Karlsruhe. Was wäre die Dose ohne den Deckel? Und was wäre der Deckel ohne den Ring? Solche Fragen gehören für Fischdosendeckel-Produzenten zum Tagesgeschäft. In einer Patentanmeldung hat sich eine Firma abfällig über die Deckelkonstruktion eines Konkurrenten geäußert. Der ist vor Gericht gezogen.

Wer gerne Fisch aus Konservendosen isst, kennt das Problem: Manchmal kriegt man den Finger kaum in den Zugring, so dass der Metalldeckel nur schwer aufzureißen ist. Wer den Deckel dann mutig hochzieht, hat am Ende bisweilen ärgerliche Spritzer auf dem Hemd. Die Fischdosenhersteller, von denen es in Deutschland nur eine Handvoll gibt, wollen jedoch keine unzufriedenen Kunden und bemühen sich deshalb seit Jahren um Abhilfe, etwa mit neuen Erfindungen. Doch darf sich dabei ein Hersteller in seiner Patentschrift über die Deckelkonstruktion eines Konkurrenten abfällig äußern?

Den Konkurrenten verunglimpft?

Mit einem solchen wettbewerbsrechtlichen Streit hat sich am Donnerstag der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe befasst. Die beklagte Firma hatte 1993 ein Patent für eine Deckelkonstruktion angemeldet und in ihrer Anmeldeschrift auf ein Patent Bezug genommen, nach dem der klagende Hersteller seine Aufreißdeckel fertigt. Dieser Stand der Technik wird in der Patentschrift als «nachteilig» beschrieben. Das angemeldete Patent vermeide diese Nachteile, indem zum Beispiel «der Zugring leicht hochhebelbar» sei.

Die klagende Firma sieht darin eine «verunglimpfende Darstellung» und verlangt per Unterlassungserklärung die Streichung der Passage aus der Patentschrift. Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden gab in der Vorinstanz der Klage statt und bezifferte den Streitwert auf 250 000 Euro. Das OLG sah in der Äußerung eine wettbewerbswidrige Rufschädigung. Die klagende Firma macht zudem geltend, dass ein Sachverständiger im Verlauf des Prozesses festgestellt habe, dass der bei ihrem Aufreißdeckel behauptete nachteilige Effekt gar nicht bestehe. Die beanstandete Äußerung sei damit nachweislich falsch.

Die Fischdose der Pandora

Der BGH verhandelte jetzt über die Revision der beklagten Firma, die als «Streithelferin» die Bundesrepublik Deutschland an ihrer Seite hatte. Dabei machte der Vorsitzende Richter deutlich, dass die Chancen für das klagende Unternehmen schlecht stehen. Hätte deren Unterlassungsantrag Erfolg, dann würde zugelassen, dass Teile aus einer Patentschrift von einem Konkurrenten «herausgeschossen» werden könnten. Dies hätte weitreichende Folgen für das Patentverfahren. Dritte können nämlich bislang nur nach einer Patenterteilung gegen das Patent Einspruch einlegen und zudem beim Bundespatentgericht eine «Nichtigkeitsklage» erheben.

Die Anwälte der beklagten Firma sagten, man würde «die Büchse der Pandora öffnen», wenn man bereits einen Eingriff eines Konkurrenten in eine Patentschrift zuließe. Patentverfahren würden sich deutlich verzögern. Es gebe zudem die Gefahr, dass auf bereits erteilte Patente Einfluss genommen werde.

Weniger Deckel verkauft

Die Anwälte der klagenden Firma betonten hingegen, wenn man in einer Patentschrift «hässliche» Dinge über den Konkurrenten sagen dürfe, sei die Büchse der Pandora bereits geöffnet - aus der sich nach der griechischen Mythologie zahlreiche Übel über die Erde verteilten. Allein in den Jahren 2005/2006 habe die klagende Firma 45 Millionen Deckel weniger als sonst üblich verkauft, sagte Anwalt Reimund Leonhard auf ddp-Anfrage.

Der für das Wettbewerbsrecht zuständige 1. Zivilsenat will sein Urteil erst zu einem späteren Zeitpunkt verkünden und sich zuvor mit dem 10. Zivilsenat des BGH abstimmen, der für das Patentrecht zuständig ist. (ddp)

Aktenzeichen: I ZR 46/07