Brüssel. Pharmakonzerne zögern durch Absprachen die Markteinführung günstigerer Medikamente heraus. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der EU-Kommission. Demnach werden Generika etablierter Produkte bewusst spät eingeführt. Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes drohte mit Konsequenzen.
Verbraucher zahlen zu viel für Medikamente, weil Pharmakonzerne die Einführung von günstigeren Nachahmer-Produkten blockieren. Zu diesem Ergebnis kommt die EU-Kommission in ihrem Abschlussbericht über den Wettbewerb im Arzneimittelsektor. Auch deutsche Pharmakonzerne seien keine Engel, sagte EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes gestern in Brüssel. Sie drohte, notfalls kartellrechtlich gegen Hersteller vorzugehen, sollten es weiter zu künstlichen Verzögerungen kommen. Erste Untersuchungen würden bereits vorbereitet.
Absprachen verzögern Marktzutritt
Für ihren Bericht hatten die EU-Wettbewerbshüter seit Januar 2008 Pharmaunternehmen in allen 27 EU-Staaten untersucht. Betroffen waren unter anderem GlaxoSmithKline aus Großbritannien, der britisch-schwedische Konzern AstraZeneca, Sanofi-Aventis aus Frankreich, die US-Branchengiganten Pfizer und Merck & Co sowie die Generika-Tochter Sandoz des Schweizer Novartis-Konzerns.
In ihrem Bericht stellten die Prüfer fest, dass sich die Hersteller mit den Unternehmen für Generika absprechen, um die Einführung von billigeren Medikamenten zu verzögern. Es gebe mindestens 200 Abkommen dieser Art. Deshalb will die Behörde nun entsprechende Vereinbarungen stärker unter die Lupe nehmen. „Wir werden keinen Missbrauch akzeptieren“, warnte Kroes. Gegen das französische Pharma-Unternehmen Les Laboratoires Servier sowie gegen einige Generika-Hersteller sei bereits ein Verfahren eröffnet worden. Sie sollen durch entsprechende Absprachen den Marktzutritt eines Herz-Kreislaufmedikaments erschwert haben.
Markteinführung von Generika dauert zu lange
Außerdem forderte Kroes die Mitgliedstaaten auf, die Markteinführung von Generika durch Gesetze zu vereinfachen. Die bisherige Prüfung habe ergeben, dass es sieben Monate dauere, bis nach Ablauf des Patentschutzes ein günstiges Nachahmerprodukt erhältlich sei. Damit gaben sie 20 Prozent mehr als nötig aus – das entspricht einer Summe von drei Milliarden Euro.