Hagen. Als Ursache für gestiegene Arbeitslosenzahlen im Juli werden erstmals Flüchtlinge und Asylbewerber genannt. Südwestfalen verzeichnet den größten Rückgang im Jahresvergleich.
Der Arbeitsmarkt in Nordrhein-Westfalen hat sich im Juli - während der Sommerferien - saisontypisch entwickelt: Die Zahl der Arbeitslosen ist um knapp 18 000 auf rund 760 500 gestiegen, wie die Regionalagentur für Arbeit in Düsseldorf mitteilte. Grund: Jüngere haben Schule, Berufsausbildung oder Studium beendet, die meisten Unternehmen warten aber bis zum Ferienende, bis sie neues Personal einstellen. Die Folge ist eine temporär erhöhte Arbeitslosigkeit bei den unter 25-Jährigen.
Keine eigene Statistik
Erstmals berichtet die Regionalagentur in diesem Monat über eine zusätzliche Ursache der gestiegenen Zahlen: die erhöhte Zuwanderung. Dies dürfte sich in den kommenden Monaten noch verstärken. „Wir können bestätigen, dass sich mehr Ausländer als früher arbeitslos melden“, sagt Ulrich Brauer von der Agentur für Arbeit Hagen (Stadt Hagen und Ennepe-Ruhr-Kreis), der aber wie seine Kollegen in Südwestfalen auf keine eigene Flüchtlings- und Asylbewerber-Statistik zurückgreifen kann. Ein Viertel aller arbeitslos Gemeldeten in Nordrhein-Westfalen hat keinen deutschen Pass.
Während die Gesamt-Arbeitslosigkeit (landesweit um 17 000 oder 2,2 Prozent) erneut unter dem Vorjahres-Niveau liege, sei die Arbeitslosigkeit von Ausländern im Bezirk der Hagener Agentur überproportional gewachsen: Ihr Anteil stieg Brauer zufolge von 23,4 Prozent im Juli 2014 auf gegenwärtig 26,3 Prozent. In absoluten Zahlen: Von 5385 Ende Juli 2014 auf 5824 genau ein Jahr später. Dabei haben sich auch Verschiebungen innerhalb der Nationalitäten ergeben: So wuchs die Zahl der arbeitslos gemeldeten Syrer allein im Ennepe-Ruhr-Kreis von April 2010 bis April 2015 von 9 auf 94, die der Rumänen von 10 auf 63.
Trend bestätigt
So viele Zahlen hat nicht jede Arbeitsagentur in Südwestfalen parat, es kommt immer darauf an, welche gerade zufällig vom Daten-Pool der NRW-Zentrale in Düsseldorf abgefragt wurden. Aber den Trend bestätigen auch Thomas Becker von der Arbeitsagentur in Siegen und Karina Bauer aus Soest/Meschede. „Die Flüchtlings-Thematik ist auf dem Arbeitsmarkt im Hochsauerlandkreis und im Kreis Soest zwar schon präsent, aber noch im Hintergrund“, erklärt Pressesprecherin Bauer. In der Region nahm die Zahl der als arbeitslos gemeldeten Ausländer binnen Jahresfrist um 4,5 Prozent auf 2828 zu. Ihr Kollege Becker berichtet von einer Steigerung von 5,3 Prozent auf 2367.
Dabei hat neben EU-Bürgern wie Rumänen und Bulgaren nur die Gruppe der Kontingentflüchtlinge aus Krisenregionen wie Syrien vom ersten Tag in Deutschland an Arbeitsmarktzugang, erklärt Aneta Schikora von der NRW-Generaldirektion in Düsseldorf. Reguläre Asylbewerber und Geduldete haben zunächst drei Monate Beschäftigungsverbot, bevor sie sich auf Arbeitssuche begeben können. Dann aber wird in einer Vorrangprüfung 15 Monate lang ermittelt, ob nicht ein EU-Bürger für diesen Job geeigneter wäre. Nur wenn Asylbewerber und Geduldete bestimmte anerkannte berufliche Qualifikationen etwa in den Bereichen Mechatronik, Bauelektrik, Sanitär oder auch Altenpflege haben, entfällt die Vorrangprüfung.
Fachkräftemangel
Gerade vor dem Hintergrund des absehbaren Fachkräftemangels sind die Industrie- und Handelskammern der Region stark in das Thema involviert. „Unsere Unternehmen sind da sehr aufgeschlossen. Ein hoher Anteil ist bereit, Flüchtlinge zu beschäftigen und auch diesbezügliche Projekte zu unterstützen“, sagt Pauline Henne, Projektbeauftragte für Flüchtlinge bei der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer zu Hagen. Gemeinsam mit der Stadt Hagen ist ihren Angaben zufolge eine sechswöchige Berufsorientierung für 20- bis 35-jährige Zuwanderer mit Sprachkurs und Qualifizierungsmaßnahme im Metallbereich geplant. Die 10 bis 15 Teilnehmer stehen noch nicht fest.
Wichtiger noch als Qualifikationen der Bewerber in der Metallver- und -bearbeitung seien Grundkenntnisse in Deutsch. „Ein Mindestniveau ist nötig, um mitzukommen.“ Henne beklagt auch bürokratische Hemmnisse wie die schleppende Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Aber auch die Dauer der Vorrangprüfung: „15 Monate sind eine viel zu lange Zeit.“