Mülheim. . Warum die Rettung der Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann nach einem Funken Hoffnung doch gescheitert ist. Eine Analyse von Frank Meßing.
Nach der zweijährigen Übernahmeschlacht um Kaiser’s Tengelmann bleiben voraussichtlich nun doch Tausende Mitarbeiter auf der Strecke. Die großen Handelskonzerne haben die historische Chance vertan, ihre wirtschaftlichen Eigeninteressen hintanzustellen und an einer Lösung zu arbeiten, die möglichst viele Arbeitsplätze und Supermärkte erhalten hätte.
Es ist das Verdienst der Gewerkschaft Verdi, dass sich die Konzernbosse überhaupt an einen Tisch setzten. Den Dialog hatte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) schon im Juli angeregt. Doch nach den wenigen Wochen der Hoffnung ist der Einigungswille wie eine Seifenblase zerplatzt. Karl-Erivan Haub (Tengelmann), Markus Mosa (Edeka) und Alain Caparros (Rewe) überziehen sich mit gegenseitigen Schuldzuweisungen.
Gegenseitige Schuldzuweisungen
Haub wirft Rewe, Norma und Markant vor, dass sie „nicht bereit sind, konstruktiv an Lösungen zu arbeiten und ihre Beschwerden zurückzuziehen“. Nüchtern erklärt der Tengelmann-Chef am Abend, dass dies „eine sehr enttäuschende Nachricht“ für die 16 000 Mitarbeiter sei. Nach Lesart Haubs hatten Rewe, Norma und Markant gefordert, dass die Filialen und Vertriebsregionen von Kaiser’s Tengelmann aufgeteilt werden sollen. Das sei aber im Rahmen der Ministererlaubnis nicht möglich, argumentiert der Inhaber. Eine Lösung außerhalb des Ministererlaubnis-Verfahrens indes hätte ein neues Fusionskontrollverfahren erforderlich gemacht. Dafür hätte das Kartellamt mindestens weitere sechs Monate gebraucht. Diese Zeit, so Haub, könne seine Supermarktkette nicht mehr durchstehen.
Auch interessant
Rewe-Chef Caparros dagegen beharrt darauf, dass „verschiedene Lösungen denkbar gewesen wären“ und er wiederholt, dass sein Konzern „sowohl für Teil-, als auch für Gesamtlösungen“ zur Verfügung stehe. „Herr Haub muss nun entscheiden, ob er diese Chance noch ergreifen will oder seine seit zwei Jahren dauernde Verweigerungshaltung fortsetzt“. Um grünes Licht vom Kartellamt zu erhalten, verspricht er, würde er auch Filialen an Dritte abgeben. Auch Wirtschaftsminister Gabriel sendet am Abend einen Appell, dass die Konzerne sich doch noch einigen.
Kahlschlag in NRW zu erwarten
Haub ist aber entschlossen, die Reißleine zu ziehen. Dafür muss er in die Rolle des Abwicklers schlüpfen, die er nicht wollte. Die Supermärkte sind die Keimzelle des 1867 gegründeten Familienübernehmens. „Eine große Zahl von Mitarbeitern“ stehe „vor dem Verlust ihrer Arbeitsplätze“, sagt er. Der Kahlschlag wird vor allem NRW treffen. Die Kaiser’s-Geschäftsführung hat er bereits beauftragt, in Sozialplanverhandlungen mit dem Betriebsrat einzutreten. Tausende Beschäftigte werden auf der Strecke bleiben. Denn die Supermarkt-Zentrale in Mülheim und der Standort Viersen werden nicht mehr gebraucht. Dutzende der 125 Filialen in NRW werden schließen, weil sie zu klein sind und niemand ein Interesse an ihnen haben dürfte.
Verlierer dieser zweijährigen Schlacht sind deshalb nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch die Kunden, weil sie Einkaufsmöglichkeiten in der Nachbarschaft verlieren. Gewinner sind allein Edeka und Rewe. Sie können sich nun die besten Stücke aus dem Scherbenhaufen Kaiser’s Tengelmann picken.