Essen. . Interview mit den beiden neuen Moderatoren des Initiativkreises Ruhr, Bernd Tönjes und Thomas A. Lange: Das Bündnis will mehr für Existenzgründer tun.

Ein Banker und ein Bergmann führen nun das einflussreiche Wirtschaftsbündnis Initiativkreis Ruhr. Was RAG-Chef Bernd Tönjes und Thomas A. Lange, der Chef der National-Bank, für den Zusammenschluss von 66 Unternehmen planen, berichten sie im Interview mit Andreas Tyrock und Ulf Meinke.

Die Herausforderungen im Ruhrgebiet sind groß. In vielen Städten ist die Arbeitslosigkeit hoch. Die Kohle verschwindet, RWE steckt in der Krise. Wie ernst ist die Lage?

Tönjes: Wir haben Probleme. Das ist offensichtlich. NRW ist das Energieland Nummer eins. Daher spüren wir die Folge der Energiewende besonders stark. Ich betrachte die Entwicklung schon mit einiger Sorge. Den erneuerbaren Energien gehört die Zukunft, daran gibt es keinen Zweifel. Aber die Schritte, die wir gehen, müssen gut überlegt sein. Neben den ökologischen sollten wir auch die ökonomischen und sozialpolitischen Aspekte bedenken.

Nun müssen die Kommunen auch noch ohne die RWE-Dividende auskommen. Können Sie die Aufregung in den Städten nachvollziehen?

Tönjes: Generell gibt es eine sehr enge Verknüpfung der Energiewirtschaft mit den Städten und Gemeinden vor Ort. Viele Kommunen gehören zu den Eigentümern der betroffenen Unternehmen. Die Finanzlage der Kommunen wird durch viele Faktoren beeinflusst. Aber ein Unternehmen muss seine Entscheidungen in eigener Verantwortung treffen.

Auch die für das Ruhrgebiet wichtige Stahlindustrie bangt um ihre Existenz. Teilen Sie die Sorgen?

Lange: Die internationalen Stahlmärkte sind durch Verwerfungen gekennzeichnet. Insbesondere chinesische Hersteller versuchen, mit Dumpingpreisen Marktanteile zu gewinnen. Vieles von dem, was in der Stahlindustrie in den vergangenen Jahren erreicht worden ist, gerät dadurch unter Druck. Die EU-Kommission hat zwar die Importzölle erhöht, jedoch kann dies nur ein erster Schritt dahin sein, zu gleichen Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer zurückzukehren.

Aus dem Initiativkreis Ruhr ist der Ruf nach einem Aufbau West und einem Soli fürs Revier laut geworden. Kann es das Ruhrgebiet nicht aus eigener Kraft schaffen?

Tönjes: Wir fordern kein Sonderprogramm Ruhrgebiet. Aber es sollte nach Bedarf und nicht nach Himmelsrichtung gefördert werden. Einige Kommunen der Region müssen Kredite aufnehmen, um den Solidaritätspakt zum Aufbau der ostdeutschen Bundesländer zu bedienen. Das kann auf Dauer keine Lösung sein.

Lange: Das Ruhrgebiet hat es in den vergangenen Jahrzehnten stets geschafft, die vielfältigen Herausforderungen engagiert und couragiert, vor allem aber selbst, zu meistern. Von dieser Kraft bin ich unverändert überzeugt. Sie wird uns auch zukünftig tragen

Wo liegen die drei größten Stärken des Ruhrgebiets?

Tönjes: Die größte Stärke sind die Menschen, die veränderungsbereit und solidarisch sind. Wir haben eine starke Industrie, auch als Keimzelle für den Dienstleistungssektor. Hinzu kommt eine herausragende Hochschullandschaft.

Und was sind die größten Schwächen?

Lange: Es gibt zwei grundsätzliche Schwächen: Zum einen die Branchenstruktur der Wirtschaft, die in besonderer Weise von Entwicklungen betroffen ist, auf die sie keinen oder nur einen geringen Einfluss hat. Hierbei handelt es sich um die Automobilwirtschaft, Stichwort Bochum, die Stahlindustrie sowie die Energieerzeugung. Zum anderen haben wir einen Investitionsrückstau bei der Infrastruktur. Das gilt für Straße, Schiene und Wasserwege ebenso wie für digitale Netze. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass Bundes- und Landesregierung alles unternehmen werden, um diese für die gedeihliche Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft noch unbefriedigende Situation deutlich zu optimieren. Erste Anzeichen sind schon erkennbar.

Was haben Sie in Ihrer Amtszeit an der Initiativkreis-Spitze vor?

Tönjes: Wir wollen Akzente auf den drei bewährten Feldern Wirtschaft, Bildung und Kultur setzen. In den kommenden Monaten wollen wir das Bottroper Stadtumbau-Projekt Innovation City, gewissermaßen die Energiewende von unten, auf 20 weitere Städte in der Region ausweiten. Im Bereich Bildung wollen wir die Nachwuchsförderung unter der Überschrift „TalentMetropole Ruhr“ intensivieren.

