Düsseldorf. Düsseldorfs Airportchef Thomas Schnalke spricht im Interview über Fluglärm, Mobilität und den Antrag auf noch mehr Starts.
Der Düsseldorfer Flughafen will mehr Starts und Landungen – Anwohner in Nachbarstädten fürchten mehr Lärm. Flughafenchef Thomas Schnalke hofft auf eine baldige Entscheidung des NRW-Verkehrsministers. Redakteur Frank Preuß sprach mit ihm.
Im vergangenen Sommer gab es sehr lange Schlangen bei der Abfertigung, Fluggäste warteten teilweise über Stunden. Droht das wieder?
Thomas Schnalke: Es gibt widersprüchliche Einschätzungen. Zunächst einmal hat unser Dienstleister Kötter 180 Mitarbeiter mehr als im vergangenen Jahr. Auf der anderen Seite gibt es alarmierende Aussagen über die Besteherquote bei der Ausbildung auf der Akademie. Über 1000 Mitarbeiter sind jetzt an Bord. Allerdings ist auch die Zahl der in Düsseldorf ins Flugzeug einsteigenden Passagiere deutlich gestiegen. Das Plus bei den Sicherheitskontrollen wird somit vom Passagierwachstum überkompensiert. In unseren Augen stellt Kötter daher immer noch nicht so viel Personal zur Verfügung, wie es die Verkehrssituation erfordert. Im vergangenen Jahr war die Lücke beim Personal eklatant hoch. Es ist offen, ob die 180 zusätzlichen Mitarbeiter wirklich ausreichen, um ein serviceorientiertes Angebot abzuliefern, zumal die Bundespolizei wegen dieser Situation Kötter vor kurzem abgemahnt hat. Gerne lasse ich mich aber in den kommenden Wochen vom Gegenteil überzeugen.
Wir stehen bereit, selbst Verantwortung zu übernehmen.
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Die Bundespolizei ist zuständig für die Auswahl der Kontrollfirmen und hat Kötter abgemahnt. Bekommen Sie einen anderen Dienstleister, wenn es wieder schief geht?
Schnalke: Das ist nicht unser Tisch. Was ich mir wünsche, ist ein funktionierendes System, aber dazu müssen wir an der Organisation fundamental etwas ändern. Das ist ja auch in der Politik angekommen.
Die Flughäfen wollen die Firmen selbst aussuchen.
Schnalke: Wir stehen bereit, selbst Verantwortung zu übernehmen. Das gilt für alle Flughäfen in Deutschland. Unsere Forderung hat es in den Koalitionsvertrag geschafft. Dieser erste Schritt freut uns sehr. Jetzt muss es aber auch schnell an die Umsetzung gehen.
Flughafenkunden klagen am Gepäckband immer wieder, dass es zu lange dauert, bis die Koffer kommen. Der Missstand ist lange bekannt. Wird das irgendwann mal besser, finden Sie es nicht selbst problematisch?
Schnalke: Es gibt solche Fälle, über das gesamte Jahr betrachtet finde ich es allerdings nicht problematisch. Die Gesamtsituation ist etwas besser geworden als im vergangenen Jahr. Aber zufrieden sind wir immer noch nicht, weil es immer noch Ausfälle gibt. Jeder Passagier, der am Gepäckband zu lange steht, ist einer zu viel. Wir wollen natürlich, dass der Kunde zufrieden ist und ein positives Reiseerlebnis in Düsseldorf hat.
Und was tun sie?
Schnalke: Das Gepäck wird von zwei Dienstleistern im Auftrag der Airlines befördert. Unser Einfluss ist hier etwas größer als bei den Sicherheitskontrollen, aber immer noch begrenzt. Wir führen hier mit allen Partnern intensive Gespräche. Schließlich reden wir über unseren gemeinsamen Kunden. Wir haben mehr Personal von unserer Seite zur Verfügung gestellt, das die Koordination auf dem Vorfeld übernommen hat. Diese Kollegen stehen zur Verfügung, um das Vorfeld besser zu organisieren.
Im Mai gab es 300 Landungen nach 23 Uhr. Warum immer wieder diese Verspätungen?
Schnalke: Es gibt über 100 Verspätungsgründe. Ganz vorne waren im Mai die Streiks der französischen Fluglotsen. Über den französischen Luftraum wird der gesamte Flugverkehr in Richtung Spanien, Portugal und Westafrika abgewickelt. Zudem gibt es Personalengpässe in einigen deutschen Sektoren. Und es gab starke Unwetter. Ich erinnere an Wuppertal. Fürs Ganze gilt, dass auch die Umstellung durch das Aus von Air Berlin immer noch verdaut werden muss. Die Verfügbarkeit von Flugzeugen und Crews war ein Problem, wird sich in den nächsten Wochen aber immer weiter verbessern.
Der Luftverkehr wird nie frei sein von Verspätungen
Die Gründe wiederholen sich Jahr für Jahr. Es wird offenbar nie besser. Und Sie haben nun auch noch 60 statt 47 Flüge pro Stunde in den acht verkehrsreichsten Stunden im Verkehrsministerium beantragt.
