Duisburg. Der „Influencer“ Aleks Filipovic redet offen über die dunklen Seiten des Netzwerkes. Jedes vierte Profil täuscht durch Tricks Beliebtheit vor.

Am linken Handgelenk trägt Aleks Filipovic eine Uhr des Herstellers Mvmt. Bezahlt hat er sie nicht, denn der 22-jährige ist Influencer, oder Meinungsmacher, bekommt Waren geschenkt, um sie auf dem virtuellen Bilder-Tagebuch Instagram zu präsentieren. Der Duisburger ist eine menschliche Werbeplattform und doch ein Typ von nebenan. Unternehmen haben dieses Potenzial für sich entdeckt.Geschickt setzen sie auf junge Kreative als Markenbotschafter, um Kaufanreize beim zumeist jungen Publikum zu setzen. Doch diese Strategie birgt auch Gefahren, vor allem, wenn Unternehmen allein die Anzahl der Follower, die dem Profil folgen, als Gradmesser für den Erfolg heranziehen.

„Instagram ist nicht echt“

Instagram, das ist die fabelhafte Welt der bunten Bilder. Doch es gibt auch Schatten. Dieser wird sichtbar, wenn einer über die Tricks der Influencer aufklärt. So wie Aleks Filipovic: „Ich habe Follower gekauft“, gesteht er, und ergänzt: „So wie viele andere auch, denn Instagram ist nicht echt.“

Angefangen hat es mit 100 falschen Followern. „Als ich gemerkt habe, es fällt nicht auf, hab ich nachgelegt“, sagt er. Aktuell seien 2000 bis 3000 seiner 10 500 Fans auf seinem Instagram-Profil keine realen Menschen. Mit wenigen Mausklicks „gibt’s für 2,99 Euro 100 Follower“, sagt Filipovic. Warum er das tut? Er möchte unter dem Radar der Firmen auftauchen, „es als Blogger schaffen“, sagt Filipovic. Aber: „Gute Fotos und Kreativität allein reichen leider nicht.“

Influencer verbünden sich in Gruppenchats

Die Strategie geht auf, denn die Liste seiner Werbepartner ist lang: Neben drei Uhrenherstellern warb Filipovic mit seinen Bildern für ein Smartphone sowie einen Reiseanbieter – inklusive dreier Kurzreisen nach Island, Krakau und Amsterdam. „Den Zuschlag erhielt ich aufgrund meiner Bilder“, meint der Duisburger, der ab Oktober Fotografie an der TU Dortmund studiert. Seine Reisefotos zeichnen sich durch kreatives und experimentelles Farbenspiel aus.

Filipovic erklärt weitere Tricks, die eine höhere Reichweite vortäuschen sollen: „Es werden Interaktionen unter Fotos simuliert“, verrät er. Wie das funktioniert: Influencer verbünden sich in so genannten „Pods“ – das sind Gruppenchats mit 100 oder mehr Mitgliedern. Veröffentlicht ein Pod-Mitglied ein neues Foto, verpflichten sich alle anderen Teilnehmer, das neue Bild direkt zu ­liken und zu kommentieren. Der Effekt: Eine künstlich erzeugte Interaktion unter dem Bild, die den Anschein erwecken soll, der Influencer habe eine hohe Beliebtheit.

Ein Risiko für Unternehmen

Auch derKonsumgüter-Konzern Unilever setzt etwa für seine Pflegemarken Axe oder Dove auf Influencer-Marketing: „Es hat sich im Laufe der letzten Jahre schnell etabliert und konnte sich in der Kürze der Zeit als wirkungsvoll und erfolgreich beweisen“, sagt Konzernsprecher Arne Kirchem. Gerade ein junges Publikum bis 39 Jahre versucht das Unternehmen über Instagram zu erreichen.

Im Kampf gegen falsche Influencer hat sich Unilever klar positioniert und möchte künftig keine Kampagnen mit Influencern durchführen, die Follower gekauft haben. Doch das Unternehmen weiß auch: „Eine Herausforderung stellt die Messung der realen Reichweite und – damit verbunden – die Identifikation von Fake-Followern dar“, sagt Kirchem. Unilever arbeitet deshalb mit Influencer-Agenturen zusammen, um seine Werbegelder nicht zu verschwenden.

„Unternehmen haben eine Mitschuld“

Eine dieser Agenturen ist Influencer DB. Das Kölner Unternehmen, das unter anderem für H&M, Zalando und Lufthansa arbeitet, hat ein Analyse-Tool entwickelt, das Firmen helfen soll, echte Influencer von jenen zu unterscheiden, die manipulieren. „Insgesamt wurden 1,7 Millionen Instagram-Profile von unserer Software analysiert. Das Ergebnis: 25 Prozent zeigten Fakeverhalten“, sagt Sprecherin Mona Hellenkemper.

Es gibt diverse Wege, Fake-Profile zu entlarven. Die Analysten von Influencer DB prüfen, wie viele Follower die Inhalte des Influencers liken. Denn Fake-Follower sorgen für keinerlei Interatkion. Eine niedrige Like-Follower-Rate sei ein klares Indiz für Fake-Verhalten, sagt Firmensprecherin Hellenkemper.

Gekaufte Follower als Starthilfe für den Erfolg

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Für die Social-Media Expertin ist es nicht überraschend, „dass die Nachfrage nach gekauften Followern hoch ist, wenn Marketingverantwortliche allein auf die Followerzahl setzen.“ Hellenkemper sieht deshalb „eine Mitschuld der Unternehmen“. Deshalb könnten gekaufte Follower eine Starthilfe sein, erläutert sie.

So wie bei Aleks Filipovic. Er hofft, dass seine Bilder mehr und mehr in den Vordergrund rücken, nicht seine Follower-Zahl. Derzeit postet er fleißig Bilder aus Indonesien – auf Einladung einer Fluggesellschaft. Ihm ist klar: „Hätte ich nur 300 Follower, wäre ich uninteressant.“

Instagram: „Wir nehmen missbräuchliches Verhalten sehr ernst“

Auch das Unternehmen Instagram äußerte sich zur Fake-Debatte auf dem Netzwerk. Man nehme Spam und anderes missbräuchliches Verhalten sehr ernst, teilte ein Instagramsprecher mit. Accounts, die automatisierte Likes oder Follower verkaufen, werden von der Plattform entfernt. „Wir überprüfen verdächtige Aktivitäten kontinuierlich und arbeiten daran zu verstehen, wie man solche Aktivitäten in Zukunft verhindern kann“, sagt ein Sprecher des Unternehmens.