Essen. . Der eigene Verband VKU beklagt Stillstand bei Investitionen in Ökostrom und KWK. Im Revier bremst zudem die Steag-Krise die kommunalen Versorger.

Verpassen Deutschlands Stadtwerke die Energiewende? Was sich Marktbeobachter schon lange fragen, spricht nun der eigene Lobbyverband offen aus: Katherina Reiche, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), beklagt seit drei Jahren stagnierende Investitionen in erneuerbare Energien und in Anlagen mit klimaschonender Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Gegenüber 2011 hätten sich die Investitionen der Stadtwerke in diese Zukunftsfelder sogar fast halbiert. Aus Reiches aufmunternd gemeintem Satz „die Energiewende kann nur mit uns gelingen“ lässt sich daher auch Skepsis heraushören. Der VKU sorgt sich offenkundig um die Zukunftsfähigkeit der Stadtwerke.

Die Gründe sind bekannt: Nicht nur im Ruhrgebiet stehen Stadtwerke wegen der weggebrochenen Börsenstrompreise unter Druck, besonders jene, die noch selbst alte Kohlekraftwerke betreiben oder sich daran beteiligen. Im Vertrieb wächst die Konkurrenz, gleichzeitig plagen durch die Nullzinspolitik drastisch gestiegene Pensionslasten die Bilanzen der Stadtwerke.

Raus aus eigener Erzeugung

Im Ruhrgebiet kommt noch die Krise des Essener Stromkonzerns Steag hinzu, den Stadtwerke aus sechs Revierkommunen gekauft haben. Das von Anfang an umstrittene Engagement gerät nun zur Belastung. Die unter der Schwäche ihrer vielen Kohlekraftwerke leidende Steag fährt ein hartes Sparprogramm und kann absehbar keine Dividende zahlen. Die Stadtwerke müssen gleichwohl ihre Kredite bedienen, die sie für die Steag-Übernahme aufgenommen haben. Das schränkt ihre Spielräume für Investitionen weiter ein.

Um an der Energiewende mitzuverdienen, versuchen kommunale Energiemanager in ganz Deutschland längst, auf Erneuerbare umzusteuern und sich von unrentablen Kohle- und Gasblöcken zu trennen. Die Reform der Ökostromförderung, die Garantiepreise abschafft und etwa neue Windkraftanlagen in Ausschreibungen dem günstigsten Bieter zuschlägt, machen es den Stadtwerken aber nicht leicht, da mitzuhalten.

Die beiden größten deutschen Energiekonzerne Eon und RWE reagieren denkbar radikal auf die Verwerfungen der Energiewende: Beide trennen ihr unter Druck geratenes konventionelles Geschäft von den Zukunftsfeldern mit Ökostrom, Vertrieb und Netzen ab. Und beide wollen deutlich mehr Geld in Erneuerbare investieren.

Hiesige Stadtwerke tun sich in diesen Zeiten des Umbruchs unterschiedlich schwer. Duisburgs Stadtwerke bauen gerade Hunderte Stellen ab und schließen ein Kohlekraftwerk. Die Stadt musste sie mit einem 200-Milllionen-Euro-Kredit stützen, nun fehlen Steag-Ausschüttungen von zuletzt 5,9 Millionen Euro im Jahr. Gerade deshalb will Duisburgs Stadtwerke-Chef Marcus Wittig umsteuern: „Investitionen in umweltfreundliche Energien sind Bestandteil unserer strategischen Neuausrichtung“, sagte er dieser Zeitung. Anstelle der eigenen Stromerzeugung richte man den Fokus künftig auf Fernwärme durch KWK-Anlagen. Investitionen in Erneuerbare stagnieren aber in Duisburg seit Jahren.

Bochumer Stadtwerke mit Vorreiterrolle

Weiter sind die Stadtwerke Bochum, die etwa am Trianel-Meereswindpark vor Borkum beteiligt sind. „Früher als andere haben wir in den Ausbau der erneuerbaren Energien investiert“, sagt Stadtwerke-Chef Dietmar Spohn und betont, in den kommenden Jahren erneut bis zu 70 Millionen Euro bevorzugt in Windkraft investieren zu wollen. „Unser Ziel ist es, nicht Verlierer, sondern Vorreiter der Energiewende zu sein.“

Gleichzeitig zieht sich Bochum aus dem konventionellen Bereich zurück, was zuletzt mit dem Ausstieg aus dem Pannen-Kraftwerk Gekko in Hamm allerdings mit 27,8 Millionen Euro Verlust teuer bezahlt werden musste. Spohn räumt ein, dass die aktuelle Lage auf den Energiemärkten es kommunalen Versorgern „selbstverständlich erschwert“, etwa in die Versorgungsnetze zu investieren.

Eine Sprecherin der Dortmunder DEW 21 betont das „ambitionierte Ziel“, bis 2020 ein Viertel des Stroms aus erneuerbaren Energien zu gewinnen. Die neuen Ausschreibeverfahren erschwerten das aber. Der DEW 21 gehen dieses Jahr wie der Muttergesellschaft DSW 21 rund 5,6 Millionen Euro an Dividende aus der Steag-Beteiligung verloren. Das wichtigste Projekt der nächsten Jahre, der 80 Millionen Euro teure Ausbau der Nahwärme-Versorgung durch KWK, sei davon jedoch unberührt.