Mülheim. . Das Unternehmens-Netzwerk Zenit holt Förderprogramm ins Ruhrgebiet, damit kleinere Betriebe ihre Hoffnungsträger nicht an große Konzerne verlieren.
Kleine und mittlere Unternehmen klagen nicht nur über einen Fachkräftemangel. Für sie wird es auch immer schwieriger, Leistungsträgern eine Perspektive zu bieten, sie im Unternehmen zu halten und nicht an Großkonzerne zu verlieren. Da Mittelständler oft kein eigenes Personalentwicklungsprogramm haben, können sie ab Januar das überbetriebliche Angebot „dreipunktnull“ nutzen.
Ins Ruhrgebiet geholt hat das Projekt der Verein „Netzwerk Zenit“, ein Zusammenschluss von rund 190 vorwiegend mittelständischen Unternehmen in NRW. Sie sind neben Banken und dem Land Träger des Zentrums für Innovation und Technik (Zenit) in Mülheim. In dessen Räumen sollen ab 2017 Seminare für die Hoffnungsträger des Mittelstands stattfinden.
Betriebe müssen Zeit und Geld investieren
Das Programm erfunden hat Joachim Beck. Der Geschäftsführer von „Beck und Consorten“ aus Wuppertal hatte mit „dreipunktnull“ 2011 im Auftrag der Bergischen Entwicklungsgesellschaft unter der Fragestellung begonnen: Wie kann sich der Mittelstand besser behaupten? Nach der mit EU-Mitteln geförderten Pilotphase im Bergischen Land startet die Initiative nun auch in Essen, Oberhausen, Mülheim und Umgebung.
„Die teilnehmenden Unternehmen investieren Geld und Zeit“, sagt Geschäftsführer Beck. Aber auch die Talente selbst müssen Freizeit opfern. Die Unternehmen entbehren ihre zu fördernden Mitarbeiter an 16 Arbeitstagen und diese wiederum opfern sechs freie Samstage und einige Abende. Jahreskosten für die Firma: 9600 Euro plus Mehrwertsteuer.
„Die Persönlichkeit entscheidet über Führungsqualitäten.“
Christian Wolf, Geschäftsführer des Mülheimer Industrieautomations-Spezialisten Turck mit weltweit rund 4200 Mitarbeitern, hat sich bereits entschieden, einen Beschäftigten in das Programm zu entsenden: Der Mann sei ein „absolutes Talent“, sagt Wolf, „blitzgescheit und spricht fließend Chinesisch und Englisch“. Der Manager hat die Hoffnung, dass sich der junge Ingenieur weiterentwickelt. „Die Persönlichkeit entscheidet über Führungsqualitäten“, so Wolf.
„Dreipunktnull“ geht davon aus, dass die Teilnehmer ihre fachliche Qualifikation aus dem Betrieb mitbringen. Die Seminare sprechen „Schlüsselqualifikationen“ an: Verhandlungs- und Präsentationstechniken und Mitarbeiter-Führung. Nach zwölf Monaten, so die Macher, sollen sich die Absolventen gestärkt auf Fühungspositionen in der eigenen Firma bewerben.
Firmen müssen selbst inspirieren
Flankiert werden die Schulungen durch Gespräche mit Mentoren, die ehrenamtlich beraten und im Hauptberuf Unternehmen führen. Einer von ihnen ist Christian Muckenhaupt, Chef des Wuppertaler Kabelwerks Muckenhaupt & Nusselt mit 110 Beschäftigten. Ihm geht es um die Selbst- und Fremdwahrnehmung der Talente. „Die jungen Mitarbeiter müssen wissen, was sie wollen und welche Positionen sie sich in ihren jeweiligen Unternehmen vorstellen können“, sagt Muckenhaupt. Einem Schützling hat er deshalb geraten, sich nicht auf eine ausgeschriebene Stelle in der Firma zu bewerben. „Er wäre damit nicht glücklich geworden“, so der Geschäftsführer.
Denn das ist die Kehrseite der Medaille. „Es liegt auch an den Unternehmen selbst, ob sie ihre Mitarbeiter inspirieren oder nicht“, gibt Turck-Chef Wolf zu bedenken. Diese Frage stellt sich auch Gerd Kleemeyer, dessen Firma Gera Chemie in Mülheim Produkte für das Estrich- und Parketthandwerk herstellt. Die Produktion der Dämmstoffe ist für die Branche wichtig, hat aber gegenüber Top-Arbeitgebern wie Autoherstellern ein Imageproblem. „Ich muss mich fragen, wie ich Menschen für Gera Chemie begeistern kann“, sagt Kleemeyer. Auch damit beschäftigt sich „dreipunktnull“.