Schnalke: Der Luftverkehr wird nie frei sein von Verspätungen, kein Verkehrsträger ist das. In Spitzenzeiten kommen wir daran gar nicht vorbei, weil es zu viele Einflussfaktoren gibt. Die beantragte Betriebsgenehmigung würde uns an vielen Stellen die Flexibilität geben, die uns derzeit zur Bewältigung der Situation fehlt.
Im Gegensatz zu anderen Verkehrsträgern reden wir beim Flughafen über sensible Uhrzeiten und Nachtruhe.
Schnalke: Jeder Verkehr erzeugt Lärm. Unsere Gesellschaft muss abwägen, wie mobil sie sein und wieviel Belastung sie dafür in Kauf nehmen möchte. Die gleiche Debatte erleben wir im Straßenverkehr. Niemand ist an Verspätungen interessiert.
NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst hat mit Blick auf die vielen Verspätungen die Airlines ermahnt, ihre Abläufe besser zu planen. So eine Stimmungslage ist mit Blick auf ihren Antrag, mehr Flüge abwickeln zu dürfen, nicht gerade förderlich.
Schnalke: Ich finde es gut, dass Herr Wüst sich um die Pünktlichkeitssituation sorgt. Ihm ist bewusst, dass sich unsere Situation vor Ort derzeit überall wiederholt. Düsseldorf ist überall. Mit unserem Antrag hat dies nichts zu tun. Wir wollen zu bestimmten Zeiten mehr Flüge und unsere Zweibahnkapazität flexibler nutzen können. Die Nachtflugregelung soll unangetastet bleiben. Im Gegenteil: Wir glauben durch flexiblere Nutzung beider Bahnen sogar Verspätungen abbauen zu können. Diesen Punkt versteht auch die Öffentlichkeit.
Mallorca liegt als Reiseziel voll im Trend
Einspruch. Verspätungen kommen in der Wahrnehmung vieler auch durch zu enge Umläufe der Fluggesellschaften zustande. Speziell Eurowings scheint noch in der Findungsphase. Die Lufthansa musste sich ja schon öffentlich entschuldigen für ihre Tochter.
Schnalke: Am Flughafen Düsseldorf gibt es das so genannte Slot Performance Monitoring Committee. Dieses unabhängige Gremium schaut sich alle auffälligen Umläufe an und räumt zu enge Planungen aus. Ich denke, das ist bisher ganz gut gelungen. Dass die Eurowings derzeit in aller Munde ist, liegt auch daran, dass sie den überwiegenden Teil des Düsseldorfer Verkehrs abdeckt. Eurowings unternimmt große Anstrengungen, um hier wieder in die Spur zu kommen.
Wann rechnen Sie mit der Entscheidung über eine mögliche neue Genehmigung?
Schnalke: Wir sind in der Endphase des Planfeststellungsverfahrens, in der Abwägungsphase. Ich hoffe vielleicht noch dieses, sonst früh im nächsten Jahr.
Sie haben den Ausfall von Air Berlin Ende dieses Jahres vollständig kompensiert. Dafür gibt es jetzt sechs Airlines, die Mallorca anfliegen. Ist das sinnvoll?
Schnalke: Diese Airlines fliegen natürlich nicht nur Palma an. Mallorca liegt als Reiseziel aber voll im Trend. Die Nachfrage bestimmt das Angebot, die Auslastung der Flieger ist hoch. Angebotsvielfalt belebt hier das Geschäft. Je größer das Angebot, desto besser die Preise.
Reiseindustrie ist für NRW ein entscheidender Faktor
Sie argumentieren bei Ihrem Antrag auf mehr Flüge aber immer damit, das sei unverzichtbar für die NRW-Wirtschaft. Das kann ich bei der ganzen Urlaubsfliegerei nicht so recht erkennen. Sie haben die Hongkong-Verbindung verloren. Die ist doch die wichtiger als die Kanaren.
Schnalke: Warum? Die Reiseindustrie ist doch für NRW ein entscheidender Faktor. Ein Urlaubsflugzeug, das nicht in Düsseldorf stationiert ist, steht woanders, mit hoher Wahrscheinlichkeit in Amsterdam, Stuttgart oder München. Hier aber hilft es der Wirtschaft. Fast alle Airports unserer Größe haben zwei Drittel Privatverkehr und ein Drittel Geschäftsflüge, an der Quote hat sich nichts geändert. Wir decken beide Bereiche sehr gut ab und möchten dies weiterentwickeln.
Jetzt ist auch noch Ryanair hier angekommen. Eine ehemaliger Düsseldorfer Oberbürgermeister hat mal gesagt: Lowcost für Weeze, Feinkost für Düsseldorf. Das gilt nicht mehr?
Schnalke: Seitdem hat sich der Markt grundlegend verändert. Wir müssen uns von der Mär verabschieden, dass es Lowcost- und High-Class-Verkehr gibt. Der allergrößte Teil des europäischen Verkehrs ist heute sogenannter Lowcost. Der günstigere Verkehr ist Kundenwunsch und damit die Zukunft.
Wie lebenswichtig sind die zusätzlich beantragten Flüge betriebswirtschaftlich?
Schnalke: Unser Unternehmen ist kerngesund und profitabel. Aber wenn wir nicht mehr wachsen können, obwohl der Flugverkehr um uns herum jährlich wächst, dann nehmen wir nicht mehr an der wirtschaftlichen Entwicklung teil. Das kann auch nicht gut für NRW sein.