Essen. In den Niederlanden feiert der Online-Supermarkt große Erfolge. Jetzt expandiert Picnic auch in NRW. Gründer Frederic Knaudt erklärt das Konzept.

In den Niederlanden ist Picnic bereits ein fester Begriff. Der Online-Supermarkt beliefert dort nach eigenen Angaben fast 200.000 Menschen. Seit dem vergangenen Jahr expandiert das Start-up auch nach Deutschland. In Neuss, Kaarst, Mönchengladbach und Krefeld beliefert das Unternehmen bereits einige Kunden mit Lebensmitteln.

Picnic steht in dem Geschäftsbereich in Konkurrenz mit Unternehmen wie Rewe, Aldi und Amazon. Gegründet wurde der Online-Supermarkt 2015 von vier Unternehmern in den Niederlanden. Dort stellten Investoren dem Start-up im vergangenen Jahr 100 Millionen Euro bereit, für die Expansion nach Deutschland standen zu Beginn 15 Millionen Euro Startkapital zur Verfügung.

Einer der Mitgründer von Picnic in NRW ist Frederic Knaudt. Im Interview erzählt er, warum er trotz der starken Konkurrenz an den Erfolg des Start-ups glaubt.

Welche Erfahrung haben Sie in dem Jahr gemacht, in dem Sie jetzt schon auf dem deutschen Markt sind?

Frederic Knaudt kann auf ein erstes erfolgreiches Jahr in Deutschland zurückblicken.
Frederic Knaudt kann auf ein erstes erfolgreiches Jahr in Deutschland zurückblicken. © Andre Fertich

Am Anfang war die Frage: Kann Picnic in Deutschland so funktionieren wie in den Niederlanden? Wenn man die anderen Anbieter auf dem Markt sieht, bekommt man den Eindruck, dass Deutschland ein schwieriges Pflaster in diesem Geschäftsbereich ist. Wir wurden eines Besseren belehrt: In Neuss läuft Picnic sehr gut. Mönchengladbach ist eine absolute Ausnahmestadt, dort brechen wir jegliche Rekorde, auch im Vergleich zu den Niederlanden. Wir bekommen jeden Tag Haushalte dazu und haben eine lange Warteliste an Kunden, die wir noch gar nicht beliefern können.

Wie funktioniert die Warteliste?

Zum Teil haben wir so einen großen Ansturm an Neu-Anmeldungen, dass wir erstmal unser Fahrer-Team und die Elektro-Lieferflotte erweitern müssen. Sobald ich als Kunde von der Warteliste freigeschaltet bin, kann ich mich darauf verlassen, dass ich immer zuverlässig und pünktlich beliefert werde.

Wie fällt das Feedback der Kunden nach einem Jahr aus?

Wir messen einen Score, wie die Kunden uns insgesamt bewerten. Der liegt bei 9 von 10. Ein normaler Supermarkt liegt eher zwischen -1 und 3. Auch ein Negativ-Score ist möglich. Die Kunden kaufen bei uns auch immer wieder ein, meistens ist es ein Wocheneinkauf.

Was unterscheidet Picnic von den anderen Diensten? Wie Rewe oder die DHL.

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Ein starkes Argument ist das Finanzielle: Wir sind der einzige Anbieter, der gratis liefert. Gleichzeitig aber auch nichts auf die Produktpreise obendrauf berechnet. Mit Picnic besteht das erste Mal die Möglichkeit, online zu bestellen, ohne das ich irgendeinen Nachteil dadurch habe. Bei allen anderen Anbietern ist das ein Luxus, den man sich ab und zu mal gönnt.

Wie genau finanzieren Sie sich denn?

Wir kaufen zu den gleichen Konditionen ein, wie die stationären Händler auch. Während diese damit aber Ladenlokale, Miete und Betriebskosten finanzieren, kümmern wir uns um die Auslieferung, weil wir den Kostenblock der Ladenlokale nicht haben. In der Auslieferung bündeln wir die Kundenbestellungen effizient. Außerdem schmeißen wir keine Lebensmittel weg, was nachhaltig ist und Kosten einspart. So schaffen wir es durch unsere schlanke und effiziente Logistikkette den Kunden günstigste Preise und eine gratis Lieferung zu garantieren.

Info: Die Lebensmittel bei Picnic sind über eine Smartphone-App bestellbar. Auf dem Display können die Kunden auch die Route ihres Fahrers verfolgen und abschätzen, wann er bei ihnen eintrifft. Für die Belieferung setzt Picnic vor allem Studenten ein.

