Essen. . CDU und FDP will es Baden-Württemberg nachmachen. Die Debatte, was genau unterrichtet wird und woher die Lehrer kommen sollen, fängt gerade an.

Das Schulfach „Wirtschaft“ haben CDU und FDP ganz oben auf ihre Agenda für NRW gesetzt. Dafür haben die designierten Koalitionäre viel Lob von den Unternehmern und mindestens ebenso viel Kritik von Lehrern und Bildungswissenschaftlern geerntet. Wie Ökonomie bisher gelehrt wird, wie es künftig werden soll, was dafür und dagegen spricht – ein Überblick:

Wirtschafts-Unterricht heute

Bislang wird an den weiterführenden Schulen in NRW Wirtschaft nicht als eigenes Fach gelehrt. In der Sekundarstufe I wird an Gymnasien das Pflichtfach Politik/Wirtschaft angeboten. An Gesamtschulen gibt es den Lernbereich Arbeitslehre, der sich zu je einem Drittel in die Fächer Technik, Wirtschaft und Hauswirtschaft teilt. Ebenso an Haupt- und Sekundarschulen.

In der Oberstufe wird an Gymnasien und Gesamtschulen Sozialwissenschaften (SoWi) unterrichtet – mit Inhalten aus Politik, Soziologie und Wirtschaft. Gymnasien können auch SoWi mit einen Wirtschafts-Schwerpunkt anbieten. Realschüler haben das Wahlpflichtfach Politik/Ökonomische Grundbildung auf dem Stundenplan.

Vorbild Baden-Württemberg

Im grün-schwarz regierten Baden-Württemberg ist Wirtschaft bereits als Pflichtfach integriert. Aus dem Unterricht gibt es allerdings noch keine Erfahrungen, da der Bildungsplan stufenweise eingeführt wird. „Richtig los geht es erst im kommenden Schuljahr“, sagte Matthias Schneider, Landesgeschäftsführer der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Sie sieht das Fach „Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung“ kritisch. „Die Stundenanzahl für andere Fächer wird dafür gekürzt“, sagt Schneider. Außerdem befürchtet die GEW, dass Interessen von Unternehmen in den Unterricht einfließen.

„Die Schüler kommen auf lebensnahe Weise mit ökonomischen Themen in Kontakt“, sagt hingegen Christine Sattler vom Kultusministerium. Unterrichten sollen das Fach Lehrer, die Wirtschafts- oder Politikwissenschaft studiert haben und bislang etwa Sozialwissenschaften gelehrt haben. Fachfremde Lehrkräfte werden durch Fortbildungen fit gemacht.

Das erhofft sich die Wirtschaft

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Die NRW-Wirtschaft hatte lange für ein Schulfach Wirtschaft geworben, entsprechend positiv waren die Reaktionen. Luitwin Mallmann, Hauptgeschäftsführer des Verbands Unternehmer NRW, sieht es als „Teil von Allgemeinbildung, da es hier um ganz alltägliche Fragen geht: Wie vermeide ich Verschuldung? Wie kann ich für das Alter vorsorgen? Was sind Zinsen? Wie werden Löhne verhandelt? Warum erhebt der Staat Steuern?“ Der Wirtschaft gehe es bei ökonomischer Bildung ausdrücklich um ein ausgewogenes und breites Themenspektrum.

Auch Thomas Kolbe vom Mittelstandsverband NRW betonte, es gehe eben nicht um den viel zitierten Handyvertrag, sondern darum, Zusammenhänge auch mit ganz anderen Themen zu erkennen. So könnten Kindern etwa die Flüchtlingskrise besser verstehen, wenn sie verstünden, warum es den Menschen in autokratisch geführten Staaten trotz reichster Bodenschätze so schlecht gehe. „Das schützt auch vor Populisten“, sagte er.

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Anja Merl vom Duisburger Mittelstandsverband würde sich auch wünschen, wenn in den Schulen Gründerkultur und Unternehmertum vermittelt würden. Die Befürchtung, große Konzerne könnten versuchen, die Schüler für sich einzunehmen, teilt sie aber. Schon heute hätten es kleine und mittelständische Betriebe schwer, im Kampf um die Köpfe mitzuhalten. Das müsse berücksichtigt werden.

Davor warnen die Kritiker

Lehrerverbände warnen die Politik vor neuen Schnellschüssen in der Bildungspolitik. Vor allem müsse geklärt werden, woher die zusätzlichen Lehrkräfte kommen sollen und welche anderen Stunden dafür geopfert werden. Zudem müsse gewährleistet sein, dass die Lehrpläne auch ein kritisches Bild der Wirtschaft vermitteln, sonst drohe eine „marktliberale Schieflage“.

Wenn durch das eigenständige Fach unter Schülern eine positive Haltung gegenüber der Wirtschaft erzeugt werden soll, wie es die FDP angedeutet hat, sei das problematisch, meint Dirk Lange, Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Politische Bildung. „Das kann nicht Aufgabe der Lehrer sein und konterkariert den Bildungsauftrag der Schulen.“

Statt ökonomische Modelle durchzurechnen, müsse Wirtschaft aus vielen Perspektiven betrachtet werden. Die Frage sei: „Wie wollen wir Wirtschaft gestalten?“ Probleme der Nachhaltigkeit, der Balance von Ökonomie und Ökologie, der Gerechtigkeit und der Wohlstandsverteilung kämen oft zu kurz. Das habe sich in Bundesländern gezeigt, die das Fach Wirtschaft eingeführt haben. Lange: „Ich empfehle der künftigen NRW-Landesregierung, ihr Vorhaben noch einmal genau zu durchdenken.“