmal unter Beweis gestellt.

Der aus einem Vorort von Dallas stammende Whitacre hat am Image des Furchtlosen konsequent gearbeitet. Von dem 68-Jährigen wird berichtet, dass er auf seiner texanischen Ranch Klapperschlangen mit einem Stein tötet. Bekannter ist, dass er zwischen 1997 und 2007 den US-Telefonmarkt umkrempelte und die Traditionsfirma AT&T zu einem Kommunikationsgiganten mit knapp 120 Milliarden US-Dollar Umsatz und 310.000 Beschäftigten machte.

Seit Studententagen bei AT&T

Bei AT&T hatte Whitacre bereits als Student gejobbt, bevor er 1964 als frisch gebackener Wirtschaftsingenieur offiziell in die Firma eintrat. In den folgenden 20 Jahren kletterte der Texaner allmählich die Karriereleiter hinauf und brachte es zum Regionalpräsidenten von AT&T im US-Staat Kansas. Whitacres große Zeit begann, als der Quasi-Monopolist auf dem US-Telefonmarkt 1994 auf Betreiben des Regierung in eine landesweite Gesellschaft und sieben unabhängige Regionalgesellschaften zerlegt wurde.

Whitacre stand zu diesem Zeitpunkt an der Spitze der kleinsten Regionalgesellschaft SBC Communications und begann mit ihr eine beispiellose Expansionsstrategie. SBC kaufte im Jahrestakt regionale Telefonanbieter und Mobilfunkfirmen in den USA, Mexiko und Südafrika. 2005 schließlich gelang es Whitacre, die einstige Muttergesellschaft AT&T zu übernehmen, die sich in den Jahren zuvor vor allem auf das Geschäft mit Firmenkunden in aller Welt konzentriert hatte. Nach der Fusion blieb der Name AT&T.

Als Whitacre im Juni 2007 aus dem Amt schied, benannte der Konzern zum Dank die Firmenzentrale in «Whitacre Tower» um. Zudem erhielt er zum Abschied 159 Millionen US-Dollar. Vor dem Hintergrund dieser Erfolgsbilanz konnte es nicht verwundern, dass die US-Regierung auf den heute 68-Jährigen zurückgriff, als der Verwaltungsrat von General Motors im Juli neu besetzt werden musste. Zu diesem Zeitpunkt war der amerikanische Staat mit mehr als 60 Prozent der Anteile zum wichtigsten Gläubiger und Eigentümer von GM geworden.

"Meine oberste Verpflichtung gilt den Aktionären"

«Meine oberste Verpflichtung gilt den Aktionären, und der größte Aktionär ist der amerikanische Steuerzahler», erklärte Whitacre kurz nach seinem Amtsantritt. Der ehemalige Telekommunikationsmanager bekannte freimütig, dass er von Autos keine Ahnung habe. Dennoch funkte er dem GM-Management schon nach wenigen Wochen gehörig dazwischen. Nur mit Mühe gelang es Vorstandschef Henderson Anfang September nochmals, ein Votum des Verwaltungsrats für den Verkauf von Opel zu erhalten.

Schon damals galt Whitacre als wichtigster Bremser. Als Anfang November erneut über den Verkauf des deutschen Autobauers abgestimmt werden musste, hatte sich die Mehrheit im Sinne Whitacres gedreht. Er überließ es Henderson, sich anschließend für den Kurswechsel in Sachen Opel bei der Bundesregierung zu entschuldigen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war die Autorität von Henderson schwer angeknackst. So gesehen ist es nur konsequent, dass Whitacre nun die Führung bei GM selbst übernimmt. (ap)