Essen. NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers sucht gezielt die Nähe zu Unternehmern aus Nordrhein-Westfalen. Er möchte das Verhältnis zu den Firmenlenkern verbessern. Ergebnis der Gespräche: eine gemeinsame Erklärung "für mehr Wachstum".
Als Arbeiterführer hat es Jürgen Rüttgers inzwischen weit gebracht. Längst ist die Plakette mehr als nur ein aufgepappter Titel. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa ermittelte jüngst 49 Prozent Zustimmung der Arbeiter für den NRW-Ministerpräsidenten, SPD-Chefin Hannelore Kraft kam auf 20 Prozent. Arbeiterführer alleine aber reicht Rüttgers nicht mehr. Der CDU-Politiker sucht gezielt die Nähe zu Unternehmern und Top-Managern. Ergebnis mehrerer solcher Gesprächsrunden: Man habe sich weit auseinandergelebt, eine Neuorientierung sei „überfällig”.
So steht es in einer Erklärung – „Gemeinsam für mehr Wachstum” – die führende Manager und Mittelständler in Nordrhein-Westfalen unterzeichnet haben. Das Ganze ist als Auftakt für eine neue Gesprächsrunde unter Führung von Rüttgers gedacht, bei der auch die Gewerkschaften mitreden sollen. „Notwendig ist ein neues Bündnis der Vernunft zwischen Arbeitgebern, Gewerkschaften und Politik”, heißt es in der Erklärung.
Entstanden ist die Idee wenige Tage nach dem Gipfeltreffen der Finanzminister der größten sieben Industrieländer (G 7) in Istanbul Anfang Oktober. Ein Kreis von Managern kam in der Mülheimer Wohnung von RWE-Chef Jürgen Großmann zusammen. Die Stimmung war bedrückt, Bankmanager, die am Istanbul-Gipfel teilgenommen hatten, berichteten von schockierenden Diagnosen. Ein Ende der Finanzkrise sei keineswegs in Sicht. Eine weitere Erkenntnis des Tête-à-tête von Rüttgers und Management war nicht minder ernüchternd. Man hatte sich nicht mehr viel zu sagen: Auf der einen Seite Politiker, die sich an pauschaler Manager-Schelte beteiligen; auf der anderen Wirtschaftsführer, die über Wankelmut und fehlende Verlässlichkeit der Politik herziehen.
Klare Wachstumstrategie notwendig
Die Runde verabredete sich erneut. Diesmal kamen die Spitzen der Wirtschaft und Rüttgers im Kölner Hotel Wasserturm zusammen – und entwarfen eine gemeinsame Erklärung, die mit Selbstkritik nicht spart: Von einem verschlechterten und distanzierten Verhältnis zwischen Wirtschaft und Politik ist da die Rede, von einem Neuanfang, von der Verantwortung für die Gesellschaft, der sich Manager und Unternehmer auch persönlich stellen müssten wie auch dem Willen der Politik, mehr mit der Wirtschaft zu reden. Eine Analyse der Ursachen der Finanzkrise stehe zunächst im Vordergrund.
„Wird aus dem Arbeiterführer jetzt der Genosse der Bosse?”, fragte der Kölner Stadt-Anzeiger. Jürgen Rüttgers antwortete: „Den größten Erfolg hat man in einer Kombination aus beidem.”
Die Erklärung unterzeichneten: Jürgen Rüttgers (Ministerpräsident in NRW), Herbert Lütkestratkötter (Hochtief), Wilhelm Bonse-Geuking (RAG Stiftung), Jürgen Großmann (RWE), Klaus Engel (Evonik), Hans-Werner Maier-Hunke (NRW-Arbeitgeberverbände), Bernhard Mattes (Ford-Werke), Andreas Schmitz (HSBC Trinkaus & Burkhardt), Werner Wenning (Bayer), Wolfgang Schulhoff (NRW-Handwerkstag), Ekkehard Schulz (Thyssen-Krupp) und Eggert Voscherau (BASF).
„Diese Neubestimmung des Verhältnisses ist notwendig, weil Deutschland jetzt eine klare Wachstumsstrategie für die Zeit nach der Krise benötigt”, heißt es in der Erklärung, unterzeichnet von einer Schar hochkarätiger Wirtschaftsführer (siehe Info-Box).
Bemerkenswert an der Erklärung ist auch das Bekenntnis zur Sozialen Marktwirtschaft, deren Wiege an Rhein und Ruhr stehe. „Diese Tradition ist Verpflichtung”, heißt es, und: „Von NRW können Deutschland und Europa lernen, wie Sozialpartnerschaft neue Wachstumschancen schafft.” – Töne, die von globalisierten Wirtschaftsführern lange nicht zu hören waren.
"Mehr Wohlstand für alle"
Als weiteres Ziel der Initiative sind in Anlehnung an Ludwig Erhards „Wohlstand für alle” unter dem Motto „Mehr Wachstum – Mehr Wohlstand für alle” formuliert: NRW und Deutschland müssen Mittelstands- und Industrieland bleiben. „Zum Beispiel muss der Aufbau und Ausbau moderner Kraftwerke zur Energiesicherung möglich sein. Ein Industrieland braucht Pipelines. Das sind nur zwei Punkte von vielen”, sagte Rüttgers dem „Kölner Stadt-Anzeiger”.
Zudem fordert das Papier die Stärkung der Binnennachfrage und mehr Einsatz für Bildung und Innovation.