Lange: Und für Existenzgründer planen wir einen Fonds. Beim Volumen wären 30 Millionen Euro ein guter Anfang. Hierzu befinden wir uns im Gespräch mit der NRW.Bank und den Mitgliedsunternehmen. Unser Ansatz ist eine Verknüpfung von Kapital und Knowhow. Dabei arbeiten wir auch mit den Hochschulen zusammen. Wir wollen der Region einen Gründerschub verleihen.

Sie wollen den Initiativkreis auch verjüngen. Warum?

Tönjes: Wir wollen die jüngere Generation stärker einbinden. Uns treibt die Frage um: Was müssen wir heute tun, damit die jungen Leute im Ruhrgebiet bleiben...

Lange: … und zu uns kommen!

Tönjes: Dafür brauchen wir ein attraktives Umfeld. Früher hieß es: Arbeit, Arbeit, Arbeit. Das wird heute völlig anders gesehen. Die neue Generation nimmt ihren Beruf sehr ernst, aber die Familie ist genauso wichtig. Ein Vater übernimmt auch mal die Kindererziehung. Ich finde das sehr gut. Den jungen Leuten steht die Welt offen. Niemand ist mehr an eine Region gebunden. Wir konkurrieren um Nachwuchsspitzenkräfte. Umso mehr müssen wir dafür tun, Fachkräfte zu überzeugen. Beispielsweise durch gute Kitas und flexiblere Arbeitszeitmodelle.

Viele Unternehmen müssen sparen. Ist angesichts dessen noch Geld vorhanden für gesellschaftliches Engagement der Wirtschaft vor Ort?

Tönjes: Für uns als Unternehmer steht außer Frage, dass gesellschaftliches Engagement unverzichtbar ist.

Lange: Nehmen Sie das Beispiel TalentMetropole Ruhr. Sie zielt bewusst nicht auf die Förderung von Eliten ab, sondern soll gerade jungen Leuten, die sonst schlechte Chancen am Arbeitsmarkt haben, helfen, einen Beruf zu finden. Wir sind nicht der Kreis für feine Leute, sondern wir wollen unsere Lebensbedingungen verbessern. Dabei wollen wir alle mitnehmen.

Zu den Aktivitäten des Initiativkreises gehört auch das Klavier-Festival. Lässt sich das hohe Niveau mit der vorhandenen finanziellen Ausstattung halten?

Lange: Ja, mit drei Ausrufezeichen. Es zahlt sich aus, dass wir das Klavier-Festival seit Anfang 2011 als eigene Stiftung führen. Das ermöglicht uns mehr Spielräume bei der Finanzierung. Die Gewinnung von Drittmitteln kann solche Spielräume schaffen, von denen zum Beispiel auch andere Aktivitäten wie die Talentförderung oder unsere Existenzgründer-Initiative profitieren können.

In den vergangenen Jahren haben Unternehmen wie Haniel, Telekom, Roland Berger und Remondis den Initiativkreis verlassen. Tut das weh?

Tönjes: Die Beweggründe, warum sich ein Unternehmen bei uns engagiert, sind unterschiedlich. Es sind auch neue Mitglieder hinzugekommen. Wir wollen weitere Mitglieder gewinnen und sind hier auch optimistisch. Dabei wünschen wir uns natürlich nicht nur zahlende, sondern auch engagierte Mitglieder.

Sie wollen sich als Team an der Spitze des Initiativkreises präsentieren. Ist Teamarbeit typisch für das Ruhrgebiet?

Tönjes: Klar, das lernt man im Bergbau. Man kann nur im Team erfolgreich sein. Dass der Kollege hier Kumpel ist, drückt das ja bestens aus.

Jetzt führen ein Bergmann und ein Banker den Initiativkreis. Aber passt das wirklich zum Zukunftsbild der Region?

Tönjes: Zu den Gründervätern gehörten auch der Banker Alfred Herrhausen und der Bergmann Adolf Schmidt. Ihre Werte prägen den Initiativkreis heute und auch morgen.

Herr Tönjes, Sie sind Schalke-Fan. Ihr Vorgänger Klaus Engel ist leidenschaftlicher Fan von Borussia Dortmund. Wie kommen Sie mit den vielen Borussen im Initiativkreis klar?

Tönjes: Ich finde es großartig, wie sich Schalke zu den eigenen Wurzeln bekennt. Ich werde nie vergessen, dass der Verein am Tag der Schließung Mitarbeiter der Zeche Auguste Victoria ins Stadion eingeladen hat. 60 000 Leute haben das Steigerlied gesungen. Das ging unter die Haut. Aber es ist auch großartig, dass beide Vereine, Schalke und Borussia, eng im Initiativkreis zusammen arbeiten.