Essen. Nach dem Ende der Abwrackprämie leiden die Händler bereits während der Internationalen Automobil-Ausstellung unter dem zusammenbrechenden Neuwagenverkauf. Kanzlerin Angela Merkel ging in Frankfurt nicht darauf ein.
Vertrieb stellt um
Renault profitierte besonders von der Abwrackprämie. Den nach deren Auslaufen wegbrechenden Privatkundenmarkt will der größte Importeur durch eine Reaktivierung des Vertriebs an Geschäftskunden ausgleichen. Das so genannte Flottengeschäft litt in diesem Jahr unter der schlechten Konjunktur und Sparzwängen. Die meisten Hersteller hoffen auf einen Nachholbedarf bei vielen Unternehmen oder wie Ford auf ein Wiederanspringen des Prämien-bedingt stark zurückgegangenen Gebrauchtwagengeschäfts.
Wer die schöne, neue Auto-Welt erleben will, muss nach Frankfurt fahren. Denn dort, auf der am Samstag fürs Publikum eröffneten Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA), zeigen die Hersteller die glitzernde Zukunft. „Die Branche hat die Talsohle mit Sicherheit erreicht”, meinte Autokanzlerin Angela Merkel. Das bezweifeln aber Experten. Und wer die nicht ganz so glänzende Welt der individuellen Mobilität erleben möchte, braucht derzeit nur in ein Autohaus zu gehen. Nur wenige Kunden bringen Abwechslung in den tristen Verkäufer-Alltag. Nachdem die Abwrackprämie ausgelaufen ist, sinkt die Zahl der Neuwagenverkäufe dramatisch.
So erwarten Fachleute zwar für dieses Jahr rekordverdächtige 3,8 Millionen Neuzulassungen – ein Plus von knapp 700 000 im Vergleich zu 2008. Doch das Ungemach kommt 2010: Ohne den Motor Abwrackprämie werden nach Einschätzung von Ulrich Köster, Sprecher des Zentralverbandes des deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZdK), nur noch 2,8 bis drei Millionen Neuwagen verkauft. Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer hält selbst diese Zahl für zu hoch: Er rechnet nur mit 2,7 Millionen neuen Pkw. Zudem glaubt er, dass 25 Prozent der rund 16 000 Autohändler 2010 dicht machen werden.
ZdK-Sprecher Köster möchte nicht in diesen pessimistischen Reigen einstimmen. „Man muss gelassen bleiben. Die Händler haben sich auch auf schwierigere Zeiten vorbereitet”, sagt er. Das Problem für die Händler dürfte aber sein, dass die Kunden immer noch die 2500 Euro schwere Abwrackprämie im Kopf haben und Rabatte in ähnlicher Höhe fordern. Ulrich Köster lehnt hohe Nachlässe aber ab. „Wir müssen die Kunden wieder an ein vernünftiges Preisniveau heranführen”, sagt er.
Das hält Dudenhöffer für illusorisch: „Ab Januar oder Februar wird die Rabattschlacht losgehen.” So sei der Privatkundenmarkt abgegrast, nur mit hohen finanziellen Anreizen könne man viele Autos verkaufen. Dudenhöffer: „Die Rabatte werden sich um die 20 Prozent und mehr bewegen.”
20 Prozent? Das hält Bayram Dilek vom Essener Mitsubishi-Autohaus Brüggemann für zu hoch. „Zehn Prozent sind immer drin”, sagt er. Doch: „Wir haben ja auch nichts zu verschenken. Deshalb sollte auch der Kunde fair bleiben!” Zu Zeiten der Abwrackprämie, erzählt Dilek, da habe der Hersteller aus Japan deutschlandweit rund 250 Kleinwagen des Typs Colt verkauft – am Tag. Wie viele es jetzt sind? Dilek lächelt nur und zuckt mit den Schultern.
Sicher würde er gerne Erfolgsgeschichten erzählen, allerdings sind diese seit dem Ende der staatlichen Subventionsspritze Mangelware. „Was früher ein Kollege alleine in zwei Wochen verkauft hat, das bekommen jetzt zwei gerade so hin. Ich hoffe, dass die Durststrecke 2011 endet.”
Optimismus leidet noch nicht
Optimismus, den muss man in der Autobranche ohnehin besitzen, sagt der Essener Fiat-Verkaufsleiter Mike Montjoie. Auch er hofft, dass die IAA neue Kunden in sein Autohaus bringt und die Bundestagswahl einen wirtschaftlichen Aufschwung beschert. Bis es soweit ist, müssen er und seine Kollegen sich weiter mit Kunden auseinandersetzen, die mit den Händlern hartnäckig um Abwrack-ähnliche Preise feilschen. „Aber die Subventionen vom Staat zu ersetzen – das ist von Seiten der Hersteller und Händler nicht möglich”, sagt ein Toyota-Verkäufer kopfschüttelnd.
Um das polierte Elend zu sehen, muss dieser nur aus dem Fenster blicken. Neuwagen stehen aufgereiht auf dem Hof. „Die Wirtschaftskrise ist ja noch nicht vorbei. Und die Leute, die sich mit der Abwrackprämie einen neuen Wagen gegönnt haben, die werden wir in den nächsten zehn Jahren auch nicht wiedersehen.”
Dass die fehlende Kunden-Nachfrage zu einem Abwracken von Arbeitsplätzen führen wird, darin sind sich alle Händler einig. „Die Abwrackprämie”, sagt ein Peugeot-Händler, „hat viele Autohäuser doch nur vor dem endgültigen Tod bewahrt. Das wird nun nachgeholt.”