Mülheim. . Die Geschäfte im Netz florieren. Nun schafft die Hochschule Ruhr West in Mülheim den Studiengang E-Commerce. Tengelmann will Professur stiften.

Dem Internethandel werden rasante Wachstumsraten prophezeit. Doch den Handelsunternehmen fehlen die Fachkräfte. Das soll sich nun ändern. Die Hochschule Ruhr West Mülheim/Bottrop (HRW) führt zum Wintersemester als erste in Westdeutschland einen Studiengang E-Commerce ein, der Studenten in Informatik, Marketing bis zu Fragen des Rückgaberechts ausbilden soll.

„E-Commerce beginnt für uns beim Produzenten und geht über den (Online-)Handel bis zum Endabnehmer“, beschreibt Oliver Koch, HRW-Vizepräsident für Forschung und Transfer, das Programm, das ab Herbst in Mülheim unterrichtet werden sollen. Bei der Aufstellung des Lehrplans hat sich die Hochschule eng an den Bedürfnissen der Wirtschaft orientiert.

Viele Handelskonzerne in NRW

„Um den Fachkräfte-Bedarf der Handelsunternehmen zu ermitteln, haben wir Stellenanzeigen ausgewertet und Gespräche etwa mit Aldi Süd, Medion, Metro und Tengelmann geführt“, sagt Koch. Obwohl in NRW darüber hinaus auch noch Handelsriesen wie Rewe, Aldi Nord und Deichmann ihre Konzernsitze haben, gilt der Fachkräftemangel rund um das Thema Internethandel an Rhein und Ruhr als besonders groß. „Das westliche Ruhrgebiet ist kein E-Commerce-Standort. Hier werden Informatiker händeringend gesucht. Die Absolventen gehen lieber nach Berlin, Hamburg oder München“, erklärt Ellen Roemer, Professorin für Marktforschung und Marketing an der HRW.

So verwundert es nicht, dass rund die Hälfte der von der Hochschule ausgewerteten Stellenanzeigen auf den Bereich Handel entfielen. Bei den Stellenbeschreibungen, so Koch, seien vor allem Kompetenzen in Marketing, Informations- und Webtechnologien und Vertrieb gefragt gewesen.

Tengelmann stiftet Professur

An der Konzipierung des Studiengangs E-Commerce beteiligt ist die Mülheimer Unternehmensgruppe Tengelmann. Die Eigentümer-Familie Haub hat angekündigt, eine mit 500.000 Euro dotierte Stiftungs-Professur zu vergeben. „Alle Händler haben das Problem, Fachkräfte zu finden. Deshalb brauchen wir einen Studiengang, der Wissen rund um Lieferketten, Online-Marketing, Daten-Analyse bis hin zur Informatik vermittelt“, sagt Christian Winter, Geschäftsführer von Tengelmann Ventures. Das Tochterunternehmen des Handelskonzerns hat seit seiner Gründung im Jahr 2009 weltweit in mehr als 50 Unternehmen investiert. Darunter Branchengrößen wie Zalando, Uber, Babymarkt, brands4friends und Westwing. „Online-Händler wollen Kundendaten professionell nutzen“, so Winter. Für die „strukturierte und intelligente Auswertung“ gebe es „viel Bedarf an echter Expertise“.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) erwartet für das laufende Jahr einen Onlinehandel-Umsatz von 48,8 Milliarden Euro. Das wären elf Prozent mehr als noch im Vorjahr. Der Handel insgesamt werde auf rund 443 Milliarden Euro zulegen, so die Prognose. Die Hälfte des jährlichen Umsatzzuwachses, so der HDE, erziele der Handel inzwischen im Internet.

Einkaufs-Kanäle verschmelzen

Von der wachsenden Bedeutung des E-Commerce sind auch die Wissenschaftler der Hochschule Ruhr West überzeugt. „Die unterschiedlichen Einkaufs-Kanäle werden miteinander verschmelzen“, sagt Ellen Roemer. „Am Ende bleibt nur die Frage, wie die Kunden ihre Waren bekommen.“

Trotz des digitalen Siegeszuges sieht Roemer aber auch gute Chancen für den stationären Handel, wenn er sich auf seine Stärken besinne und sich vom E-Commerce abhebe. „Über den Preis wird es sicher nicht gehen. Das kann nur über persönliche Bindungen, Service und Ladengestaltung funktionieren.“ Während im Netz Geschwindigkeit, Bequemlichkeit und oft auch der Preis im Vordergrund stünden, sagt die Professorin den Läden eine andere Zukunft voraus: „Offline einzukaufen wird zum emotionalen Erlebnis, bei dem alle Sinne angesprochen werden: Ware anfassen, riechen und schmecken.“