Essen. . In NRW gibt es deutlich mehr Plätze zur Ausbildungsvorbereitung als in anderen Ländern, aber die Besetzung stockt. 83.000 Flüchtlinge suchen Arbeit.

Während aus der Politik die Kritik an den großen Dax-Konzernen lauter wird, sie würden zu wenige Flüchtlinge einstellen und damit ihre Versprechen brechen, geht das Handwerk vor allem in NRW weitgehend geräuschlos voran: Es hat im Ländervergleich bisher mit Abstand die meisten Stellen im Rahmen eines bundesweiten Qualifizierungsprogramms gemeldet.

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Bis Ende Juni wurden in NRW 2345 Plätze für Maßnahmen bis 2018 zugesagt, mit denen junge Flüchtlinge fit für eine Ausbildung gemacht werden sollen, wie die Handwerkskammer Düsseldorf dieser Zeitung sagte. Das „Perspektiven für junge Flüchtlinge im Handwerk“ genannte Programm, das Bundesbildungsministerin Johanna Wanka, die Bundesagentur für Arbeit und das Handwerk im Frühjahr ins Leben gerufen hatten, soll bundesweit 10 000 Plätze in drei Jahren schaffen. Dem üblichen Schlüssel nach müsste NRW ein Fünftel davon schaffen, hat sein Soll also bereits übertroffen.

Qualifizierungen für Flüchtlinge und Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive

Die vier- bis sechsmonatigen Qualifizierungen werden von den Lehrwerkstätten der Kreishandwerkerschaften organisiert. Teilnehmen können Flüchtlinge unter 25 Jahren – sowohl anerkannte Flüchtlinge als auch Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive. Sie sollen Handwerksberufe kennenlernen und ihre Deutschkenntnisse berufsspezifisch vertiefen. Es folgt eine zwölfwöchige, intensive Berufsvorbereitung, nach der die jungen Flüchtlinge bereit für eine duale Ausbildung sein sollen.

Die Schaffung der Plätze wird auf drei Jahre verteilt, in diesem sollen zunächst bundesweit 2500 entstehen. In NRW standen der Bundesagentur für Arbeit zufolge bis Juni 499 Plätze bereit. Auch hier ist das hiesige Handwerk dem in den anderen Ländern voraus – alle anderen 15 Länder zusammen kommen bisher nur auf 653 Plätze.

Viele Betriebe würden sich gerne mehr engagieren

Allerdings ist auch die Integration von Flüchtlingen im Handwerk kein Selbstläufer. Viele Betriebe würden sich gerne mehr engagieren, heißt es bei der Kammer, doch Sprachdefizite, fehlende Qualifikationen, die lange Verfahrensdauer und Wohnortwechsel erschwerten das. Von einzelnen Trägern heißt es, nicht einmal die Hälfte der angebotenen Plätze könne zum Start besetzt werden.

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Anerkannte Asylbewerber können zur Teilnahme verpflichtet werden, für die anderen ist dies freiwillig. Die NRW-Zentrale der Bundesagentur räumte auf Anfrage ein, die Besetzung habe zuletzt „in einigen Agenturen gestockt“. Von den 499 Plätzen seien aber bereits rund 300 besetzt und man sei zuversichtlich, auch für die restlichen geeignete Teilnehmer zu finden.

Von der nahenden Lösung des sich abzeichnenden Fachkräftemangels in Deutschland durch den Flüchtlingszustrom redet nach rund einem Jahr aber niemand mehr. Sowohl im Handwerk als auch in den Jobcentern rechnet man mit etwa fünf Jahren, die eine echte Integration in den Arbeitsmarkt dauere.

Von 322.000 arbeitssuchendem Flüchtlingen wohnen 83.000 in NRW

Die Zugewanderten landen daher mehrheitlich zunächst in der Arbeitslosen statt in der Erwerbsstatistik. Im Juli waren 322.000 Flüchtlinge als arbeitsuchend gemeldet, davon 83.000, also überproportional viele in NRW. Die meisten stammen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan. Weil die Mehrzahl an ersten Maßnahmen – in der Regel Sprachkurse – teilnimmt, gelten bundesweit bisher nur 140.000 und in NRW 41.000 offiziell als arbeitslos.

Dass gerade Syrer mittlerweile meist nur noch ein vorübergehendes, einjähriges Aufenthaltsrecht erhalten, birgt für Arbeitgeber, die sie einstellen wollen, ein weiteres Risiko. Der Chef der Bundesagentur, Frank-Jürgen Weise, hat vor allem sie im Blick, wenn er nun fordert, auch ein Flüchtling mit eingeschränktem Aufenthaltsrecht solle bleiben dürfen, wenn er deutsch spricht und eine Stelle hat. Er brauche dafür einen Status, „der für ihn als Mensch und für den Arbeitgeber sicher ist“.