Düsseldorf. . Die Gesetzesnovelle der Landesregierung zum offenen Sonntag enttäuscht Handel und Städte und erbost die Gewerkschaft Verdi.

An den verkaufsoffenen Sonntagen hatte sich schon die abgewählte rot-grüne Landesregierung die Zähne ausgebissen. Über Monate konnte SPD-Wirtschaftsminister Garrelt Duin am Runden Tisch aller Beteiligten keine Einigung herbeiführen. Im Rekordtempo hat nun Nachfolger Andreas Pinkwart (FDP) den Entwurf einer Neuregelung präsentiert. Doch auch ihm weht inzwischen der Wind ins Gesicht.

Ralf Mittelstädt gibt sich betont moderat. „Schon Ende des 19. Jahrhunderts wurde über den Sonntagsverkauf diskutiert“, scherzt der Hauptgeschäftsführer der IHK NRW. Er lobt die neue Landesregierung, weil sie mit ihrem Entfesselungspaket „an der richtigen Stelle“ ansetze. Gleichwohl macht Mittelstädt deutlich: „Der Gesetzentwurf hätte etwas mutiger ausfallen können.“

Warten auf das Ende des Chaos

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Die rund 140 nach Düsseldorf eingeladenen Vertreter aus Rathäusern, Werbegemeinschaften und Wirtschaftsförderungsgesellschaften warten sehnsüchtig darauf, dass das Chaos rund um den verkaufsoffenen Sonntag ein rasches Ende findet. Sie müssen vor Ort ausbaden, was das Bundesverfassungsgericht im Dezember 2009 verfügte: Die Sonntagsöffnung muss einen bedeutsamen Anlass haben. Das Stadtfest oder die Autoausstellung in der City muss mehr Besucher anlocken als die Händler in ihren offenen Läden. Diese Prognosen müssen die Ordnungsämter aufstellen und sind damit überfordert. Nach Klagen von Verdi kassierten Gerichte einen verkaufsoffenen Sonntag nach dem anderen.

Die Erwartungen des Handels an den neuen liberalen Wirtschaftsminister Pinkwart sind deshalb riesig. Zumal der FDP-Politiker immer wieder durchblicken lässt, dass er die Ladenöffnungszeiten am liebsten ganz freigeben würde. Doch seine nur wenige Wochen nach Amtsantritt vorgelegte Gesetzesnovelle sorgt inzwischen für Ernüchterung. Vertreter von Handel, Kammern und Städten betonten gestern in Düsseldorf, dass sie auf Nachbesserungen hoffen.

Beweislast liegt bei den Kommunen

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Ihnen aus der Seele spricht der Staatsrechtler Johannes Dietlein, der im Sommer für die Kammern ein Gutachten erstellt hatte. „Mit dem Rohentwurf werden die Gemeinden vor massive Umsetzungsprobleme gestellt“, sagt der Professor der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität. „Wie sollen denn Kommunen beweisen, dass ein, zwei oder drei verkaufsoffene Sonntage die Verödung ihrer Innenstädte verhindern sollen?“, fragt Dietlein im Hinblick auf die von Pinkwart vorgelegte Liste von „Sachgründen“, die eine Genehmigung von Sonntagsshopping abseits des Anlassbezuges ermöglichen soll.

Das NRW-Wirtschaftsministerium verteidigt dagegen seinen Gesetzesentwurf. Die Städte könnten vor Gericht künftig auf eine Vielzahl von Gründen verweisen, warum es verkaufsoffene Sonntage geben soll. Auf die komplizierte Besucherprognose könnten sie verzichten, so eine Sprecherin. „Komplizierte Besucherstromprognosen werden überflüssig“, sagte sie.

Verdi: Sachgründe sind verfassungswidrig

Verdi sieht das anders. Die Gewerkschaft will ihre Mitglieder vor Sonntagsarbeit bewahren. Für Landesleiterin Gabriele Schmidt sind die von Pinkwart vorgeschlagenen „Sachgründe“ verfassungswidrig. Das Grundgesetz schütze die Sonntagsruhe. „Statt weiter auf Konsens und den grundsätzlich arbeitsfreien Sonntag zu setzen, wird durch die Ausweitung der Sonntagsöffnung das Tor zu ei­ner Arbeitszeit von siebenmal 24 Stunden in der Woche aufgestoßen“, erklärte sie und kündigte an, dass Verdi mit den Kirchen die geplante Novellierung des Ladenschlussgesetzes zu verhindern suche.

Verdi und alle beteiligten Verbände haben bereits Stellungnahmen ans Ministerium geschickt. Die neue Regelung zur Sonntagsöffnung kommt dann als Teil des „Entfesselungspakets I“ zunächst ins Kabinett und danach in den Landtag. Mit dem Inkrafttreten wird nicht vor Sommer 2018 gerechnet.