Einen Wunschtermin komplett frei bestimmen können die Kunden jedoch nicht. Das Unternehmen spricht von einem Milchmann-Prinzip. Heißt: Ein Lieferant fährt nachmittags und abends zu einer bestimmten Zeit durch die Straßen in einem Lieferbezirk. Dann müssen die Kunden die Ware in Empfang nehmen. Das Zeitfenster umfasst 20 Minuten.

Gibt es noch weitere Unterschiede zu anderen Lieferdiensten?

Die Zustellung findet bei uns in einem Zeitfenster von 20 Minuten statt und über die App kann verfolgt werden, wo sich der Fahrer befindet. Für Kunden, die lange arbeiten ist es entspannt - wir liefern bis 22 Uhr aus. Außerdem gefällt vielen Kunden, dass wir mit Elektrotransportern fahren und unsere Auslieferer einen netten Eindruck an der Wohnungstür hinterlassen. Zu 30 Prozent sind das übrigens Frauen.

Bauen die Kunden dadurch ein Vertrauen zu Ihnen auf?

Es geht sogar so weit, dass die Kunden uns anrufen und sagen: „Ich bin morgen nicht da. Aber ich lege den Schlüssel unter die Matte.“ Das ist schon extrem, wie die Kunden uns da ihr Vertrauen schenken. Ähnlich wie das früher vielleicht beim Milchmann der Fall war, den man auch persönlich kannte.

Ist eine Expansion in Städte am Niederrhein oder im Ruhrgebiet geplant?

Wir gucken uns da momentan schon ganz konkret Städte an. Unser Kühllager ist in Viersen und von da können wir im Prinzip alle Städte erreichen, die in etwa 60 Minuten angefahren werden können. Das geht natürlich bis ins Ruhrgebiet, aber wir müssen noch einen optimalen Standort für unsere zentrale Verteilstation, den Hub, finden. Dieser sollte möglichst zentral im Liefergebiet liegen.

Welche Städte kommen für den Hub in Frage?

Eigentlich alle. Ab 50.000 Einwohnern oder Haushalten in der Nähe können wir an den Start gehen. Zum Teil können wir auch mehrere Städte zusammenfassen, wenn es kleinere sind. Um im Ruhrgebiet weiter zu expandieren, ist auch ein neues Kühllager denkbar.

Wie lange brauchen Sie, um so einen Hub aufzubauen?

Im ersten Jahr haben wir zwei Standorte eröffnet. 2019 sollen es mehr werden, sieben bis zehn Standorte sind realistisch. Es hängt natürlich davon ab, ob wir den richtigen Standort finden. In der Regel brauchen wir, sobald wir den Ort gefunden haben, ungefähr fünf Wochen, bis wir eröffnen und die erste Auslieferung machen können.

Info: Der Online-Handel mit Lebensmitteln konnte sich in Deutschland bislang nicht etablieren. Der Anteil am Gesamtumsatz des deutschen Lebensmittelhandels liegt bei etwas weniger als zwei Prozent. Marktführer ist momentan die Rewe-Gruppe, deren Lieferautos sind in 75 Städten unterwegs.

Erst sehr wenige Menschen nehmen diese Lieferdienste insgesamt an. Glauben Sie, dass es sich in Zukunft verändern wird?

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Solange es ein Luxus bleibt, werden Lebensmittel-Lieferdienste auch nur für einen kleinen Teil der Gesellschaft funktionieren. Während Liefergebühren bezahlt werden und die Produkte teurer sind als im Supermarkt, wird die Zielgruppe auch nicht vergrößert. In den Städten, wo wir jetzt unterwegs sind, haben wir 17.000 Kunden nach nicht mal einem Jahr gewonnen - in einem Liefergebiet von 200.000 Haushalten. Das ist schon signifikant.

Also es ist durchaus denkbar, dass diese Branche viel stärker wächst?

Schauen wir beispielsweise mal auf den Bereich Fashion. Niemand würde heutzutage noch einen Adidas-Schuh mit Liefergebühren verschicken. Das ist absurd. Die Anbieter, die online erfolgreich sind, sind nicht diejenigen, die stationär erfolgreich sind. Bei Rewe und anderen Händlern werden Kosten für die Auslieferung zusätzlich berechnet, weil das zum bestehenden Geschäft noch oben drauf kommt. Wir haben den Zwischenschritt mit den Filialen nicht.