Essen. . Das Skandalkraftwerk Gekko in Hamm wird für die beteiligten Stadtwerke und RWE zum Fiasko. Dabei galt der Großbau einst als Leuchtturm der Energiepolitik.

Angela Merkel höchstpersönlich verlieh dem Projekt bundespolitisches Gewicht. Die Kanzlerin war 2008 die Ranghöchste unter den 300 geladenen Gästen, die in Hamm den Grundstein legten für das, was man damals für die Kraftwerkstechnologie der Zukunft hielt. Gekko, das Gemeinschaftskraftwerk Steinkohle der RWE AG und 23 beteiligter Stadtwerke, sollte als eines der weltweit modernsten Kraftwerke seiner Art sieben Millionen Menschen mit Strom versorgen und Millionen Tonnen weniger Kohlendioxid in die Luft blasen als Altanlagen.

Inzwischen dürfte den Beteiligten von einst der große Bahnhof für den Kraftwerksneubau eher peinlich sein. Denn sieben Jahre und eine Energiewende später ist Gekko nicht nur zum Pleiten-, Pech- und Pannenbetrieb einer ganzen Region geworden. Es taugt auch zum milliardenteuren Symbol fehlender energiepolitischer Weitsicht. Denn der Strom, den Gekko produziert, ist nach heutigen Verhältnissen viel zu teuer.

Kraftwerk wird wohl nie Gewinn abwerfen

Das gigantische Steinkohlekraftwerk in Sichtweite der Autobahn 2 wird infolge der Energiewende und dem daraus resultierenden Überangebot an grünem Strom wohl nie auch nur einen Cent Gewinn abwerfen. Schlimmer noch: Die beteiligten Stadtwerke und damit indirekt die Bürger müssen schon seit Jahren zuschießen und Millionenrückstellungen in ihren Bilanzen bilden. Die Stadtwerke Bochum etwa haben in kurzer Zeit Drohverlustrückstellungen in Höhe von 13,3 Millionen Euro für Gekko vorgenommen. In Dortmund wuchsen die Rückstellungen sogar auf 65 Millionen Euro. Auch Hamm, Herne und weitere NRW-Städte wie Münster, Mönchengladbach, Emmerich und Attendorn sitzen in der Gekko-Falle.

Die insgesamt 23 Stadtwerke hatten sich 2008 in der Hoffnung auf auskömmliche Renditen für zusammen über eine halbe Milliarde Euro einen 23-Prozent-Anteil an dem RWE-Kraftwerk gesichert. Doch Gekko stand von Beginn an unter keinem guten Stern. Schon 2010 trieben Bauverzögerungen die ursprünglich auf zwei Milliarden Euro taxierten Kosten um 400 Millionen Euro in die Höhe. 2013 gerieten im Probebetrieb große Mengen Chemikalien, darunter Salzsäure, in die Kesselrohre eines der beiden 800-MW-Steinkohleblöcke. Die Hälfte des Kraftwerks ist seitdem Bauruine und wird wohl nie ans Netz gehen. Der zweite Block nahm erst Mitte 2014 den Betrieb auf, über zwei Jahre später als geplant. Zu allem Überfluss geriet Gekko Ende letzten Jahres in den Sog des Bestechungsskandals um den inzwischen insolventen Bautechnik-Konzern Imtech.

Ruhrgebiets-Städte investierten Millionen in Gekko

Kein Wunder also, dass die Stadtwerke sich Gekko angesichts dieses Fiaskos lieber heute als morgen vom Hals wünschen, auch wenn ihre Millioneninvestitionen auf dem Spiel stehen. Immer wieder mussten die kommunalen Betriebe Geld nachschieben für die Bausünden. Der Vertrag verpflichtet sie zudem, den erzeugten Strom weit über dem heute üblichen Marktpreis abzunehmen – volle 20 Jahre lang. „Je schneller wir da rauskommen, desto besser“, sagte ein Stadtwerke-Manager dieser Zeitung.

Teuer wird der Ausstieg so oder so. Allein Dortmund hatte dem Großkraftwerk mit einem Gesellschafterdarlehen in Höhe von 114 Millionen Euro auf die Beine geholfen. Pikant: Das Darlehen bedient sich praktisch selbst – durch die Einnahmen ausgerechnet aus dem überteuerten Stromverkauf an die Stadttöchter. Bochum investierte 44 Millionen, Herne beteiligte sich mit 16 Millionen Euro.

Im Sommer flatterte den Kommunalen eine Art unmoralisches Angebot vom Partner RWE auf den Schreibtisch. Der Essener Konzern bot an, den Stadtwerken ihren Anteil abzukaufen – für den symbolischen Preis von einem Euro. Das aber wäre gleichbedeutend mit dem Totalverlust des eingesetzten Kapitals. Seither ringen die Stadtwerke darum, dieses Worst-Case-Szenario möglichst abzumildern. Eine Entscheidung soll „noch in diesem Jahr“ vorliegen, wie es aus Stadtwerke-Kreisen heißt. Das Ein-Euro-Angebot jedenfalls könne „wohl kaum das letzte Wort sein“.